Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Reisebüros kämpfen gegen die Urlaubsscham
Für die Reisebranche sendet die Politik derzeit die flaschen Signale aus
- Die Osterferien stehen vor der Tür. Eigentlich ein Grund zur Freude. Aber mit Blick auf die nach wie vor steigenden Infektionszahlen trübt sich diese schnell ein. Erschöpft von der nicht enden wollenden Corona-Krise scheint ein Urlaub auf den Balearen verlockend. Denn dort ist die Inzidenz derzeit so niedrig, dass die Inselgruppe kein Risikogebiet mehr darstellt. Trotzdem halten sich die Nachfragen in Grenzen.
Auf Mallorca liegt die Zahl der Corona-Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner aktuell bei rund 25, auf Ibiza gar bei 12. Traumwerte also, von denen Deutschland weit entfernt ist. „Auf diesen Inseln ist die Ansteckungsgefahr natürlich deutlich niedriger als bei uns“, sagt Martina Michelberger. Die Inhaberin des Suntrip-Reisebüros in der Schützenstraße macht keinen Hehl daraus, dass sie sich über die teils heftigen Reaktionen denjenigen gegenüber ärgert, die einfach nur mal raus wollen aus dem Pandemie-Geschehen in Deutschland. „Manche trauen sich gar nicht zu sagen, dass sie dort Urlaub machen wollen“. Dabei habe doch jeder das Recht, frei zu entscheiden – und Verantwortung dafür zu übernehmen. Sie weiß, dass die Hygienemaßnahmen auf Mallorca streng kontrolliert und auch eingehalten werden. In allen öffentlichen Bereichen gilt die Maskenpflicht, ebenso eine nächtliche Ausgangssperre ab 22 Uhr. Ab 17 Uhr sind Restaurants und Cafés außerhalb der Hotels geschlossen. Für Eintritte in Kinos, Theater oder Kirchen gelten begrenzte Besucherkapazitäten. „Die Maßnahmen sind vorbildlich, schließlich wollen die Einheimischen, dass die Inzidenzzahl niedrig bleibt“, sagt Martina Michelberger, „und Ballermann gibt es natürlich nicht“.
Dafür warten auf die Gäste blühende Mandelbäume, eine erwachende Natur, Strandspaziergänge – und Hoteliers, die es kaum erwarten können, endlich wieder Urlauber empfangen zu können. Die CoronaKrise hat auch auf den auf den Tourismus angewiesenen Balearen fatale Auswirkungen. Auf Mallorca lebt inzwischen fast jeder Dritte in Armut. Die Suppenküchen sind längst am Limit. Entsprechend groß ist die Freude
auf die Urlauber. „Es ist doch einfach schon Luxus, in der Frühlingssonne in einem Straßencafé sitzen zu dürfen“, so die Reisebüro-Inhaberin. TUI habe viele Flüge auf die Balearen dazu gebucht.
So gibt es auch für Kurzentschlossene noch ausreichend Kapazitäten. Die Stornobestimmungen und andere Optionen, aus dem Reisevertrag kurzfristig wieder rauszukommen, seien der aktuellen Situation angepasst. Denn die kann sich ganz schnell wieder ändern. Vor dem Abflug müssen die Urlauber einen negativen PCR-Test vorlegen und vorab online einen umfangreichen Gesundheits-Fragebogen ausfüllen. Laut aktuellen Meldungen sollen ab sofort alle Reisenden, die mit dem Flugzeug nach Deutschland einreisen, zu einem Corona-Test noch vor dem Abflug verpflichtet werden. Eine Quarantäne ist nach der Rückkehr bislang nicht vorgeschrieben.
Mit „Urlaubsscham“ist auch Petra Etienne-Scherens vom City-Reisebüro
in Bad Saulgau schon mehrfach konfrontiert worden und ärgert sich ebenso wie Martina Michelberger darüber, dass Urlaubern von der Politik ein schlechtes Gewissen eingeredet wird.
Statistiken hätten gezeigt, dass sie eben keine „Superspreader“seien. „Die Leute sind vernünftig und wollen einfach mal raus aus dem CovidModus“, sagt sie. Auch bei ihr herrscht „große Zurückhaltung“bei den Buchungen, und sie wundert sich über die Schlagzeilen in den Medien, die einen völlig falschen Eindruck erwecken.
Auch sie konnte in den vergangenen Monaten mitverfolgen, wie durch den „Zusammenbruch des Tourismus“in vielen Ländern die Armut um ein Vielfaches gewachsen ist. Und kommt in diesem Zusammenhang auf „verantwortungsvollen Tourismus“zu sprechen. „Es wird ein Umdenkungsprozess in Gang kommen“, ist sie überzeugt. Positive Beispiele, wie etwa Projekte vor Ort in den Urlaub eingebunden werden können, gebe es bereits. In Ruanda können Urlauber stundenweise auf Teeplantagen mitarbeiten. Die Zahl der Hotels, die konsequent auf Umweltschutz setzen, wird ihrer Meinung nach weiter zunehmen. „Viele Länder wollen diesen Massentourismus einfach nicht mehr haben“, so Petra Etienne-Scherens. Die CoronaKrise würde diesen Veränderungsprozess spürbar beschleunigen. „Die staatlichen Hilfen reichen keinem von uns“, fügt sie dann hinzu, „die decken lediglich einen gewissen Fixkostenbetrag“.
Diese bittere Erfahrung macht auch der Reiseveranstalter Josef Steinacher aus Ostrach. Er hat in der Vergangenheit überwiegend Busreisen angeboten und ist gerade dabei, sein Unternehmen A+S-Touristik GmbH aufzulösen. Und das mit einer riesigen Portion Frust und Enttäuschung. Denn längst geht es, so der Reiseverkehrskaufmann, um seine Existenz, seine Altersvorsorge und nicht zuletzt um seine Gesundheit. Bevor die Gefahr einer Altersarmut noch größer wird, zieht er die Reißleine. Und er weiß, dass es vielen Kolleginnen und Kollegen nicht anders geht. Die Nerven lägen inzwischen einfach blank. Er zählt sich, so betont er, keineswegs zu den Pandemieleugnern. „Aber der Staat muss dafür sorgen, dass das Krisenmanagement funktioniert“. Doch das sei nicht der Fall.
Er bemängelt unter anderem, dass die Hürden für die Hilfsgelder viel zu hoch sind. Und sich dabei nicht zuletzt das Gefühl einschleicht, ein „potenzieller Betrüger“zu sein. „Das geht einfach gegen meine Ehre“, sagt der Familienvater, der „sein Leben lang gearbeitet hat“. Seine Zukunftspläne sind noch offen, in ein anderes Land auszuwandern wäre möglicherweise eine Option. Doch jetzt geht es erst mal darum, die Betriebsaufgabe abzuwickeln – und dann zu schauen, wie es für ihn und seine Familie weitergeht.