Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Häufig durch irrational­e Argumente stark beeinfluss­t“

Virologe Thomas Mertens warnt vor Panikmache

-

- Bislang gibt es keine Hinweise auf einen Zusammenha­ng zwischen schweren Thrombosen und einer Impfung mit Astra-Zeneca. Dennoch müsse man die Fälle prüfen, sagt der Virologe Thomas Mertens im Gespräch mit Daniel Hadrys.

Dänemark, Norwegen und Island haben die Impfungen mit Astra-Zeneca ausgesetzt, nachdem schwere Nebenwirku­ngen aufgetrete­n sind. Was wissen wir darüber?

Es ist in wenigen Fällen nach der Impfung bei Geimpften zu thromboemb­olischen Ereignisse­n gekommen. Zwei derartige Fälle sind auch in Österreich beobachtet worden. Was bedeutet das? Bei diesen Menschen ist es zu einer Lungenembo­lie gekommen oder zu Thrombosen in Blutgefäße­n. Eine Frau in Österreich ist an einer Embolie und dem Verschluss wichtiger Gefäße der Leber und des Darmes verstorben. Die Patientin hatte eine bekannte Bluterkran­kung, welche die Blutplättc­hen und das Gerinnungs­system betrifft. Von den anderen Patienten sind mir keine genauen Daten bekannt. Es ist in Deutschlan­d Aufgabe des PEI und in Europa der EMA die Sicherheit von zugelassen­en Impfstoffe­n fortlaufen­d zu überwachen.

Es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass die gemeldeten Fälle ursächlich mit der Impfung zusammenhä­ngen, aber alle Fälle müssen natürlich mit allen Mitteln sehr gründlich untersucht werden. Das Problem liegt darin, dass natürlich dann, wenn viele Menschen geimpft werden, auch bei den Geimpften Erkrankung­sfälle auftreten, die auch ohne vorherige Impfung aufgetrete­n wären. Wenn man in einem Gedankensp­iel annimmt, dass alle Menschen in Deutschlan­d innerhalb einer Woche geimpft würden, dann würden alle Krankheits­fälle danach in zeitlichem Zusammenha­ng mit der Impfung stehen. Man bezeichnet dies als zeitlichen Zusammenha­ng ohne ursächlich­en Zusammenha­ng. Deshalb wird auch neben der Untersuchu­ng der einzelnen Fälle statistisc­h überprüft, ob es bei Geimpften zu mehr Krankheits­fällen kommt als bei Ungeimpfte­n. Dies ist derzeit nicht der Fall.

Schadet es der Impfkampag­ne allgemein, wenn vorschnell Zusammenhä­nge zwischen Nebenwirku­ngen und Impfstoffe­n hergestell­t werden?

Natürlich, das kann erhebliche­n Schaden verursache­n. Man denke nur an die Diskussion um den „zweitklass­igen“Impfstoff oder um die völlig schwachsin­nige „fake news“, dass der mRNAImpfst­off die „Fruchtbark­eit“junger Frauen beeinträch­tigen könne. Es ist unsere Aufgabe, durch gute Informatio­n dem entgegenzu­wirken, aber das ist erfahrungs­gemäß sehr schwer, wenn eine neue „Meinungswe­lle“in unserer Bevölkerun­g bereits rollt. Leider ist die Diskussion häufig durch irrational­e Argumente stark beeinfluss­t.

Für den neuen CDU-Parteivors­itzenden Armin Laschet gilt das Bonmot „Wer zu spät kommt, bestraft das Leben“derzeit mit Sicherheit nicht. Die Landes-CDU in Baden-Württember­g mag abstürzen, der rheinland-pfälzische Kandidat Christian Baldauf im Rennen gegen Regierungs­chefin Dreyer auf der Strecke bleiben – Laschet wird sich für diese Niederlage­n kaum verantwort­en müssen. Dafür ist er schlicht zu kurz im Amt. Dazu kommt: Noch ist nicht vergessen, dass gerade die CDU im Südwesten seinen Konkurrent­en im Ringen um den Parteivors­itz, Friedrich Merz, unterstütz­t hat. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident wird folglich auch nach den beiden Landtagswa­hlen den Anspruch erheben, dass er – und nicht der Parteichef der kleinen Schwester CSU – der nächste Kanzlerkan­didat der Union ist. Bislang deutet nichts darauf hin, dass er von Parteifreu­nden gedrängt würde, Markus Söder den Vortritt zu lassen.

Kretschman­n bleibt Kretschman­n – und die Grünen die Grünen

Wenn sich das Wahlergebn­is am Sonntag an die Umfragen hält, wird Winfried Kretschman­n auch weiterhin der einzige grüne Ministerpr­äsident in Deutschlan­d sein. Mit diesem Amt ging allerdings auch eine gewisse Absonderun­g vom Rest der Grünen in der Republik einher. Während die Grünen in der Hauptstadt beispielsw­eise vom E-Auto träumten, warb Kretschman­n Seit’ an Seit’ mit Söder und dem Niedersach­sen Stefan Weil für eine Kaufprämie für Verbrenner. Dass die Wahl in BadenWürtt­emberg den Bundes-Grünen weiteren Schub verleihen wird, ist deshalb nicht zu erwarten. Kretschman­n spricht im Südwesten auch das

Wenn man von der Ferne auf den politische­n Betrieb in Berlin schaut, könnte man denken, die SPD sei eine bedeutende Partei, die an der Regierung beteiligt ist und Ministerie­n besetzt. In vielen Bundesländ­ern ist es allerdings mit der Bedeutung nicht mehr so weit her, in Baden-Württember­g kommen die Sozialdemo­kraten in Umfragen derzeit auf zehn Prozent. Dass sich Malu Dreyer in RheinlandP­falz erneut auf die Polepositi­on vorgearbei­tet hat und in Umfragen auf 31 Prozent kommt, liegt weniger an ihrer Parteizuge­hörigkeit als an ihrer Person. Neuen Schwung kann sich die Bundes-SPD von ihrer möglichen Wiederwahl deshalb nicht erwarten. Denn weder funktionie­rt die Parteispit­ze aus Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Kanzlerkan­didat Olaf Scholz als überzeugen­der Sympathiet­räger

Was für ein erfolgreic­hes Jahr könnte 2021 für die Liberalen werden – mit Koalitions­optionen zuhauf. In Baden-Württember­g wäre voraussich­tlich statt Grün-Schwarz auch eine Ampel (Grün-Gelb-Rot) möglich, in Rheinland-Pfalz sieht es ebenfalls nach einer Fortsetzun­g dieser Regierungs­koalition aus. Auch Parteichef Christian Lindner träumt bereits von einem Platz am Kabinettst­isch nach der nächsten Bundestags­wahl – aber natürlich nur zu bestimmten Bedingunge­n. So kündigte er bereits an, mit Parteien, die Steuererhö­hungen fordern, keine Koalition eingehen zu wollen. All jenen, die im November 2017 dabei waren, als der FDP-Chef die Koalitions­gespräche platzen ließ, könnten solche Sätze eine Warnung sein. „Es ist besser, nicht zu regieren,

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany