Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Paar erwartet ein Baby mit Klumpfuß
Wie Sonja Hummel und Lukas Rein aus Weingarten mit der Diagnose umgehen
- In wenigen Tagen wird das erste Kind von Sonja Hummel zur Welt kommen, höchstwahrscheinlich mit einem Klumpfuß. Ganz überraschend sei die Diagnose für sie und ihren Partner Lukas Rein damals in der 23. Schwangerschaftswoche nicht gekommen.
Die 30-Jährige erzählt, dass sie mit solch einer Diagnose fast schon gerechnet habe. „Mein Bruder wurde vor über 20 Jahren mit beidseitigen Klumpfüßen geboren. Da es heißt, dass diese Fehlbildung rezessiv vererbt werden könne, war ich innerlich schon etwas darauf vorbereitet“, sagt sie. Bei einem 3D-Ultraschall bestätigte sich dann der Verdacht.
Der angeborene Klumpfuß stellt eine komplexe Fehlstellung mit Funktionseinschränkung des Fußes dar, dessen genaue Ursache und Entstehungsweise immer noch unklar sind. Mindestens ein Kind von tausend habe laut Statistik einen angeborenen Klumpfuß. „Eines der Hauptmerkmale ist, dass die Achillessehne verkürzt ist und dadurch eine Fehlstellung des Fußes entsteht“, erklärt Hummel.
Hummels Mutter hatte vor mehr als 20 Jahren eine Selbsthilfegruppe für Eltern mit Kindern mit Klumpfüßen im Landkreis Biberach gegründet. Nun rief Hummel selbst einen Stammtisch für Betroffene und Angehörige ins Leben. Ziel sei, zu informieren und Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Im September fand das erste Treffen mit sieben Müttern statt. „Es gibt viele wichtige Informationen, auch bereits bevor das Kind zur Welt kommt“, erzählt sie. Neben lebenspraktischen Fragen seien es auch versicherungstechnische und finanzielle Themen, über die wenig aufgeklärt werde, so Hummel.
„Es ist wichtig, darüber zu sprechen und sich auch zu trauen, Leistungen in Anspruch zu nehmen.“So könnten bis zu drei Monaten vor der Geburt eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen, nach der Geburt eine befristete Pflegestufe beantragt und der Mutterschutz verlängert werden.
Das Paar lasse sich überraschen, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Schwierig sei es gewesen, wenn auf die Frage nach dem Geschlecht die übliche Floskel „Hauptsache, es ist gesund“gefallen sei. „Ich weiß, dass dieser Satz nur gut gemeint ist, aber bei mir hat er enorm viel Druck verursacht“, so Hummel. Besser formuliert sei der nett gemeinte Satz „Hauptsache, es ist glücklich“, meint sie.
Die Vorfreude auf das Kind überwiege, da ist sich das Paar einig. Vor der ambulanten Operation, die üblicherweise innerhalb der ersten drei Monate des Babys erfolgen wird, haben sie nicht wirklich Angst. Hummel erzählt, sie habe sich mit ihrem Partner nach der Diagnose sofort informiert, wo die besten Therapieund Operationsmöglichkeiten angeboten werden. Die Wahl fiel auf eine Klinik in Stuttgart. Diese wendet die sogenannte Ponseti-Methode an. Während früher die Klumpfußfehlstellung durch große Operationen im Alter von sechs bis acht Monaten behandelt wurde, sei heutzutage die schonende Redressionstherapie nach Ponseti weit verbreitet. Dabei wird die vorhandene Fehlstellung nach einem festen Drei-PhasenSchema Schritt für Schritt korrigiert.
In den ersten zehn Lebenstagen sollte mit der Anlage der Gipse begonnen werden. Bei den etwa wöchentlichen Gipswechseln, die für das Kind schmerzlos sind, wird der Fuß aus seiner Klumpfußstellung herausgeholt und nach und nach durch Dehnung nach außen gedreht. Je nach
Ausprägung dauert diese Phase etwa sechs bis acht Wochen. Bei etwa 90 Prozent der Kinder ist zur Korrektur des Spitzfußes noch eine Durchtrennung der Achillessehne in lokaler Betäubung notwendig. Anschließend folgen sechs weitere Wochen Gipsbehandlung. Die Achillessehne wächst in dieser Zeit wieder in richtiger Länge zusammen.
In der dritten Phase erfolgt nach Abnahme des letzten Gipses die Anpassung einer Schiene, die die Füße in einer etwas überkorrigierten Position hält. Diese Phase sei die längste und erfordere viel Mitarbeit und Geduld der Eltern. Und diese werden sie mitbringen, da sei sich das Paar sicher.
Auch bei sehr gutem Behandlungserfolg bleibe ein ehemaliger Klumpfuß weiter kontrollbedürftig. In der Regel haben die Kinder in ihrem späteren Leben jedoch keine wesentlichen Einschränkungen. Bei einseitigem Auftreten können im Vergleich zur gesunden Seite eine etwas schlankere Wade, eine um ein bis zwei Nummern kleinere Schuhgröße, eine milde Beinlängendifferenz oder eine leichte Minderbeweglichkeit festgestellt werden.
Der 27-Jährige, der als Postbote arbeitet und seine Füße sein Kapital nennt, stimmt seiner Partnerin zu: Sie werden das Beste aus der Situation machen und blicken mit Freude auf die Zukunft mit ihrem Kind.
Kontakt zum Klumpfuß-Stammtisch können Interessierte aufnehmen bei Sonja Hummel unter Telefon 0173/192 14 01 oder per E-Mail an hummel. sonja@posteo.de. Um Anmeldung zum Treffen wird gebeten.