Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Von Recht und Ungerechtigkeiten
Als Lehrerin höre ich öfter von meinen Schülern den Satz: „ Das ist ungerecht!“Die Schüler wünschen sich eine gerechte Behandlung durch mich oder dass ich ihnen zu ihrem Recht verhelfe. Auch in der Bibel geht es oft um die Frage der Gerechtigkeit. Der 5. Sonntag der Fastenzeit trägt die Bezeichnung „Judika“. Der Name Judika leitet sich ab von dem Eingangsvers in der Liturgie: „Gott, schaffe mir Recht und führe meine Sache wider dem unheiligen Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!“Im Predigttext (Hiob 19,19-27) zum 5. Passionssonntag, hören wir die Klage von Hiob: „Alle meine Freunde haben sich gegen mich gewandt …nur das nackte Leben ist mir geblieben, auch die Hand Gottes hat mich getroffen“, klagt Hiob. Wenn man sich wie Hiob grundlos ungerecht behandelt fühlt. Wenn die Lebenskonstruktionen, selbst in elementarsten Lebensbedürfnissen, auf einmal nicht mehr funktionieren. Ist es da nicht nur zu verständlich, zu rufen: „Gott, schaffe mir Recht!“. Gerade in der Corona-Krise erleben sich Viele ungerecht behandelt, vom Staat, von der Gesellschaft, vom Schicksal und von Gott. Den Schmerz über die erfahrenen Ungerechtigkeiten und das Leid zuzulassen, kann entlasten und befreiend sein. Bleiben wir jedoch beim Schmerz hängen, ist die Gefahr groß, dass sich unser Blick verengt oder wir verbittern. Weiter im biblischen Text wandelt sich die Klage von Hiob in Zuversicht, wenn er spricht; „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“… Meine Haut ist zerschlagen – aber ich werde Gott sehen… Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust!“Hiob V 25-27. In aller Verlassenheit von den Anderen, von Gott hat Hiob eine unfassbare
Das Sonntagsläuten
Zuversicht, wenn er spricht: Mein Erlöser lebt – er wird sich über den Staub erheben! Dieses Sehnen ist keine bloße Durchhalte-Parole, sondern ist lebendig. Was gibt Hiob diese Zuversicht? Es ist die Erfahrung, dass seine Existenz in Gott gehalten ist, egal wie sein Leben gerade ist. Sein Glaube ist die Zuversicht, dass er das Leben aushalten kann, auch wenn es sinnlos ist - denn Leben ist nicht immer sinnvoll. Der Glaube ist nicht der Garant für Sinn, nein der Glaube an Gott entlastet den Menschen davon, immer und überall nach Sinn zu suchen. Es ist eine Haltung des Vertrauens. Hiob darf darauf vertrauen, dass Gott ihn hält, in allem Elend. Er muss nicht mehr Gerechtigkeit fordern. Er muss nicht aus sich selbst heraus leben, sich nicht selbst erlösen. Diese Zuversicht wünsche ich uns, wenn wir das Gefühl haben, dass alles sich gegen uns wendet. Man kann diese Zuversicht nicht machen. Sie ist ein Geschenk, letztendlich ist es Gnade.