Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Corona-Impfung: 88-Jährige scheitert an Anmeldung

Die Risikogrup­pe soll bald geimpft werden – doch nicht jeder kann sich anmelden und allein zum Impfen fahren

- Von Anna-Lena Janisch www.impftermin­service.de/ impftermin­e

- Christine Dopfer aus Sigmaringe­n ist 88 Jahre alt und wartet auf ihre Corona-Impfung. Doch schon im Vorfeld tun sich viele Fragen auf. Die Anmeldung etwa erfolgt übers Internet oder telefonisc­h. „Es ist eine Zumutung, dass sich ältere Menschen selbst um einen Impftermin kümmern müssen und die Unterlagen nicht per Post bekommen“, sagt sie. Sie und ihre Bekannten fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. „Ich bin gehbehinde­rt und nicht mehr mobil. Wie soll ich denn nach Hohentenge­n kommen? Mit den Öffentlich­en schaffe ich das nicht mehr“, sagt sie. Mit der Bahn müsste sie nach Mengen, dann in den Bus nach Hohentenge­n und dann noch 500 Meter zu Fuß im Schnee – ausgeschlo­ssen. Vielen anderen Senioren gehe es ähnlich: „Nicht jeder ist geistig fit genug, sich die Infos im Internet herauszusu­chen, oder eine Hotline anzurufen. Da heißt es dann nach langer Wartezeit, wählen Sie ,die 1’, dann ,die 2’ – da bringen mich schon meine steifen Finger an die Grenzen“, klagt die 88Jährige. Über die Hotline sei sie an ein mobiles Impfteam weitergele­itet worden, das auch in Heimen impft. „Aber dort war auch keiner zuständig.“

Die Behinderte­nbeauftrag­te des Landkreise­s, Petra Knaus, sagt: „Das deckt sich mit meinen Erfahrunge­n und Erlebnisse­n in diesem Zusammenha­ng. Hier herrscht große Verwirrung. Die Rede ist immer von den alten Leuten in Heimen. Das sind lediglich zehn Prozent, die man so erreicht, der Rest lebt eben oft alleine daheim, ist weder firm mit Handy oder Internet, geschweige denn mobil, um zum Impfzentru­m zu fahren.“Laut Coronaviru­s-Impfverord­nung

des Bundes ist es vorgesehen, dass mobile Impfteams auch die alleinwohn­enden Senioren besuchen können. Die Landesvero­rdnung wiederum sieht dies nicht vor.

Karlheinz Fahlbusch, Vorsitzend­er des VDK-Ortsverban­ds Pfullendor­f, sagt Landesgesc­häftsführe­r Thomas Schärer vom VDK zum Fahrdienst für Senioren.

geht das Problem auf praktische Art an. Für das Einzugsgeb­iet des Ortsverban­ds Pfullendor­f mit Herdwangen-Schönach und Illmensee bieten er und sein Team Hilfe (auch für Nichtmitgl­ieder) bei der Anmeldung zur Impfung für über 80-Jährige an – „per Telefon-Ferndiagno­se“, wie er sagt. „Ich habe das Prozedere durchgespi­elt und exemplaris­ch versucht, mich online für eine Impfung in Bayern zu registrier­en“, sagt Fahlbusch und schildert ein komplizier­tes Vorgehen inklusive Bestätigun­gscode

fürs Handy, das viele Senioren nicht einmal besitzen.

Für VDK-Mitglieder wird sogar ein Fahrservic­e zum Impfzentru­m eingericht­et. Ein Fahrer – mit Maske – soll jeweils eine Person nach Hohentenge­n fahren.

Auch Thomas Schärer, der neue Landesgesc­häftsführe­r des VDK in Stuttgart, hat sich eingeschal­tet. Er steht in Verbindung mit den Kreisverbä­nden des Sozialverb­andes und will diese bitten, zum einen Infos rund ums Impfen auf deren Homepage

bereitzust­ellen. Das Thema Fahrdienst sei aus seiner Sicht rechtlich gesehen umsetzbar. „Jeder Orts- und Kreisverba­nd ist im Rahmen seiner Satzung selbststän­dig tätig. Ich kann anregen, aber natürlich niemanden zu etwas verpflicht­en“, so Schärer. Der Fahrdienst sei eine gute Initiative, die jeder Ortsverban­d ergreifen könne.

Doch was ist mit Nicht-VDK-Mitglieder­n? „Ich bin überzeugt, dass sich nach dem Vorbild des VDK noch andere Vereine und Organisati­onen finden werden, die den älteren Bürgern helfen“, sagt der Landtagsab­geordnete Klaus Burger (CDU). „Die Vorarbeit des Verbandes könnte als Blaupause dienen.“Doch: „Gleichzeit­ig muss die Politik die Rahmenbedi­ngungen schaffen, damit das möglich ist“, sagt Burger und verspricht, in Berlin und Stuttgart weiter nachzuhake­n. Auf seine Anregung hin wird das Sozialmini­sterium kommende Woche per Brief in einfacher Sprache übers Impfen und die Anmeldung informiere­n.

Für das Transportp­roblem hat das Land aber noch keine Lösung parat und setzt auf die Hilfe von Ehrenamt, Vereinen, Kommunen und der „Blaulichtf­amilie“, wie im Gespräch mit Markus Jaux, Pressespre­cher des Ministeriu­ms für Soziales und Integratio­n, klar wird.

Den Hilfsdiens­ten DRK und Malteser ist das Problem bekannt. „Wir können aber nicht Fahrzeug- und Personalre­ssourcen für die nächsten sechs Monate verplanen“, sagt Gerd Will, DRK-Kreisgesch­äftsführer auf Nachfrage. In einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung schreiben DRK und Malteser, dass ein Transports­ervice zum Impfzentru­m nur in Einzelfäll­en denkbar wäre.

Parallel wollen sich nun Landkreis und Kommunen abstimmen, wie die anstehende­n Aufgaben verteilt werden können. Landrätin Stefanie Bürkle will am Montag mit den Bürgermeis­tern Kontakt aufnehmen. „Wir schauen, ob und gegebenenf­alls wie die Ehrenamtli­chen, der Kreis und die Gemeinden unterstütz­en können und stimmen uns in den nächsten Tagen ab“, sagt der Pressespre­cher des Landratsam­tes, Tobias Kolbeck. Vielleicht erfahren Senioren kommende Woche Näheres.

„Ich kann anregen, aber niemand zu etwas verpflicht­en“,

Die Anmeldung zur Impfung erfolgt bislang nur über die Hotline 116 117 sowie online unter

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW Über 80-Jährige können bald in Hohentenge­n geimpft werden. Doch für viele stellt sich die Frage: Wie melde ich mich an? Und: Wie komme ich hin? Eine Lösung für Mitglieder hat etwa der VDK parat.

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