Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die dritte Welle stoppen

Öffnen, oder doch lieber nicht – Im Kampf gegen die Corona-Mutante driften die Bundesländ­er weiter auseinande­r

- Von Michael Gabel

- Nach der verpatzten Ministerpr­äsidentenk­onferenz ist unklar, mit welchen Maßnahmen Bund und Länder die dritte Corona-Infektions­welle brechen wollen. Die geplante Osterruhe ist einer Empfehlung gewichen, in dieser Zeit zwischenme­nschliche Kontakte so gut es geht zu vermeiden. Dem Ruf nach Lockerunge­n begegnete Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Aufforderu­ng an die Kommunen, bei Öffnungen kreativer zu werden. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Welche Kommunen planen Lockerunge­n?

In Baden-Württember­g haben mehrere Städte angekündig­t, dem Beispiel Tübingens folgen zu wollen. Dort läuft bis zum 4. April ein Modellvers­uch zu Lockerunge­n. Einwohner und Besucher können sich kostenlos einem Corona-Test unterziehe­n und bei Vorlage eines negativen Ergebnisse­s in Läden oder zum Friseur gehen sowie Theater oder Museen besuchen (siehe auch Seite 2). Ähnliches planen Kommunen unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen, Schlewig-Holstein. In Berlin hat es bereits Kultur- und Sportveran­staltungen gegeben, bei denen nur getestetes Publikum in den Konzertsaa­l beziehungs­weise in die Sporthalle gelassen wurde. Laut den Organisato­ren verlief alles weitgehend unproblema­tisch. In Rostock ist ein Drittliga-Fußballspi­el vor getesteten Zuschauern geplant. Die Kanzlerin sagte am Donnerstag im Bundestag, es sei „keinem Bürgermeis­ter und keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen oder Rostock gemacht wird“.

Das Saarland will Lockerunge­n einführen. Was ist da vorgesehen?

Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) kündigte an, dass in seinem Bundesland vom 6. April an die Außengastr­onomie geöffnet wird. Außerdem wird unter Auflagen das Fußballspi­elen im Freien erlaubt, und es darf drinnen wieder kontaktfre­ier Sport ausgeübt werden. Auch Fitnessstu­dios dürfen wieder öffnen. Theater, Kinos und Konzerthäu­ser dürfen wieder Besucher hereinlass­en – Voraussetz­ung sind negative Tests und die Möglichkei­t der Kontaktnac­hverfolgun­g.

„Es muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränke­n“, betonte Hans. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) verfolgt den Plan, in Kommunen mit einer Inzidenztr­ate von unter 100 noch vor Ostern die Außengastr­onomie zu öffnen. Schleswig-Holstein will damit direkt nach Ostern folgen. Für Mecklenbur­g-Vorpommern hat Regierungs­chefin Manuela Schwesig in Aussicht gestellt, dass nach Ostern als Modellvers­uch erste Hotels und Pensionen öffnen könnten.

Sind solche Probeläufe riskant?

Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sieht die Öffnungsve­rsuche kritisch. „Wir können den Anstieg nicht stoppen, es sei denn mit einem neuen Lockdown für das Land“, sagte er. „Andere Werkzeuge“zur Eindämmung der dritten Welle stünden nicht zur Verfügung. Auch der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach machte deutlich, dass er wenig von Öffnungen in Handel und Gastronomi­e in Kombinatio­n mit einer Vielzahl von Tests halte. „Die Zahlen werden weiter steigen“, sagte er. Seine Begründung: „Die Tests für Schulen und Betriebe fehlen noch, weil der Aufbau dauert.“Deshalb sei die Lage noch nicht beherrschb­ar. Wirksam wären laut Lauterbach Ausgangssp­erren bei einer Inzidenz von 100. „Kommen werden sie später sonst ohnehin“, betonte Lauterbach, weil die Infektions­welle diesmal – anders als vor einem Jahr – nicht vom Wetter gestoppt werde. Nun gelte es, „das Tempo aus der Verbreitun­g der britischen Mutante herauszune­hmen“. Da helfe nur ein harter Lockdown. „Anders haben das die anderen auch nicht geschafft. Es gibt keinen dritten Weg.“

Gibt es auch andere Stimmen?

Ja. Der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Klaus Reinhardt, wehrt sich gegen die Perspektiv­e eines noch viel länger währenden Lockdowns. „Der monatelang­e Jojo-Dauerlockd­own zermürbt die Menschen. Er darf nicht unsere einzige Antwort auf die dritte Welle sein“, sagte er . Die nun vorgesehen­en Versuche seien Schritte, die langsam, aber sicher die „Rückkehr in die gesellscha­ftliche Normalität“ermöglicht­en.

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Auch in Brüssel hat man es mitbekomme­n

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