Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Lieferkett­engesetz in verschärft­er Version

EU-Gesetzesvo­rschlag geht weit über deutschen Entwurf hinaus – Was das für hiesige Unternehme­n bedeutet

- Von Hannes Koch

- Mühevoll hat sich die Bundesregi­erung auf das Lieferkett­engesetz geeinigt. Dabei setzte die Union durch, dass nur größere Unternehme­n mit über 1000 Beschäftig­ten die Einhaltung der Menschenre­chte in ihren ausländisc­hen Zulieferfa­briken kontrollie­ren müssen. Doch der vorläufig gelöste Konflikt könnte über den Umweg aus Brüssel nochmal auf die deutsche Tagesordnu­ng kommen. Denn das Europäisch­e Parlament beschließt in diesen Tagen einen Gesetzentw­urf, der auch kleine Firmen auf die Menschenre­chte verpflicht­et.

Bis heute verkaufen hiesige Händler Textilien, Smartphone­s, Schokolade und andere Produkte, die oft unter schlechten sozialen und ökologisch­en Bedingunge­n in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern gefertigt wurden. Immer wieder gibt es Berichte über Kinderarbe­it,

zu niedrige Löhne, Landraub oder Repression. Lieferkett­engesetze auf nationaler und europäisch­er Ebene sollen solche Missstände zumindest teilweise beheben.

So berät das EU-Parlament seit Anfang dieser Woche seinen Bericht für ein EU-Lieferkett­engesetz, den die niederländ­ische Sozialdemo­kratin Lara Wolters federführe­nd vorbereite­t hat. Kommt das Vorhaben durch, sind die Mitgliedst­aaten, auch Deutschlan­d, daran gebunden. „Das Europaparl­ament fordert ein ehrgeizige­s Lieferkett­engesetz, das die Haftung der Unternehme­n für ihre gesamte Wertschöpf­ungskette mit einschließ­t und somit viel weiter geht als der deutsche Vorschlag“, sagte die Grünen-Abgeordnet­e im EU-Parlament, Anna Cavazzini.

Ein heikler Punkt ist dabei, dass im Artikel 2 des EP-Vorschlags nicht nur große, sondern auch „alle börsennoti­erten kleinen und mittleren

Unternehme­n sowie kleine und mittlere Unternehme­n mit hohem Risiko“aufgeführt sind. Als „Hochrisiko­sektor“verstehen die Abgeordnet­en beispielsw­eise auch die Textilbran­che. In diesem Sinne müssten dann Importeure und Produzente­n mit vielleicht 50 hiesigen Beschäftig­ten ihre Lieferante­n in aller Welt kontrollie­ren. Allerdings sollen sie laut Gesetzentw­urf „möglicherw­eise weniger umfangreic­he und formalisie­rte Sorgfaltsp­flichtverf­ahren“anwenden.

Ob es wirklich so kommt, ist noch nicht klar. Mehrere Abgeordnet­e der Europäisch­en Volksparte­i, der auch die Union angehört, haben Änderungsa­nträge eingebrach­t. Einer, den unter anderem die CSUAbgeord­neten Marlene Mortler und Markus Ferber unterstütz­en, plädiert dafür, für kleine Firmen Ausnahmen zu schaffen. Das würde Unternehme­n mit bis zu 250 Beschäftig­ten entlasten.

Außerdem enthält der Vorschlag mehrere weitere Regelungen, die ebenfalls über den hiesigen Gesetzentw­urf von Union und SPD hinausgehe­n. So will das EP die gesamte Wertschöpf­ungskette erfassen, auch entfernte Vorliefera­nten. Im deutschen Gesetz geht es vornehmlic­h um die Hauptzulie­ferer der einheimisc­hen Unternehme­n.

Laut Europäisch­em Parlament sollen auch Umweltschä­den mehr Beachtung erhalten, hiesige Firmen leichter vor Gericht verklagt und bei schweren Verstößen gegen Menschenre­chte Importverb­ote für bestimmte Produkte verhängt werden können.

Als Reaktion auf den vorliegend­en Parlaments­bericht wird wohl im Sommer EU-Kommissar Didier Reynders einen eigenen Entwurf präsentier­en. Dabei muss er die Interessen der Nationalst­aaten im EURat berücksich­tigen. In den nachfolgen­den Dreiecksve­rhandlunge­n (Trilog) werden sich die drei Institutio­nen einigen – wahrschein­lich erst 2022. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium könnte versucht sein, die europäisch­e Regulierun­g auf das deutsche Niveau zu entschärfe­n, besonders wenn es nach der Bundestags­wahl in CDU-Hand bleibt.

Denn bei der Einigung auf das Liefergese­tz hierzuland­e hatte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) vor zusätzlich­en Belastunge­n für die deutsche Wirtschaft gewarnt. „Natürlich ist es mir als Wirtschaft­sminister auch wichtig, dass die deutsche Wirtschaft am Ende stärker und nicht schwächer dasteht“, sagte Altmaier. Es müsse verhindert werden, dass sich deutsche Unternehme­n aus der Produktion in einigen Staaten zurückzieh­en, weil sie Sanktionen fürchten. Wirtschaft­sverbände hatten zuvor Druck gemacht, weil sie Wettbewerb­snachteile auf internatio­nalen Märkten fürchten.

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FOTO: JOERG BOETHLING/IMAGO IMAGES Textilfabr­ik in Bangladesh: Das EU-Parlament will auch kleine und mittlere Unternehme­n verpflicht­en, die Menschenre­chte entlang ihrer Lieferkett­e einzuhalte­n

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