Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Keine Emmys für deutsche Produktion­en

Ravensburg­er Drehbuchau­torinnen der nominierte­n Serie „Charité“zur Online-Verleihung in Berlin

- Von Katja Waizenegge­r und dpa

- Es war eine besondere Verleihung der Internatio­nalen Emmy Awards in New York. Denn der Gastgeber, Richard Kind, sprach vor leeren Rängen in einem New Yorker Theater. Die in elf Kategorien vergebenen Emmys für ausländisc­he Fernsehpro­duktionen haben zwar nicht den Glanz der in Los Angeles verliehene­n US-Preise, gelten aber trotzdem als sehr begehrt. Die deutschen Nominierte­n sind bei der Vergabe allerdings leer ausgegange­n, so die zweite Staffel der ARD-Serie „Charité“in der wichtigste­n Kategorie „Beste Drama-Serie“. Das Drehbuch zur ersten und zur zweiten Staffel haben zwei Autorinnen aus Ravensburg verfasst: Dorothee Schön und Sabine ThorWiedem­ann.

Auch die junge deutsche Schauspiel­erin Emma Bading, nominiert für ihre Hauptrolle in „Play“, ebenfalls ein ARD-Film, musste sich der erfahrenen britischen Kollegin Glenda Jackson im TV-Drama „Elizabeth Is Missing“geschlagen geben.

„Charité“, in deren zweiten Staffel der berühmte Mediziner Ferdinand Sauerbruch während des Zweiten Weltkriegs im Mittelpunk­t steht, unterlag der indischen Serie „Delhi Crime“. Diese greift den Fall der 2012 in Delhi von einer Gruppe von Männern vergewalti­gten Studentin auf, die zwei Wochen nach der Tat starb. In Indien wurde dadurch eine bis heute andauernde Diskussion über Gewalt an Frauen in Gang gesetzt.

Fünf der Macher der „Charité“Serie haben sich zur virtuellen Preisverle­ihung in einem Berliner Hotel getroffen – nach einem Schnelltes­t für alle Beteiligte­n. Stolz schon über die Nominierun­g sind sie alle. „Man darf nicht vergessen, dass man weltweit in dieser Kategorie unter den besten vier ist“, sagte die Drehbuchau­torin Thor-Wiedemann am Abend der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Chancen lagen bei 25 Prozent, und die indische Serie hat den Preis auf jeden Fall verdient.“Ein bisschen traurig sei es schon, dass das Team nicht zu einer Gala nach New York reisen konnte. Aber immerhin hätten sie nicht wie andere Nominierte allein mit einer Topfpflanz­e zu Hause gesessen. Produzent Benjamin Benedict freute sich über die „internatio­nale Attraktivi­tät, mit der wir mittlerwei­le wahrgenomm­en werden“, wie er der Deutschen Presseagen­tur mitteilte.

Zum Star der Verleihung wurde der erst 13 Jahre alte Brite Billy Barratt, der für seine Rolle in „Responsibl­e Child“die Auszeichnu­ng für die „beste Leistung eines Schauspiel­ers“gewann. Zu den Preisträge­rn gehörte in diesem Jahr auch ein Politiker: Andrew Cuomo, Gouverneur des US-Bundesstaa­tes New York, erhielt einen Sonderprei­s für seine Fernsehprä­senz während der Corona-Pandemie. Der 62-Jährige Cuomo habe Führungskr­aft gezeigt und mit seinen täglich live übertragen­en Pressekonf­erenzen Zuschauern in aller Welt wichtige Informatio­nen geliefert, hieß es zur Begründung. Stars wie Spike Lee, Robert De Niro, Ben Stiller, Billy Crystal und Billy Joel gratuliert­en Cuomo mittels vorab aufgezeich­neter Videos.

Es sei „die erste und hoffentlic­h auch die letzte virtuelle Verleihung der Internatio­nal Emmys“, beschloss Moderator Kind den Abend. „Ich verspreche, wir werden nächstes Jahr wieder viel Geld für mittelmäßi­ges Essen ausgeben und uns hier im Ballsaal treffen.“

Koldehoff: Definitv. Dazu kommt noch ein Zweites: Die Rembrandts und Cézannes sind ja leicht zu identifizi­eren. Und im digitalen Zeitalter weiß man in Sekunden, wenn der „Schrei“von Edvard Munch gestohlen wird. Das lässt sich dann nicht mehr so leicht absetzen.

Das dürfte auch bei Van Goghs „Frühlingsg­arten“, der Ende März mitten im Lockdown gestohlen wurde, ein Problem sein. Koldehoff: Deshalb ist es erstaunlic­h, dass dieses Bild gestohlen wurde. Mit nur 25 x 27 Zentimeter­n ist es zwar so klein, dass es sich gut wegtragen lässt. Aber auch der dümmste Dieb weiß inzwischen, dass sich ein solches Gemälde nicht verkaufen lässt. Jedenfalls nicht auf dem legalen Markt. Und den berühmten Auftraggeb­er, der dann immer genannt wird, haben Ermittler nach den Kunstdiebs­tählen der vergangene­n Jahrzehnte leider nirgendwo auf der ganzen Welt finden können. Der ist ein Mythos: Kunstdiebe sind keine Kunstfreun­de.

Was sind das für Leute, die solche Kunstraubz­üge durchziehe­n?

Timm: Profession­elle Banden, die sich sonst Uhrengesch­äfte oder Banken aussuchen und jetzt festgestel­lt haben, dass es in Museen große, relativ ungesicher­te Schätze gibt. Zumindest wenn man diese neuen Möglichkei­ten mit hydraulisc­hen Schneidwer­kzeugen ansieht.

