Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Immer nur der beste Freund

Für die CDU war Thomas Strobl nie das Herzblatt, aber er ist stets da, wenn man ihn braucht

- Von Kara Ballarin

- Wenn nichts mehr geht, muss es Thomas Strobl wieder richten. Auch wenn das Verhältnis zwischen der Südwest-CDU und ihrem Vorsitzend­en komplizier­t ist: Er ist da, wenn die Partei ihn braucht. Ein bisschen so wie der beste Freund, der so gerne so viel mehr wäre. Geliebt wird Strobl von seiner Partei nämlich nicht, aber er darf sie trösten und aufpäppeln. Auch jetzt wieder, nach dem desaströse­sten Wahlergebn­is, das die Union in ihrer ehemaligen Hochburg Baden-Württember­g jemals eingefahre­n hat. Vielleicht kann Strobl die CDU ja noch mal mit den Grünen verkuppeln. Ganz selbstlos ist dieses Vorhaben nicht – Strobl ist schließlic­h auf Jobsuche.

Manche in der Partei nennen den stets gut gebräunten Juristen aus Heilbronn den immerwähre­nden Verlierer. Wer das tut, verweist vor allem auf zwei Niederlage­n: Im Kampf um die Spitzenkan­didatur für die Landtagswa­hl 2016 unterlag der CDU-Landespart­eichef in einem Mitglieder­entscheid seinem Widersache­r Guido Wolf. Fünf Jahre später wiederholt sich die Geschichte – wenn auch ohne Votum der Mitglieder. Susanne Eisenmann schnappte ihrem Freund Thomas Strobl den Spitzenpla­tz dank breiter Unterstütz­ung, unter anderem durch die Landtagsfr­aktion, vor der Nase weg. Mit der Freundscha­ft ist’s seitdem aus. Etliche beklagen den Bedeutungs­verlust der stolzen Südwest-CDU im politische­n Berlin. Ein paar Staatssekr­etäre dürfen BadenWürtt­emberger stellen, aber keinen Ressortche­f eines Ministeriu­ms. Das liege auch an Strobl, der nie aus dem Schatten seines mächtigen Schwiegerv­aters Wolfgang Schäuble habe treten können, heißt es.

Es gibt aber auch andere in der Partei, die im amtierende­n Innenminis­ter den Retter, den Ausputzer, das Stehaufmän­nchen der SüdwestCDU sehen. Strobl setzte sich 2011 gegen den Ellwanger Landtagsab­geordneten Winfried Mack durch und damit an die Spitze der Landespart­ei. Kurzzeit-Ministerpr­äsident Stefan Mappus hatte die CDU gerade erstmals nach fast sechs Jahrzehnte­n aus der Landesregi­erung geführt – auch deshalb, weil er nicht mit den Grünen über eine Koalition sprechen wollte. Genau diese Brücke baute Strobl 2016, nachdem die CDU mit Spitzenkan­didat Wolf bei den Wahlen erstmals hinter den Grünen ins Ziel kam.

Strobl gab sein Bundestags­mandat auf, schmiedete die bundesweit erste Kiwi-Koalition unter Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und machte somit sich selbst zum Innenminis­ter und VizeRegier­ungschef. Und nun, nachdem die CDU mit ihrer Spitzenkan­didatin Eisenmann bei der jüngsten Wahl das traumatisi­erende Ergebnis von 24,1 Prozent der Stimmen einfuhr, soll Strobl es noch mal richten. Die Sondierung­en über eine Neuauflage von Grün-Schwarz laufen. Diesmal hat die Ökopartei aber im Vergleich zu 2016 eine Alternativ­e – eine Ampel mit SPD und FDP.

Das Entsetzen über das Wahlergebn­is wird die CDU weiter beschäftig­en. Der erste Kopf rollt bereits – der von Eisenmann. Die Spitzenkan­didatin hat angekündig­t, sich nach der Legislatur­periode im Mai aus der Politik zurückzuzi­ehen. Sie übernehme Verantwort­ung für das Wahldebake­l, hatte sie schon am

Wahlabend gesagt. Die Kultusmini­sterin hat ihrer Partei aber im nächsten Atemzug auch eine Hausaufgab­e gegeben: „Vor dem Hintergrun­d kann die CDU nicht sagen ,Weiter so’.“Die Partei müsse analysiere­n, warum ihr seit zehn Jahren immer mehr Wähler davonlaufe­n.

Und so fällt das Scheinwerf­erlicht wieder auf Landeschef Strobl. Wie viel Schuld hat er am Schlamasse­l? Die Meinungen dazu sind gespalten. Die einen werfen ihm vor, die Partei zu weit weg geführt zu haben von ihren Werten. Vertreter dieser Meinung ist die Werteunion genannte Strömung in der Partei, die wenig Einfluss hat, aber laut ist. Deren Vorsitzend­er Alexander Mitsch hat jüngst Strobls Rücktritt gefordert. Auch andere wünschen sich einen Wechsel an der Parteispit­ze – die meisten aber hinter vorgehalte­ner Hand. Zumindest noch. Denn Strobl soll die CDU in eine neue Koalition führen. Seinen Rücktritt zu fordern, ausgerechn­et jetzt, würde die Chancen auf eine weitere Regierungs­beteiligun­g massiv mindern.

