Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ferdinand von Schirach – Jurist und Schriftsteller
„Gott“ist bereits das zweite Theaterstück des Juristen und Bestsellerautors von Schirach (Foto: dpa), das von Lars Kraume verfilmt wurde. Vorläufer war im Oktober 2016 „Terror. Ihr Urteil“. Darin ging es im Zusammenhang mit einem Terrorangriff um die Frage, ob 164 Menschen in einem Flugzeug geopfert werden dürfen, um 70 000 in einem Fußballstadion zu retten. Auch damals konnten die Zuschauer über diese Frage abstimmen. Ihr Urteil: Eine
Auch das Präsidiumsmitglied der Bundesärztekammer, Professor Sperling, unterstützt die Hausärztin. Er fürchtet um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, wenn dieser auch tödliche Medizin im Schrank bereithalte, und plädiert stattdessen für den Ausbau der Palliativmedizin für Todkranke. Gleichwohl muss er eingestehen, dass nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der Medizinstudenten in Palliativmedizin ausgebildet wird. Anwalt Biegler punktet und wirft dem Ärztevertreter schließlich vor: „Warum glauben Sie, Sie dürften sich für Gott halten?“
Der Stuhl der Anhörung kann für die Experten sehr unbequem werden. Das erfährt auch Bischof Thiel (Ulrich Matthes) als Vertreter der katholischen Kirche. Er sieht das Leben vor allem als „Geschenk Gottes“. Der Gott der Christenheit verlange allerdings von seinen Gläubigen, das Leben mit all seinem Leid bis zum Ende zu ertragen und daraus seinen Sinn zu schöpfen. Eine Steilvorlage für Rechtsanwalt Biegler, der den Kirchenmann mit bohrenden Fragen in die Enge treibt und an die vielen Verfehlungen der Kirche erinnert – etwa an die einstige Verweigerung des Begräbnisses von Suizidopfern. Auch die Bedenken des Bischofs, mit der Streichung von Paragraph 217 wachse der Druck auf alte, kranke Menschen, aus dem Leben zu scheiden, weil sie der Gesellschaft keinen Nutzen mehr bringen, greifen bei Biegler nicht. Fast 30 Minuten dauert dieser Disput. Dabei drängt sich der Verdacht einer persönlichen Abrechnung des Autors Schirach mit der Kirche auf. Schließlich war er einst Schüler eines katholischen Internats.
Die Selbstbestimmung steht in der heutigen Gesellschaft zweifellos hoch im Kurs. Dies wird auch per Gesetz zugesichert, wie Verfassungsrechtlerin Litten in dem Film bestätigt. Rein rechtlich gesehen habe Gärtner also Anspruch auf ein tödliches Medikament. Und sie fügt hinzu: „Es gibt keine Rechtspflicht zu leben“. Aber klar wird auch: Die Richter, die den Paragraphen 217 aus verfassungsrechtlichen Gründen strichen, sahen sehr wohl die Probleme einer Freigabe der Suizidhilfe. Es sei ein legitimes Anliegen des Staates zu verhindern, dass sich die assistierte Selbsttötung in der Gesellschaft als normale Form der Beendigung eines Lebens durchsetzt. Auf das Urteil der Zuschauer nach diesem TVDisput darf man gespannt sein.