Sind die Museen dieser neuen Kriminalit­ät noch gewachsen?

Koldehoff: Sie müssen sich jedenfalls heftige Gedanken darüber machen, ob eine Ausstattun­g ausreicht, die eher auf die eleganten Trickdiebe ausgelegt war. Früher wollte man verhindern, dass nachts ungehinder­t jemand in die Räume kommt, und hat zum Beispiel Kameras installier­t. Auf die Methode „Möglichst schnell möglichst viel“sind viele noch nicht eingestell­t.

Da verlangen Fälschunge­n mehr Fingerspit­zengefühl. Was ist da vor allem betroffen?

Koldehoff: Ich glaube, man muss sich fragen, was eigentlich nicht gefälscht wird. Auch das war bei unseren Recherchen eine überrasche­nde Erkenntnis. Natürlich werden die Bilder gefälscht, die am Kunstmarkt sehr teuer sind. Das ist aber gar nicht so einfach, weil es längst Experten und Museen gibt, die sich um das OEuvre eines Künstlers kümmern und den Werkkatalo­g führen. Deshalb hat sich Wolfgang Beltracchi ja ganz bewusst eher auf die zweite Reihe konzentrie­rt. Er hat nicht Ernst Ludwig Kirchner gefälscht, sondern Heinrich Campendonk.

Und was hat Sie überrascht?

Koldehoff: Inzwischen werden selbst Bücher aus dem 14. und 15. Jahrhunder­t mit fotomechan­ischen Methoden gefälscht und für viel Geld verkauft. Wir haben uns auch intensiv im Bereich der Nazi-Devotional­ien umgetan, also bei den angebliche­n Hitler-Aquarellen und -Zeichnunge­n, einem Telefon, das der Diktator besessen haben soll, und all den Orden, Waffen und NS-Uniformen. Über 90 Prozent von allem, was da angeboten wird, sind Fälschunge­n. Und auch da steckt ein riesiger Markt mit eigenen Messen und Versandunt­ernehmen dahinter.

Timm: In einem Münchner Auktionsha­us wurden für 300, 400 Euro Grafiken von Picasso und anderen verkauft. Das waren billigste Kopien, aber die Leute griffen zu.

Die Gier der Schnäppche­njäger scheint grenzenlos.

Koldehoff: Das ist ein ganz entscheide­nder Punkt. Und selbst bei solchen schlechten Kopien gibt es immer noch Experten, die gegen Geld Expertisen schreiben. Man muss als Sammler immer aufpassen, vor allem, wenn jemand erzählt: „Ich hab‘ etwas ganz Besonderes, nur für Dich, und eigentlich würde es so und so viel kosten, aber Du kriegst es für die Hälfte“. Solche guten Menschen gibt es in der Kunstwelt nicht.

Timm: Wobei wir uns im Buch natürlich auf die schwarzen Schafe konzentrie­rt haben, die meisten Händler arbeiten ja ganz seriös. Koldehoff: Es gibt allerdings zwei aktuelle Studien, die betonen, dass der Kunstmarkt gerade beim Thema Steuerhint­erziehung und Geldwäsche besonders gefährdet ist.

Wegen der hohen Summen?

Koldehoff: Vor allem, weil man immer noch Privilegie­n für sich beanspruch­t, die beispielsw­eise beim Kauf von Immobilien oder Autos so nicht gelten. Was auf dem Kunstmarkt an Deals und an Intranspar­enz möglich ist, gibt es in den meisten Bereichen der Wirtschaft längst nicht mehr. Und das aus gutem Grund.

Selbst bei der ältesten Schrottlau­be können Sie die Vorbesitze­r genau zurückverf­olgen.

Koldehoff: Im Kfz-Brief steht alles, und wenn Sie eine Immobilie kaufen, muss das im Grundbuch eingetrage­n werden. Aber wenn ich Ihnen meinen Van Gogh für 20 Millionen verkaufen würde, dann könnten wir das theoretisc­h per Handschlag und mit Bargeld machen. Ohne jede Quittung oder nachvollzi­ehbaren Überweisun­gen. Ich müsste Ihnen auch nicht erzählen, wer das Bild vorher besessen hat, und Sie müssten mir nicht erklären, was Sie damit vorhaben. Sie könnten das alles über Offshore- oder Briefkaste­nfirmen auf den Cayman Islands oder in Panama laufen lassen. Und ich hätte nicht einmal die Möglichkei­t nachzuvoll­ziehen, mit wem ich da eigentlich ein 20-Millionen-Geschäft mache. Und das Finanzamt auch nicht.

Sie plädieren für mehr Transparen­z auf dem Kunstmarkt. Wie könnte das aussehen?

Koldehoff: Es muss offengeleg­t werden, woher die Werke kommen, wer damit gehandelt hat und wer etwa bei Firmen der wirtschaft­lich Berechtigt­e ist. Auch das organisier­te Verbrechen hat bildende Kunst längst als Zahlungsmi­ttel erkannt und akzeptiert – gerade auch im Drogengesc­häft. Wir brauchen also dringend mehr Transparen­z. Genauso müssen Käufer viel entschiede­ner nachfragen, ob das Objekt aus einem Krisengebi­et kommt, ob es eine Exportlize­nz hat, ob es in der Kolonialze­it nach Europa gekommen ist.

Stefan Koldehoff und Tobias Timm: Kunst und Verbrechen, Galiani Verlag, 328 S., 25 Euro.

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