Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Transformation eines Riesen
EnBW schließt Umstrukturierung ab und die Zahlen stimmen – Pilotprojekte im Bereich Sicherheit
- Dem Chef des Karlsruher Energiekonzerns EnBW, Frank Mastiaux, wurden in den Medien schon viele Namen verpasst: der „Transformator“oder der „Macher von Morgen“. Klar ist: Mastiaux kennt sich aus mit Veränderung und Wandel. Im Jahr 2013 trat der gebürtige Essener als Vorstandsvorsitzender bei dem – nach den RWE und Eon – drittgrößten Energieunternehmen Deutschlands mit der Mission an, das einst stark atom- und kohlestromlastige Unternehmen in einen Ökostromkonzern zu wandeln.
Sein ambitioniertes Ziel war, das damalige operative Ergebnis von 2,4 Milliarden Euro nach sieben Jahren mit einem völlig anderen, auf die Energiewende ausgerichteten Portfolio, wieder zu erreichen.
Die gesteckte Zielmarke des operativen Ergebnisses von 2,4 Milliarden Euro hatte das Unternehmen schon 2019 erreicht. Jetzt, nach Abschluss der sogenannten Strategie 2020, konnte Mastiaux bei der Jahresbilanz am Donnerstag verkünden, dass der wirtschaftliche Umbau des Karlsruher Energiekonzerns die Marke gar übertroffen hat: Im vergangenen Geschäftsjahr erreichte die EnBW ein um Sondereffekte bereinigtes operatives Konzernergebnis von 2,8 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Plus von 14,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
„Maßgebliche Ergebnistreiber waren neben den Netzen und dem Gasgeschäft insbesondere unsere beiden neuen Offshore Windparks Hohe See und Albatros“, sagte Mastiaux. Die Erneuerbaren brachten dem Konzern insgesamt rund 800 Millionen Euro ein, 2012 lag der Wert noch bei rund 200 Millionen Euro. Die Sparte Erzeugung und Handel – zu der die Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken gehört – steuerte vergangenes Jahr noch etwa 400 Millionen Euro zum Konzernergebnis bei. „Wir haben das Unternehmen komplett umgebaut“, resümierte Mastiaux.
Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 19,7 Milliarden Euro – was einem Plus von 1,3 Prozent entspricht. Unterm Strich blieben aber nur 596 Millionen Euro als Konzernüberschuss und damit fast 19 Prozent weniger als im Vorjahr. Das geht laut Finanzchef Thomas Kusterer vor allem auf Finanzanlagen zurück, die zu einem bestimmten Stichtag anders bewertet worden seien als 2019. Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 5,8 Prozent auf 24 655.
Profitieren vom Erfolg sollen die Aktionäre des Unternehmens. Dies sind vor allem das Land und der öffentliche Zweckverband OEW, hinter dem unter anderem der Kreis Ravensburg, der Alb-Donau-Kreis, der Bodenseekreis, der Kreis Biberach, der Zollernalbkreis und der Kreis Sigmaringen stehen. Die Dividende soll, so der Vorschlag, auf 1,00 (2019: 0,70) Euro steigen.
Im laufenden Jahr will das Unternehmen seinen Betriebsgewinn ein fünftes Mal in Folge steigern. Erwartet werde ein Plus von zwei bis sieben Prozent auf 2,83 bis 2,98 Milliarden Euro, sagte Kusterer am Donnerstag.
Und auch die abgeschlossene „Strategie 2020“erhält mit der „Strategie EnBW 2025“einen Nachfolger. Das Leitbild eines Ökostromkonzerns steht dabei weiter ganz oben auf der Agenda. „Wir richten künftige Entscheidungen, Investitionen und unser Wachstum noch konsequenter an Kriterien der Nachhaltigkeit aus“, sagte Mastiaux. Die Erneuerbaren sollen massiv ausgebaut werden. Bis 2025 will das Unternehmen zwölf Milliarden Euro investieren. Ausgewählte Auslandsaktivitäten seien einbezogen. „Wir haben aber nicht vor, eine globale Präsenz zu erzeugen“, sagte Mastiaux.
Die Investitionen fließen nicht nur in den Ausbau der Erneuerbaren, sondern Mastiaux will auch mit Tempo übers angestammte Geschäftsfeld Energie hinaus wachsen: Schnellladeinfrastruktur, Breitbandausbau, Quartiersentwicklung und öffentliche Sicherheit zählen hier dazu. Im für einen Energiekonzern eher ungewöhnlichen Geschäftsfeld der Sicherheit testet die EnBW gerade an mehreren Standorten Sensoren, mit deren Hilfe zum Beispiel eine Schlägerei an einer Bushaltestelle erkannt werden soll, erläuterte Mastiaux. Erst dann würden Bilder der Videoüberwachung an einen Beobachter übermittelt, der somit nicht mehr dauernd auf Bildschirme starren müsse, auf denen die meiste Zeit nichts zu sehen sei. Das Ganze sei datenschutzkonform, sagte Mastiaux. Tests liefen etwa auf dem Marktplatz von Gernsbach (Landkreis Rastatt) und an einer Balinger Schule (Zollernalbkreis). Man stehe bei diesem Geschäftsfeld noch ganz am Anfang, betonte Mastiaux. Dennoch zeigt die Beschäftigung mit solchen Zukunftsthemen, das sich das Unternehmen lieber breiter aufstellt als zu schmal.
Denn obwohl der Bedarf an Ökostrom riesig ist – auch immer mehr Industrieunternehmen wollen sich mit grünem Strom versorgen – geht der Ausbau an Land in Deutschland nicht voran. „Wir haben im Jahr 2019 einen Zubau beim Wind gehabt von etwa einem Gigawatt“, sagte Mastiaux. „Im vergangenen Jahr waren es dann 1,5 Gigawatt.“Wenn man sich aber an den gesetzten ErneuerbarenAusbauzielen orientiere, „dann müssten das im Jahresmittel eher vier bis fünf Gigawatt sein. Das heißt wir verfehlen das Ziel um Faktor drei.“Da müsse man dringend nachbessern. Als Grund für die Verzögerung beim Ausbau sieht Mastiaux weniger
Widerstand und Protest gegen Windkraftprojekte durch die Bevölkerung, sondern Grund seien vornehmlich die langen Genehmigungsverfahren. Dabei nehme der Strombedarf stetig zu. „Die jetzige EEG-Novelle basiert auf einer Strommengenprognose, die einen Bedarf von 580 Terrawattstunden in 2030 vorsieht. Wir halten das für eine sehr konservative Schätzung“, sagte Mastiaux.
Zwar gibt es das von der EnBW betriebe Atomkraftwerk Neckarwestheim noch, auch gibt es nochKohlekraftwerke. Aber Neckarwestheim geht nächstes Jahr vom Netz, 2035 soll der letzte Kohleofen ausgehen. Was dann aus den Kraftwerksstandorten wird, will die EnBW in den kommenden Wochen vorstellen.
Mastiaux kündigte an, dass an den betroffenen Standorten in BadenWürttemberg die Belegschaft demnächst informiert würde, was die Pläne der Konzernspitze jeweils sind. Sicher ist nur, dass es Alternativen für diese Form der Energieversorgung braucht. EnBW selbst will die liefern. Schnell.