Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schwarze Zahlen, grüne Energie
Der Motorenspezialist Rolls-Royce Power Systems kämpft mit Corona und setzt auf nachhaltige Stromversorgung
- Auch wenn Motoren – so richtig große, schwere Gasund Dieselaggregate – weiterhin den größten Teil im Angebot von RollsRoyce Power Systems (RRPS) ausmachen, ein Motorenbauer will das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee seit Jahren nicht mehr sein, viel mehr ein Lösungsanbieter, wie Vorstandschef Andreas Schell immer wieder betont. Sein Lieblingsprojekt kommt deshalb auch nicht von ungefähr: Schell möchte die Lösung anbieten, dass Computerfirmen oder Krankenhäuser im Fall von Stromausfällen mit stationären Anlagen weiter mit Energie versorgt werden. Und das klimafreundlich und kohlendioxidneutral – mit Brennstoffzelle. „Mir persönlich liegt die Technik am Herzen, sie steht kurz vor dem Durchbruch und hat vor allem bei der stationären Energieversorgung großes Potenzial“, sagt der Vorstandschef.
Für Andreas Schell steht die Arbeit an der Brennstoffzelle für den Weg, den sein Unternehmen gehen will – und auch im vergangenen Jahr gegangen ist. Und zwar trotz der globalen Wirtschaftskrise, die die Corona-Pandemie ausgelöst hat. „Es war kein einfaches Jahr, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, denn wir sind noch profitabel“, sagte Schell bei der Vorstellung der Zahlen für das Jahr 2020. Vor allem aber habe RRPS trotz aller Schwierigkeiten daran festgehalten, die Transformation weg von Motoren hin zu Systemen fortzuführen. „Wir wollen besser aus der Krise rauskommen, als wir reingekommen sind“, erklärte Schell.
Doch bei aller Euphorie über die angestrebten Ziele ist klar, dass Corona an den Geschäften des Friedrichshafener
Unternehmens nicht spurlos vorübergegangen ist. Während der Umsatz von RRPS um 17 Prozent auf gut drei Milliarden Euro sank, ging der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern um mehr als 50 Prozent auf 200 Millionen Euro zurück. Das entspricht einer Umsatzrendite von 6,5 Prozent, die im Vorjahr noch bei 11,5 Prozent gelegen hatte. Dass der Gewinn so viel massiver als der Umsatz eingebrochen sei, erklärte RRPS-Finanzchefin Louise Öfverström mit hohen Fixkosten, auf die man nicht so schnell habe reagieren können, wie es nötig gewesen wäre. Der Auftragsbestand sank um neun Prozent auf 2,66
Milliarden Euro. „Vor allem in der zweiten Jahreshälfte hat der Auftragseingang wieder angezogen“, erläuterte Vorstandschef Schell. Klar ist aber, das Ziel, kurzfristig eine Umsatzrendite von 15 Prozent zu erwirtschaften, ist vorerst nicht zu erreichen. „Wir halten an dem Ziel fest, aber das ist erst einmal weit nach hinten geschoben“, sagte Schell. Und auch bei den Umsatzzielen werde es mindestens bis zum Jahr 2022 dauern, bis RRPS wieder auf Vorkrisenniveau sei.
Bis dahin – so die große Hoffnung des Unternehmens – werde vor allem das Geschäft mit Produkten für nachhaltige Energie anziehen. Dazu gehört neben dem Brennstoffzellenprojekt vor allem die Entwicklung von Batteriespeichern und Wasserstoffsystemen. „Das Interesse an nachhaltigen Lösungen ist auch 2020 weiter gewachsen“, sagte Schell. Ein wichtiger Meilenstein sei die Inbetriebnahme des Brennstoffzellen-Demonstrators am Stammsitz in Friedrichshafen. Dazu kooperiert RRPS mit Cellcentric, dem Gemeinschaftsunternehmen von Volvo und Daimler, das die Brennstoffzellen liefert. Diese baut das Unternehmen dann zusammen mit der Steuerung und den Regelungsanlagen in Containersysteme ein, die künftig das entscheidende Element sein sollen, um autarke, netzunabhängige Energieversorgungen ohne Dieselmotoren zu gewährleisten. Klar ist: Noch ist das kein Geschäft, es ist eine Wette auf die Zukunft, aber Andreas Schell ist überzeugt, dass die Produkte ihren Markt finden werden. Noch müssen allerdings die Anlagen aus der alten Welt die Grundlage liefern: Und das sind die Diesel- und Gasmotoren für Schiffe, Züge und stationäre Energielösungen. „Die Geschäftsbereiche müssen den Marktzugang für die neuen Technologien vorbereiten“, erläutert Andreas Schell.
Den größten Umsatz erwirtschafteten die rund 8850 RRPS-Mitarbeiter mit stationären Energiesystemen (33 Prozent), im Marinesektor (32 Prozent) und im Industriebereich (24 Prozent) musste das Unternehmen Umsatzverluste verkraften, der Verteidigungssektor (elf Prozent) blieb stabil. Diese interne Struktur verändert RRPS zurzeit: Das Unternehmen fasst künftig seine Antriebslösungen für Schiffe, Züge, Land- und Bergbaumaschinen in einer Division zusammen, und bündelt sämtliche Aktivitäten mit Energieanlagen, Blockheizkraftwerken und Notstromversorgungen. Neben dem China-Geschäft, das künftig in einer eigenen Division organisiert ist, kommt dem Bereich nachhaltige Energie besondere Bedeutung zu, wie Schell erläuterte. „Ich erwarte rasante Wachstumsraten – auch wenn der Umsatz in diesem Jahr allenfalls im mittleren, oberen zweistelligen Millionenbereich liegt.“Sprich bei etwa 75 Millionen Euro – es gibt also Potenzial nach oben. Wenn es nach Schell geht vor allem bei seinem Herzensprojekt: der Brennstoffzelle, mit der sich der RRPS-Chef bereits während seines Studiums intensiv beschäftigt hat.