Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Stärkerer Fokus auf ambulante Wohngemeinschaften
Mangel an Pflegeplätzen soll auf diese Weise ausgeglichen werden – Häusliche Pflege ist ein wichtiger Faktor
(fxh/anl) - Die Menschen im Landkreis werden immer älter, deshalb wird der Gruppe der Senioren im Vergleich zu jüngeren Bevölkerungsgruppen immer größer. Jeder fünfte Bewohner im Kreis Sigmaringen ist älter als 65 Jahre. Dieses Kuchenstück der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen zehn Jahren um rund zwei Prozentpunkte gewachsen. Was hat dies für Konsequenzen?
Schon aktuell geht der Landkreis davon aus, dass die vorhandenen knapp 800 Pflegeplätze nicht ausreichen. Es fehlen knapp 200 Plätze. Dieser Mangel wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. In einer eigenen Studie geht die Immobilienwirtschaft davon aus, dass bis 2030 im Kreis sogar bis zu 400 zusätzliche stationäre Betten benötigt werden. Vor diesem Hintergrund ist zu erklären, dass in Sigmaringen gerade ein zusätzliches Pflegeheim mit knapp 100 Plätzen geplant wird. Derselbe Investor aus Berlin will 70 bis 80 Wohnungen für Senioren errichten.
Generell gibt es im Landkreis Sigmaringen momentan etliche Bauprojekte, die mit den Anforderungen der Landesheimbauverordnung zu tun haben, nach der künftig nur noch Einzelzimmer angeboten werden dürfen: Herbertingen, Hettingen, Meßkirch, Gammertingen und Pfullendorf, um nur einige zu nennen. Mit den Heimen in Stetten und Sigmaringendorf sind zwei Einrichtungen von der Bildfläche verschwunden. Auf eine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Burger schätzt Sozialminister Manne Lucha (Grüne) die Situation im Juni 2019 so ein: „Der Wegfall von Pflegeplätzen wird durch den Neubau von stationären Einrichtungen weitestgehend kompensiert.“
Die Politik in Bund und Land lege den Fokus auf die Stärkung der häuslichen Pflege sowie innovative ambulante Pflege- und Wohnkonzepte. Die Förderung von Heimplätzen wurde von Seiten des Landes 2010 eingestellt, erklärt Sozialplanerin Karin Stroppel vom Landratsamt die politischen Vorgaben. Künftig sollen verstärkt ambulante Wohngemeinschaften entstehen. Der Kreis berät Träger in diese Richtung, indem er Förderprogramme erläutert.
Zudem geht es den Akteuren in der Pflege darum, die Bewohner mehr in den Fokus zu nehmen, sagt Christella Daiber, die Sprecherin von Vinzenz von Paul: „Wir wollen möglichst viel Zeit für die uns anvertrauten Menschen verwenden können.“Doch gerade jetzt müsse mehr Zeit für organisatorische Aufgaben und Dokumentationen aufgewendet werden. Das koste zusätzliche Ressourcen.
Ein weiterer Wunsch sei, dass „drohende Engpässe, seien sie personeller oder materieller Art, vom Staat abgefangen werden“sollten.
Lediglich ein Viertel der Pflegebedürftigen wird stationär in Heimen versorgt. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes werden rund 75 Prozent der alten Menschen, die Hilfe benötigen, zu Hause gepflegt.
„Pflegende Angehörige pflegen bis an die Grenzen der Belastbarkeit und darüber hinaus“, sagt Hans-Peter Oßwald, der Leiter des Fachbereichs Soziales im Landratsamt, dem der Mengener Pflegestützpunkt zugeordnet ist. In allen Fragen der Pflege können sich Menschen an den Stützpunkt wenden. „Thema in den Beratungen ist es deshalb auch, wie die Angehörigen Entlastung erfahren und ihre Kräfte einteilen können“, sagt Oßwald weiter.
Laut Landratsamt fehlen zudem Pflegeheime für jüngere Pflegebedürftige mit entsprechender Ausrichtung des Pflegekonzeptes und ambulante mobile Rehabilitationsmöglichkeiten für ältere Menschen.