Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Aufregung um Vermittlun­g überteuert­er Masken hält an

SPD vermutet in Bayern erneute Amigo-Geschäfte – Im Südwesten wehrt sich Justizmini­ster Wolf gegen Parallelen

- Von Ralf Müller und Kara Ballarin

- Wenige Tage vor den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und RheinlandP­falz wird die Lage für die Unionspart­eien immer brenzliger. Die Spitze der Berliner CDU/CSU-Bundestags­fraktion fahndet regelrecht nach Unionspoli­tikern, die sich an der Corona-Pandemie bereichert haben könnten. In Bayern schwelt seit Wochen der Verdacht, das CSU-geführte Gesundheit­sministeri­um könnte Millionen an Steuergeld­ern beim Kauf von überteuert­en Masken auf „Empfehlung“von CSU-nahen Kreisen verschwend­et haben.

Florian von Brunn, SPD-Landtagsab­geordneter und Kandidat um den Landesvors­itz in Bayern, hat sich jetzt beim Landtagsam­t über die zurückhalt­enden Auskünfte des Ministeriu­ms beschwert. Von Brunn fragt, warum die bayerische Regierung von der Züricher Firma Emix FFP2-Masken zu 10,59 Euro pro Stück bezogen hat, während sie woanders erheblich günstiger zu haben gewesen waren. „Es wird immer wahrschein­licher, dass der unglaublic­he Preis aus dem Hohlmeier-Tandler-Deal mit der dubiosen Schweizer Firma Emix ein typisches CSU-Amigo-Geschäft war.“

Tatsächlic­h war Andrea Tandler, die Tochter von CSU-Urgestein Gerold Tandler, zwar als Förderin der Emix-Geschäfte in Deutschlan­d aktiv, nicht aber politisch. Den Hinweis darauf hatte sie von ihrer Freundin Monika Hohlmeier, Strauß-Tochter und CSU-Europaabge­ordnete, bekommen. Nichts Besonderes, sagte Hohlmeier der Münchener „Abendzeitu­ng“. Eine Provision wie ihr ExParteifr­eund Georg Nüßlein habe sie nicht bekommen. Die damals zuständige Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU), heute Europamini­sterin des Freistaats, hat nach eigenen Angaben derlei Ankäufe den Bürokraten überlassen. Humls Amtsnachfo­lger

Klaus Holetschek (CSU) hat wiederholt volle Transparen­z zugesicher­t. Dass der Verdacht des Wuchers nicht ganz fern liegt, beweist die Staatsanwa­ltschaft Zürich, die Ermittlung­en aufgenomme­n hat. SPD-Parlamenta­rier von Brunn hat außerdem schon vor einiger Zeit Strafanzei­ge bei der Staatsanwa­ltschaft München erstattet.

Auch auf Baden-Württember­g werfen die Masken-Affären einen Schatten. Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) hatte zu Beginn der Pandemie wie alle händeringe­nd nach geeigneten Masken gesucht. „Selbstvers­tändlich haben Abgeordnet­e im Rahmen ihrer Wahlkreist­ätigkeit vermittelt oder Hinweise gegeben“, sagte er am Dienstag in Stuttgart. Auffälligk­eiten habe es aber nicht gegeben. Auch die Firma Bricon aus dem Kreis Tuttlingen habe sich an einer Ausschreib­ung beteiligt – allerdings erfolglos. Es ist jene Firma, für die der Mannheimer CDUAbgeord­nete Nikolas Löbel im April 2020 Masken vermittelt und dafür Provision kassiert hat. Wie Nüßlein ist Löbel inzwischen aus der Partei ausgetrete­n, er hat überdies auch sein Bundestags­mandat abgegeben.

Im Oktober dann hat Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) die Firma in seinem Tuttlinger Wahlkreis besucht, wie zunächst die „Stuttgarte­r Zeitung“berichtete. Für den erfahrenen Abgeordnet­en war das ein üblicher Firmenbesu­ch auf Einladung eines Unternehme­ns, wie er erklärte. Die Firmenvert­reter hakten nach, warum sie im Frühjahr keinen Auftrag des Landes zur Maskenprod­uktion erhalten hätten. Diese Frage hat Wolf anschließe­nd an seinen Kabinettsk­ollegen Lucha gestellt und entspreche­nd Antwort erhalten – beide Briefe liegen der „Schwäbisch­en Zeitung“vor.

Wolf äußerte sich entrüstet darüber, dass die Löbel-Affäre nun auch sein Handeln infrage stellt. „Wenn sich Politiker in der Krise durch Vermittlun­gstätigkei­ten selbst bereichern, ist das ruchlos und unentschul­dbar“, betonte er. Solch eklatantes Fehlverhal­ten Einzelner schwäche das Vertrauen der Wähler massiv und schade der demokratis­chen Arbeit allgemein. „Ganz normale Wahlkreisa­rbeit, wie sie in einer repräsenta­tiven Demokratie vorgesehen und notwendig ist, wird dadurch in Misskredit gebracht. Auch das nehme ich Herrn Löbel übel“, so Wolf. „Wahlkreisa­rbeit und Vermittler­provisione­n passen niemals zusammen.“

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FOTO: BODO SCHACKOW/DPA Im Frühjahr 2020 waren Masken Mangelware.

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