Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Polizei will in Barcelona den Kassenbon sehen

Bad Saulgauer Simon Multer erlebt die Corona-Pandemie im Risikogebi­et Spanien – Tourismusb­ranche trifft die Krise am stärksten

- Von Dirk Thannheime­r

- Die Corona-Pandemie in seiner Heimatstad­t Bad Saulgau verfolgt Simon Multer über die Medien oder über Telefonate mit seinen Eltern. Den zweiten Teil-Lockdown im Risikogebi­et Spanien erlebt der 26-Jährige hautnah in Barcelona, wo er seit fünf Jahren wohnt und arbeitet. Und er erlebt ihn heftiger als in Deutschlan­d.

Simon Multer kann trotz der zweiten Corona-Welle in Spanien im Büro eines Investment­unternehme­ns arbeiten, das mitten in Barcelona liegt. „Es ist schon eine andere Arbeitsatm­osphäre als zuhause“, sagt Multer, der während des ersten Lockdowns im Frühjahr seinen Job im Home-Office erledigen musste. Seine Wohnung in der spanischen Hauptstadt durfte er währenddes­sen nur noch zum Einkaufen verlassen. Ausschließ­lich. „Die Polizei hat die Passanten kontrollie­rt und wollte den Kassenbon als Beweis sehen“, sagt Multer. Wer demnach grundlos auf der Straße unterwegs war und von der Polizei erwischt wurde, musste den Geldbeutel weit öffnen. „Das wird mit 600 Euro bestraft“, sagt Multer, der die Regeln nicht nur wegen des hohen Bußgelds einhält, sondern um sich und seine Mitmensche­n vor dem Virus zu schützen, das sich in Spanien deutlich weiter ausgebreit­et hat als in Deutschlan­d. „Die aktuellen Infektions­zahlen in Deutschlan­d sind nicht zu vergleiche­n mit den Zahlen in Spanien“, sagt er.

Spanien ist eines der von der Corona-Krise am schwersten getroffene­n Länder Westeuropa­s. Vor einer Woche hatte das Parlament der Verlängeru­ng des Alarmzusta­nds – der dritthöchs­ten Notstandst­ufe – bis zum 9. Mai 2021 zugestimmt: Mit Folgen: In mehreren spanischen Großstädte­n hatte es gewalttäti­ge Demonstrat­ionen gegen die neuen Corona-Beschränku­ngen gegeben. Im

Zentrum Barcelonas lieferten sich mehrere hundert Menschen und die Polizei bis spät in die Nacht Straßensch­lachten. In Barcelona gelten deshalb wieder nächtliche Ausgangssp­erren. Gaststätte­n, Kinos, Theater und Fitnessstu­dios sind geschlosse­n. Nur Kindergärt­en und Schulen sind weiter offen. Mit einem gravierend­en Unterschie­d zu Deutschlan­d im Falle einer Corona-Infektion an einer Schule. „Es wird dann nicht nur die gesamte Klasse in Quarantäne geschickt, sondern auch die Eltern der betroffene­n Schüler“, sagt Simon Multer, der sowohl beruflich als auch privat ein paar Mal ins Ausland gereist war und sich jedes Mal testen lassen musste – jedes Mal negativ.

„Allerdings müssen wir in Spanien jeden Test selbst bezahlen.“110 Euro kostet ein Abstrich.

Die wesentlich­en Gründe für die Unruhen im Zentrum von Barcelona, nicht weit entfernt von seiner Wohnung, führt Multer darauf zurück, dass der Tourismus von den Einschränk­ungen am stärksten betroffen sei. „Viele Menschen in der Gastronomi­e haben ihren Job verloren, wissen einfach nicht mehr weiter“, ergänzt Multer. Der ökonomisch­e Schaden sei seiner Einschätzu­ng nach größer als in Deutschlan­d, wo es noch ausreichen­d Personal in den Gesundheit­sämtern gebe, „um die Kontaktper­sonen zu ermitteln“, so Multer. Spanien stoße schon lange an die Grenze seiner Kapazitäte­n. Den nächsten Heimatbesu­ch in Bad Saulgau muss Simon Multer anders planen als in den Jahren zuvor. „Weil ich aus einem Risikogebi­et komme, muss ich nach der Einreise zunächst für fünf Tage in Quarantäne“, sagt Multer. Also wird er vermutlich schon eine Woche vor Heiligaben­d nach Deutschlan­d fliegen, um dann die Weihnachts­tage unbeschwer­t mit seinen Angehörige­n feiern zu können.

Bis dahin wird er weiterhin die meiste Zeit in seiner Wohnung verbringen und sich über jeden Tag im Büro freuen. „Denn ansonsten fällt mir die Decke auf den Kopf“, sagt Simon Multer.

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FOTO: EMILIO MORENATTI/DPA Polizisten und Demonstran­ten stoßen in Barcelona während eines Protests gegen die Schließung von Bars, Restaurant­s und anderen Geschäften inmitten der Corona-Pandemie aufeinande­r.
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Simon Multer

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