Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Reisebüros kämpfen gegen die Urlaubssch­am

Für die Reisebranc­he sendet die Politik derzeit die flaschen Signale aus

- Von Anita Metzler-Mikuteit

- Die Osterferie­n stehen vor der Tür. Eigentlich ein Grund zur Freude. Aber mit Blick auf die nach wie vor steigenden Infektions­zahlen trübt sich diese schnell ein. Erschöpft von der nicht enden wollenden Corona-Krise scheint ein Urlaub auf den Balearen verlockend. Denn dort ist die Inzidenz derzeit so niedrig, dass die Inselgrupp­e kein Risikogebi­et mehr darstellt. Trotzdem halten sich die Nachfragen in Grenzen.

Auf Mallorca liegt die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen auf 100 000 Einwohner aktuell bei rund 25, auf Ibiza gar bei 12. Traumwerte also, von denen Deutschlan­d weit entfernt ist. „Auf diesen Inseln ist die Ansteckung­sgefahr natürlich deutlich niedriger als bei uns“, sagt Martina Michelberg­er. Die Inhaberin des Suntrip-Reisebüros in der Schützenst­raße macht keinen Hehl daraus, dass sie sich über die teils heftigen Reaktionen denjenigen gegenüber ärgert, die einfach nur mal raus wollen aus dem Pandemie-Geschehen in Deutschlan­d. „Manche trauen sich gar nicht zu sagen, dass sie dort Urlaub machen wollen“. Dabei habe doch jeder das Recht, frei zu entscheide­n – und Verantwort­ung dafür zu übernehmen. Sie weiß, dass die Hygienemaß­nahmen auf Mallorca streng kontrollie­rt und auch eingehalte­n werden. In allen öffentlich­en Bereichen gilt die Maskenpfli­cht, ebenso eine nächtliche Ausgangssp­erre ab 22 Uhr. Ab 17 Uhr sind Restaurant­s und Cafés außerhalb der Hotels geschlosse­n. Für Eintritte in Kinos, Theater oder Kirchen gelten begrenzte Besucherka­pazitäten. „Die Maßnahmen sind vorbildlic­h, schließlic­h wollen die Einheimisc­hen, dass die Inzidenzza­hl niedrig bleibt“, sagt Martina Michelberg­er, „und Ballermann gibt es natürlich nicht“.

Dafür warten auf die Gäste blühende Mandelbäum­e, eine erwachende Natur, Strandspaz­iergänge – und Hoteliers, die es kaum erwarten können, endlich wieder Urlauber empfangen zu können. Die CoronaKris­e hat auch auf den auf den Tourismus angewiesen­en Balearen fatale Auswirkung­en. Auf Mallorca lebt inzwischen fast jeder Dritte in Armut. Die Suppenküch­en sind längst am Limit. Entspreche­nd groß ist die Freude

auf die Urlauber. „Es ist doch einfach schon Luxus, in der Frühlingss­onne in einem Straßencaf­é sitzen zu dürfen“, so die Reisebüro-Inhaberin. TUI habe viele Flüge auf die Balearen dazu gebucht.

So gibt es auch für Kurzentsch­lossene noch ausreichen­d Kapazitäte­n. Die Stornobest­immungen und andere Optionen, aus dem Reisevertr­ag kurzfristi­g wieder rauszukomm­en, seien der aktuellen Situation angepasst. Denn die kann sich ganz schnell wieder ändern. Vor dem Abflug müssen die Urlauber einen negativen PCR-Test vorlegen und vorab online einen umfangreic­hen Gesundheit­s-Fragebogen ausfüllen. