Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Krisen als Chance wahrnehmen
Neuer Ausbildungsblock für Peerberater startet im Januar
- Voraussichtlich im Januar startet im Rahmen des Hilfeangebots [U25] bei der Caritas in Bad Saulgau ein neuer Ausbildungsblock für Peerberater. Bei dem Angebot handelt es sich um eine kostenfreie und anonyme Mailberatung von jungen Menschen für junge Menschen in Lebenskrisen oder mit Suizidgedanken. Das Besondere: Die Berater sind etwa im gleichen Alter wie die Hilfesuchenden. Teamleiterin des Hilfsangebots in Bad Saulgau ist die Sozialarbeiterin Daniela Fiedler. Anita Metzler-Mikuteit hat mit ihr gesprochen.
Frau Fiedler, der zweite Ausbildungsblock soll im Januar oder Februar an den Start gehen. Wie wird der Ablauf sein, sollten die CoronaBeschränkungen weiter bestehen bleiben?
Momentan hoffen wir sehr, dass zumindest das erste Treffen persönlich stattfinden kann. Uns ist es wichtig, dass unter den Teilnehmern auch ein Teamgefühl entsteht. Sollte dies jedoch nicht möglich sein, sind wir inzwischen auch im Umgang mit Videokonferenzen gut erprobt und werden die Ausbildung digital durchführen.
Würden Sie uns kurz die Inhalte dieser Ausbildungseinheiten skizzieren? Für diese ehrenamtliche Aufgabe braucht es vermutlich bestimmte Voraussetzungen?
Natürlich ist es zunächst einmal sehr wichtig zu schauen, wie es den Teilnehmern geht und ob sie für das Ehrenamt geeignet sind. Dies erfolgt jedoch schon in einem Gespräch vorab. Die Ausbildung setzt sich dann aus drei Teilen zusammen. Zunächst geht es um Themen wie Depression, selbstverletzendes Verhalten, Krisen oder die Entstehung von Suizidgedanken. Dann werden wir eigene Erfahrungen und Ressourcen thematisieren. Darauf folgen ausführliche Übungseinheiten, wie solche Hilfemails am besten formuliert werden. Erst dann bekommen die Teilnehmer ihre Kontakte zugeteilt.
Vermutlich ist eine ständige Begleitung der Peerberater gewährleistet...
Selbstverständlich. Regelmäßige Teamtreffen etwa sind sehr wichtig. Alle vierzehn Tage tauschen wir uns intensiv aus. Je nach Corona-Lage übergangsweise auch digital.
Dass die Lebensphase des Erwachsenwerdens keine einfache ist, wissen viele aus eigener Erfahrung. Schul- und Beziehungsstress, ein stark wankendes Selbstwertgefühl oder Versagensängste zeigen sich für viele Jugendliche und junge Erwachsene als große Hürden. Wie bewerten Sie diese Unterstützung von Gleichaltrigen, als Alternative zu einer klassischen therapeutischen Begleitung?
Uns ist es wichtig, dass jeder weiß, dass wir uns nicht als eine Alternative zu einer professionellen Behandlung oder Beratungsstelle sehen. Wir sind eine zusätzliche Unterstützung, die sowohl vor einer Therapie als auch während oder nach einer Therapie oder einem anderen Beratungsangebot genutzt werden kann. Es gibt auch viele Jugendliche, die sich nicht trauen, professionelle Hilfe anzunehmen oder diese einfach nicht möchten. Gleichaltrige junge Menschen können sich besser in die Ratsuchenden hineinversetzen. Sie befinden sich in der gleichen Lebensphase und beschäftigen sich daher mit ähnlichen Themen. Dadurch haben diese jungen Menschen ein besseres Verständnis für die Situation und können den Ratsuchenden auf Augenhöhe begegnen. Die Hemmschwelle ist einfach niedriger.
Studien zeigen, dass auch die Zahl von Hilfeanfragen von jungen Menschen seit Beginn der CoronaEinschränkungen stark zugenommen hat. Der Jugend werde die schönste Zeit ihres Lebens genommen, heißt es etwa. Ist eine solche verstärkte Nachfrage bei der Caritas auch zu beobachten?
Das ist schwer festzustellen. Ich persönlich würde sagen, dass es bei uns zu Beginn vermehrt neue Anfragen gab. Das [U25]-Deutschland-Team hat dann schnell gehandelt. Die Kollegen aus Freiburg haben unmittelbar eine neue Beratung für das Jahr 2020 ins Leben gerufen, die deutlich themenoffener gestaltet ist. Das ist die #gemeinsamstatteinsam-Beratung, zu finden unter www.u25.de
Auch Depressionen scheinen bei jungen Menschen stark verbreitet zu sein. Die Gefahr, dass sich diese intensivieren, ist unter den Corona-Maßnahmen mit all ihren persönlichen Einschränkungen sicherlich groß...
Ich denke, viele Jugendliche und junge Erwachsene leiden unter der momentanen Lage auf unterschiedlichste Weise sehr. Grundsätzlich können wir in der [U25]-Beratung einen verstärkten Austausch über Themen wie Einsamkeit, Wegfall von Ansprechpartnern vor Ort, Konflikte zu Hause und dergleichen mehr beobachten. Es gibt auch Ratsuchende, die Positives daraus schöpfen. Und auch wir versuchen, zu motivieren, die Krise als Chance wahrzunehmen. Ich denke, momentan ist es noch wichtiger als sonst, für die Jugendlichen da zu sein. Auf unserer Homepage www.u25.de oder auch auf der Homepage der Caritas finden sich viele weitere Hilfsangebote und Beratungsstellen zu verschiedenen Themen, die in vielen Situationen eine gute erste Hilfe bieten.