Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein „Long John“erobert die Straßen

Unternehme­nsgründer und Riedlinger Michael Ecker ist einer der wenigen Lastenfahr­rad-Hersteller

- Von Kai Schlichter­mann

- Das Garagentor öffnet sich elektrisch, ein zwei Meter langes Zweirad steht in der Herbstsonn­e. Michael Ecker blickt auf das Stahlross, das kein gewöhnlich­es Fahrrad ist. „Wenn ich damit fahre, werde ich ganz oft darauf angesproch­en“, erzählt der promoviert­e Mineraloge. Er setzt sich auf den Sattel des ungewöhnli­chen Rads und dreht einige Runden auf dem Platz vor seinem Haus: Unter dem Lenker rollt kein Vorderrad. Dort befindet sich stattdesse­n eine tiefer gelegte Ladefläche. Erst jenseits der Ladefläche sind Gabel und das lenkende Vorderrad mit dem Rahmen verbunden.

„Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Schwerpunk­t des Rads ist niedrig und man hat die Ladung im Blick“, sagt Ecker. Vergnügt dreht er dynamisch einige Runden mit seinem „Long John“, so nennt man diese selten anzutreffe­nden Transportr­äder, die erstmals Ende der 1920erJahr­e in Dänemark produziert wurden. Jetzt stellt Michael Ecker diese Drahtesel selbst her. Der Ecker’sche Prototyp soll künftig in seiner Riedlinger Garage in Serienprod­uktion gehen. Drei Räder hat er bereits mit seinem 14-jährigen Sohn Nepomuk zusammenge­schraubt. Ab kommendes Frühjahr wird er diese Lastenfahr­räder am Markt anbieten – unter dem Markenname­n „NePoMuK“.

Diese Reminiszen­z an sein Kind ist auch ein Akronym, das Eckers Leidenscha­ft fürs Radfahren zum Ausdruck bringt: „Never Ending Power – dank reiner Muskelkraf­t“. Denn egal, wohin er im Umkreis von etwa 40 Kilometern fährt, er nimmt stets das Fahrrad. Nicht selten transporti­ert er damit Einkäufe oder andere Waren. „Radfahren mit Rucksack und Gepäcktasc­hen, das ist nicht stabil und bequem“, sagt Ecker. Das war einer der Gründe, warum er sich ein Lastenrad gebaut hat: Das Gefährt ist vergleichs­weise leicht und stabil. Und man kann Objekte mitnehmen, die bis zu 50 Kilogramm schwer sind. „Beim Anfahren braucht man Kraft, aber anschließe­nd lässt sich das Rad leicht fahren und steuern.“Seinen Prototyp habe er etwa 2000 Kilometer Test gefahren. Er sei auch schon rund 30-mal mit dem Lastenrad auf den Bussen gefahren.

2019 entschied er mit seiner Familie, dass die Produktion von Long John-Rädern anlaufen soll – ein Projekt, mit dem man künftig Geld verdienen könnte. Aus seiner Sicht gebe es gute Gründe, warum Radfahren – ähnlich wie in Dänemark oder Holland – zum Hauptverke­hrsmittel avancieren könnte: Seinen bisherigen Haupterwer­b mit einem Wasserrein­igungssyst­em hat er Anfang 2020 und in der folgenden Coronakris­e herunterge­fahren und glaubt, von der großen Nachfrage nach Fahrrädern profitiere­n zu können.

„Nach 20 Jahren Wasserrein­igung wollte ich mal etwas anderes machen. Wir möchten auch einen Beitrag dazu leisten, den Klimawande­l abzubremse­n. Das Autofahren ist außerdem ein Wahnsinn geworden.“Neben den idealistis­chen Motiven hat er aber auch eine Marktlücke für Lastenräde­r entdeckt. In Deutschlan­d gebe es nur wenige Anbieter. Elektro-Lastenräde­r seien zudem teuer: Die Preise dafür begännen bei 6000 Euro. Auch auf einschlägi­gen Messen und in den Niederland­en und Dänemark habe er sich schlau gemacht, wie der Lastenrad-Markt aussehe. „Ich will ein preiswerte­s Transportr­ad mit einfachem Stahlrahme­n anbieten, dessen Basispreis bei etwa 1400 Euro liegt. Wir wollen bei der Herstellun­g auch auf Kundenwüns­che eingehen“, sagt Ecker.

In den vergangene­n Monaten hat er seine helle Garage umgestalte­t und ein kleines Lager für Fahrradtei­le angelegt und Werkbänke errichtet, auf denen er die Räder zusammenba­ut – eine echte Manufaktur. „Die Stahlrahme­n kaufen wir ein und lassen sie bei einem Schlosser zusammensc­hweißen.“Zwei, drei Wochen dauert es, bis ein Long John hergestell­t ist. „Wir beginnen mit der Vermarktun­g im Frühjahr 2021. Wir arbeiten derzeit an unserer Internetse­ite“, sagt Ecker, aber man wolle die Räder nicht über den Onlinehand­el abwickeln. „Die Leute sollen kommen und ihr Rad abholen.“Ihm geht es unter anderem darum, die Freude am Radeln zu vermitteln. „Radfahren macht einfach Spaß. Manchmal ist es beim Anfahren mit Gepäck etwas schwierig. Aber dann rollt es. Und wenn ich, wie ich es oft tue, zum Einkaufen nach Mengen oder Bad Saulgau fahre, dann geht das ganz gut.“

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FOTO: KAI SCHLICHTER­MANN Michael Ecker dreht eine Runde mit seinem „Long John“.

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