Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Jeder Cent zählt
An der Süddeutschen Butter- und Käse-Börse in Kempten geht es seit 100 Jahren um viel Geld
auf eine Notierung. Lange sei das unter großem Trubel im Börsensaal geschehen, sagt Rück. „Das war eine hochheilige Veranstaltung, Mittwoch war Börsentag.“Währenddessen hätten die Beteiligten oft noch Geschäfte gemacht.
Doch die Zahl der milchverarbeitenden Betriebe sank, und der Zuständigkeitsbereich der Börse wurde immer größer. Seit 2011 ermittelt die Kemptener Börse die bundesweiten Preise für alle Milchprodukte – außer der Käsesorten Edamer und Gouda, deren Notierung in Hannover erfolgt. Die Notierungskommission diskutiert nun nicht mehr im Börsensaal, sondern in Telefonkonferenzen.
Dass die Süddeutsche Butter- und Käse-Börse immer noch so heißt, ist laut ihrem Geschäftsführer ein Relikt der Vergangenheit. Schließlich ist die Einrichtung weder nur für Süddeutschland zuständig, noch wird dort mit Butter und Käse gehandelt – auch wenn laut Rück immer wieder entsprechende Anfragen kommen: „Ich habe dafür schon vorformulierte Antworten auf Deutsch und Englisch.“
An Bedeutung verloren hat die Butter- und Käse-Börse für die Milchindustrie aber nicht. „Die Börse Kempten macht einen guten und notwendigen Job“, sagt der Geschäftsführer
des Milchindustrie-Verbands, Eckhard Heuser. In Deutschland säßen Handel und Verarbeiter dadurch an einem Tisch, in anderen Ländern werde das „frei Schnauze gemacht“.
Auswirkungen auf den Milcherzeugerpreis, der bei Bauern immer wieder Proteste auslöst, haben die Notierungen an der Kemptener Börse aber kaum, sagt der Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer. „Der Abgabepreis der Molkereien kann sich komplett von dem unterscheiden, was die Bauern bekommen.“
Er verfolge zwar die Notierungen der Börse, um das Marktgeschehen bei der milchverarbeitenden Industrie im Auge zu behalten, sagt Foldenauer. In Zeiten der Digitalisierung sei aber „zumindest zu hinterfragen, ob es für die Notierungen noch eine solche Institution braucht“. Zumal es mit der Milchmarktbeobachtungsstelle nun auch auf EU-Ebene eine Einrichtung gebe.
Börsen-Geschäftsführer Rück hat an einem Fortbestehen der Börse dennoch keinen Zweifel. Die Einrichtung sei ein „kleines Rädchen am Markt“, dessen Fehlen aber schnell bemerkt würde. Die Grundsätze seien dabei in 100 Jahren immer gleich geblieben, sagt Rück: „Neutralität, Klarheit, Wahrheit“.