Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Entspannt auf der Suche
Sondierungen, so scheint es, sind ganz nach Winfried Kretschmanns Geschmack. Anders als etwa in der Corona-Politik, die schnelle Entscheidungen erfordert und in der sich der baden-württembergische Regierungschef als Krisenmanager bewähren muss, kann er sich bei der Suche nach einem neuen Regierungspartner Zeit nehmen. Er kann in Ruhe mit den möglichen Partnern über die großen Linien sprechen, über Ziele, Gemeinsamkeiten und Trennendes. Das liegt ihm.
Hilfreich dabei ist, dass nach dem Wahlsieg vom 14. März gleich drei Parteien um die Gunst der Grünen buhlen. Anders als vor den vergangenen beiden Legislaturperioden dürfen die Grünen entscheiden, ob sie die grün-schwarze Regierung fortführen oder doch mit SPD und FDP die Ampelkoalition wagen.
Bisher signalisieren alle drei Parteien maximale Gesprächsbereitschaft. Die Motive sind unterschiedlich. Die FDP hat schlicht die Opposition über, für Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke etwa wird es langsam knapp, will er noch einmal ein Regierungsamt bekleiden. Die Lage der SPD ist bundesweit so bekannt wie bedenklich, Regierungsverantwortung soll helfen, sinkende Umfragewerte zu stoppen – auch, wenn das in Berlin derzeit nicht gelingt.
Und auch die CDU ist bemüht. Sie vereint sich demonstrativ hinter Parteichef und Verhandlungsführer Thomas Strobl. Wenngleich intern der Druck steigt, wollen die Christdemokraten zeigen, dass sie der verlässliche Partner sind, den die Grünen brauchen. Denn in der Union ist fast jedem klar: In der Opposition gegen eine bürgerlich orientierte Ampel wird es die CDU – neben der populistischen AfD – sehr schwer haben, sich zu profilieren.
Derzeit scheint es, als könne Winfried Kretschmann die Bedingungen diktieren. Doch so komfortabel die Situation für ihn auch ist, er sollte vorsichtig sein. Traktiert er seinen künftigen Regierungspartner zu sehr, muss er später damit leben, einen schwachen Partner an seiner Seite zu haben. Und wie mühsam dies das Regieren machen kann, hat er im vergangenen Jahr leidvoll mit der CDU erlebt.