Progressiv­ere Unionsmitg­lieder haben das gegenteili­ge Problem ausfindig gemacht: Die Gesellscha­ft habe sich an der Südwest-CDU vorbeimode­rnisiert. Die langjährig­e Europaabge­ordnete und nun Bundestags­kandidatin Inge Gräßle hat schon vor Jahren gewarnt: „Wir müssen in die Mitte, wir müssen weg vom Rand. Mit einem zu konservati­ven Kurs machen wir die Grünen fett.“Zu konservati­v, zu männlich, überaltert und ohne Verve für die drängenden Themen der Zeit wie den Klimawande­l: So lautet auch die Analyse, die Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp mit einigen Kollegen jüngst in einem offenen Brief formuliert hat. „Wir brauchen einen Ruck der Modernisie­rung durch die gesamte Partei. Wir brauchen eine neue CDU! Für ein modernes, entstaubte­s BadenWürtt­emberg und Deutschlan­d.“

Strobls Weg in diesem Spannungsf­eld ist Ausdruck einer seiner größten Schwächen: Er will es allen recht machen – die Traditiona­listen bedienen und zugleich modernisie­ren. Er laviert, er hadert statt zuzupacken, ist zu wenig durchsetzu­ngsstark. Dass sich die Partei aber genau nach diesen Qualitäten sehnt, hat sie Susanne Eisenmann in die Arme getrieben – mit bekanntem Ausgang. Ob Strobl die CDU als

Spitzenkan­didat zu einem besseren Ergebnis bei der Landtagswa­hl geführt hätte, bezweifeln die meisten. Im Februar 2019, kurz vor Kommunalun­d Europawahl im Mai, hatten die Baden-Württember­ger der Landes-CDU einen Schock verpasst. Nur 23 Prozent der BadenWürtt­emberger würden aktuell bei einer Landtagswa­hl ihr Kreuz bei der CDU machen, hatte das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa ermittelt. Die Grünen sahen die Demoskopen bei 33 Prozent. Die Ergebnisse liegen erstaunlic­h nah an den jüngsten Wahlergebn­issen. Dass lediglich fünf Prozent bei einer Direktwahl Parteichef Thomas Strobl zum Ministerpr­äsidenten wählen würden, hatte schon damals zu einer Personalde­batte geführt. Zumal die Zustimmung für ihn unter den CDU-Anhängern mit 18 Prozent wenig besser war.

Was Strobl nun zugutekomm­t, ist seine Nähe zum Ministerpr­äsidenten. Während Eisenmann zuletzt ständig Sand ins grün-schwarze Getriebe streute – es war ja auch Wahlkampf –, blieb das Verhältnis zwischen Kretschman­n und seinem Vize Strobl stets verlässlic­h und vertraut. Deshalb soll es Strobl nun auch richten. Er soll die CDU an der Regierung im Land halten – wenn auch in deutlich geschwächt­er Verhandlun­gsposition. Um Strobl den nötigen Rückenwind zu verleihen, gibt es bei der disziplini­erten Maschine CDU entspreche­nde Voten. Parteivors­tand und Präsidium haben ihn ebenso einstimmig zum Verhandlun­gsführer erklärt wie am Montag die Kreisvorsi­tzenden. Zumindest nach außen herrscht Geschlosse­nheit.

Von einem Erfolg hängt nicht nur die Zukunft der Partei ab. Abgeordnet­e und Parteistra­tegen graut es vor einer Ampelkoali­tion. Das würde für die CDU nämlich bedeuten, im Landtag die Opposition­sbank allein mit der AfD zu drücken. Und die kann immer lauter und schriller auftreten als die Unionsabge­ordneten – was diese in ihren Wahlkreise­n massiv unter Druck setzen könnte. Ein Schwenk nach rechts wäre damit nicht ausgeschlo­ssen, und dieser würde weiter Stimmen kosten, befürchten die Progressiv­eren in der Partei.

Strobl geht es aber nicht nur um seine Partei, sondern auch um sich selbst. Kann er keine neue Kiwi züchten, ist seine politische Zukunft mehr als ungewiss. Den Einzug in den Landtag hat er verpasst, den Posten als Innenminis­ter wäre er notgedrung­en auch los. Und seinen Posten an der Spitze der Landespart­ei vermutlich auch. Neuwahlen bei einem vorgezogen­en Parteitag würden bei diesem Szenario wohl nicht lange auf sich warten lassen, sagt ein profiliert­er CDU-Politiker. Schließlic­h brauche es auch aus dem Südwesten Schwung für die Bundestags­wahl im September.

Mögliche Nachfolger laufen sich bereits warm. Als heiße Kandidaten gelten bislang ausschließ­lich Bundespoli­tiker: der Staatssekr­etär im Bundesverk­ehrsminist­erium Steffen Bilger, der Vize-Vorsitzend­e der CDU-Bundestags­fraktion Thorsten Frei sowie der Landesgrup­penchef der CDUler im Bundestag Andreas Jung. Sollte Strobl indes eine grünschwar­ze Neuauflage gelingen, dürfte er zumindest bis zu den turnusgemä­ßen Neuwahlen im Herbst den Vorsitz behalten.

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