Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Im Verbund bleiben die Dörfer stark

Im Gemeindeve­rwaltungsv­erband behalten auch kleine Kommunen ihre Eigenständ­igkeit

- Von Julia Freyda

- Als im Juni 1971 elf Bürgermeis­ter ihre Unterschri­ft unter die Satzung des Gemeindeve­rwaltungsv­erbandes Altshausen setzten, waren sie der Landesregi­erung einen kleinen aber wichtigen Schritt voraus. Denn schon etwa ein halbes Jahr später konnten im Zuge der Gemeindere­form Kleinstgem­einden mit weniger als 700 Einwohnern keiner Verwaltung­sgemeinsch­aft mehr beitreten. Der Vorteil des Zusammensc­hlusses: Die Gemeinden geben zwar Aufgaben ab, aber behalten ihre Eigenständ­igkeit.

Rund drei Jahrzehnte haben Josef Schill als Geschäftsf­ührer und Kurt König als Vorsitzend­er den Verband geleitet. Nachteile des Modells eines Verwaltung­sverbandes sind ihnen dabei nicht aufgefalle­n. „Den Zusammenha­lt zu wahren kostet zwar manchmal Kraft, aber letztendli­ch ist es eine Solidargem­einschaft, bei der alle Beteiligte­n gewinnen“, sagt Schill. Den größten Vorteil sehen beide im Erhalt der Eigenständ­igkeit, jede Gemeinde behielt Rathaus, einen eigenen Bürgermeis­ter und einen Gemeindera­t, mit sehr viel mehr Gestaltung­smöglichke­it als ein Ortschafts­rat. Dies habe vor allem die bei Ostrach liegenden Gemeinden nach Altshausen gezogen, die sich sonst womöglich für eine Eingemeind­ung nach Ostrach entschiede­n hätten. „Durch die Eigenständ­igkeit haben die Gemeinden sich auch immer um ihre Infrastruk­tur kümmern müssen und so ihren Erhalt erreicht“, sagt König. Beispiel Grundschul­e: Während etwa in anderen Gemeinden eine Zentralisi­erung stattfinde­t, sind sie im Verwaltung­sverband auch in Dörfern mit rund 700 Einwohnern wie Riedhausen und Fleischwan­gen vor Ort. Der Ausstieg aus dem Verbund ist nicht möglich. „Es gibt schlichtwe­g keine Auflösungs­klausel in der Satzung. Das könnte nur das Land machen, indem alle Mitglieder einen gemeinsame­n Antrag stellen. Aber Thema war das nie“, sagt der ehemalige Geschäftsf­ührer Schill.

Zu den Aufgaben des Verbandes gehören zum Beispiel das Haushalts-, Kassen- und Gemeindewe­sen sowie die Trägerscha­ft für die Herzog-Philipp-Verbandssc­hule. Im Laufe der Jahre sind die Aufgaben für die Verbandsve­rwaltung gewachsen. „Durch neue gesetzlich­e Vorgaben etwa im Passwesen mit digitalem Fingerabdr­uck und Änderung der

EDV, machte es nicht mehr für jede Gemeinde Sinn, alles im örtlichen Rathaus anzubieten“, erläutert Schill. Auch einem gemeinsame­m Standesamt­sbezirk sind mittlerwei­le fast alle Gemeinden beigetrete­n. In der Verwaltung sehen sie die Ausweitung der interkommu­nalen Zusammenar­beit als bestes Zukunftsmo­dell. Etwa die Bündelung über

Zweckverbä­nde oder gemeinsame Gewerbegeb­iete. „Zum Beispiel hätte ich alleine für Unterwaldh­ausen niemals eine Versorgung mit Glasfaser erreicht, wenn wir nicht den Zweckverba­nd Breitbandv­ersorgung im Kreis Ravensburg im Rücken gehabt hätten“, sagt Schill, der Bürgermeis­ter in Unterwaldh­ausen ist. Auch Guggenhaus­en hat dies geschafft, mit weniger als 200 Einwohnern die kleinste Gemeinde im Kreis Ravensburg.

Die Nachfolger von Schill und König erwarten für die kommenden Jahre ein Wachstum des Verbandes. „Darauf deuten allein schon die zahlreiche­n geplanten Wohngebiet­e hin“, sagt Geschäftsf­ührer Timo Egger, der zudem Bürgermeis­ter in Fleischwan­gen ist. Rund 720 Einwohner zählt das Dorf derzeit, Egger rechnet damit, dass es in den kommenden 30 Jahren etwa 120 mehr sind. Das Statistisc­he Landesamt geht in seiner Vorausbere­chnung davon aus, dass die Bevölkerun­g im gesamten Verbandsge­biet bis 2030 durchschni­ttlich um 22 Personen pro Jahr ansteigt. Einen Grund dafür sieht Verbandsvo­rsitzender Patrick Bauser in den verhältnis­mäßig vielen Betrieben und Arbeitsplä­tzen in der Region. „Aber die Gemeinden sind auch attraktiv, weil sie eine gute Infrastruk­tur haben und auch behalten sollen“, sagt Bauser. Für den Verband rechnet er mit einem Zuwachs an Aufgaben. „Die Bürokratie nimmt zu, Themen wie Digitalisi­erung und IT kann nicht jede kleine Gemeinde alleine stemmen, aber durch den Verband entstehen immer Synergien“, sagt Bauser.

 ?? FOTO: JULIA FREYDA ?? Kurt König (links) und Josef Schill haben den Verwaltung­sverband rund 30 Jahre gemeinsam geführt.
FOTO: JULIA FREYDA Kurt König (links) und Josef Schill haben den Verwaltung­sverband rund 30 Jahre gemeinsam geführt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany