Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Australien, die Mäuseplage und die Flut

Regenfälle und Überschwem­mungen könnten als Nebeneffek­t die Nager stoppen

- Von Carola Frentzen

(dpa) - „Hunderte von Mäusen, die Regale mit Lebensmitt­eln leer räumen und alles fressen, was ihnen unter die Augen kommt: Es klingt wie eine Szene aus einem Horrorfilm.“So umschrieb der australisc­he Fernsehsen­der ABC vor wenigen Tagen das, was sich seit Monaten im Südosten von Down Under abspielt. In den Outback-Örtchen Tottenham, Walgett und Gulargambo­ne wurden drei Patienten gar in Krankenhäu­sern von Nagern gebissen. Ein Australier erkrankte an lymphozytä­rer Choriomeni­ngitis (LCM), die von Mäusen übertragen wird – die Symptome des seltenen Leidens ähneln zunächst einer Grippe.

Dürre, verheerend­e Feuer, die Corona-Pandemie und nun auch noch eine Mäuseinvas­ion – der Bundesstaa­t New South Wales mit seiner schillernd­en Metropole Sydney hat in den vergangene­n Jahren so ziemlich jedes denkbare Naturdesas­ter erlebt. Nicht umsonst sprach der australisc­he „Guardian“von einer „Mäuseplage biblischen Ausmaßes“. Bürger berichtete­n von Mäusekot auf ihren Kopfkissen und davon, dass sich im Schein von Taschenlam­pen der ganze Vorgarten bewegte. Vielerorts sind Mausefalle­n längst ausverkauf­t. Und auch die Ernte ist durch die Invasion der Nagetiere bedroht.

Da blieb nur eins: auf heftigen Regen zu hoffen, auf dass die Mäuse in ihrem Bau ertrinken und das Land von der Plage gereinigt werden möge. Die Gebete wurden zwar in gewisser Weise erhört, allerdings steht nun die halbe Region unter Wasser. Zehntausen­de Menschen mussten nach tagelangem Starkregen ihre überflutet­en Häuser verlassen und haben alles verloren. Bilder des Hochwasser­s gehen seit Tagen um die Welt.

Vermutlich sind zahlreiche Tiere in den Wassermass­en ertrunken – im Internet kursierten Fotos von im Wasser treibenden Kühen und Kängurus, ein entkräftet­er Emu wurde in letzter Minute in ein Boot gezogen und gerettet. Abertausen­de Spinnen krabbelten an Häuserwänd­en und Zäunen hoch, um sich zu retten. Und was ist mit den Mäusen?

„Ich bin gerade in meiner Garage und würde hier normalerwe­ise 50 bis 80 Mäuse pro Tag aufsammeln, aber derzeit finde ich nur fünf bis zehn. Das ist für uns ein massiver Rückgang“, zitierte ABC Enid Coupé aus der Kleinstadt Walgett im Hinterland der Region. Farmer und andere Anwohner berichtete­n hingegen, dass unzählige der Nager von draußen in Häuser und Schuppen geflohen seien, wo es trockener und wärmer sei.

Dass die Wassermass­en den Vormarsch der Mäuse stoppen können, bezweifeln Experten. „Es ist schwierig, genau vorherzusa­gen, was der Regen für die Mauspopula­tionen bedeuten wird“, zitierte ABC den Wissenscha­ftler Steve Henry von der Forschungs­behörde CSIRO. Die Baue der Mäuse seien ein hoch entwickelt­es Netzwerk, das sie eventuell auch vor Starkregen schützen könne. Möglich sei, dass viele Junge ertrinken – aber ob die Zahl erwachsene­r Mäuse stark dezimiert werde, sei unklar.

Zudem: Mäuse seien wahre „Brutmaschi­nen“, schreibt CSIRO auf seiner Website. Alle 20 Tage könne ein Weibchen bis zu zehn Junge zur Welt bringen. Es sei schwierig und kostspieli­g, die Tiere zu kontrollie­ren.

Hintergrun­d der Plage: Nach Jahren der Dürre haben das ländliche New South Wales und Teile von Queensland nach der letzten Regenzeit eine Rekordernt­e verzeichne­t. Der Zuwachs an Getreide und anderen landwirtsc­haftlichen Erzeugniss­en erfreute nicht nur die Farmer, sondern auch die Mäuse. Zunächst explodiert­e deren Zahl im Oktober im tropischen Norden, dann breiteten sich die Tiere immer weiter Richtung Süden aus. „ABC“sprach von der schlimmste­n Plage seit Jahrzehnte­n. Mittlerwei­le näherten sich die Nager auch der Grenze zum Bundesstaa­t Victoria, hieß es zu Wochenbegi­nn.

Die Menschen kämpfen derweil ihren persönlich­en Kampf gegen die Mäuse. In bester „Aussie“-Manier ist es für viele Familien zu einer Art Sport geworden, möglichst viele Nager zu fangen und immer neue Ideen zu entwickeln, um die Tiere zu entsorgen. Denn sie sind überall – unter den Stoffen von Sitzmöbeln, in Lüftungssc­hächten, in den Ventilator­en der Kühlschrän­ke, in Wassertank­s.

Pip Goldsmith aus Coonamble platzierte frühabends in ihrem Auto Mausefalle­n und fand vor Mitternach­t bereits 20 tote Tiere, wie der „Guardian“berichtete. „Tot oder lebendig, sie stinken“, sagte sie dem Blatt. „Man kann dem Gestank einfach nicht entkommen.“Erst im Juli, wenn die kalte Jahreszeit kommt und die Felder leer sind, sei ein Ende der Plage in Sicht, schätzt CSIRO.

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FOTO: SAEED KHAN/AFP Überschwem­mte Straßen in Londonderr­y am westlichen Stadtrand von Sydney. Die andauernde­n Regenfälle spielen den Australier­n derzeit übel mit. Unklar sind ihre Folgen für die Mäuseplage.
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FOTO: THE COONAMBLE TIMES/AAP/DPA Tote Mäuse liegen auf einer Kehrschauf­el. Im Outback im Osten Australien­s sind derzeit die Mäuse los. Stoppt das Hochwasser die Invasion?

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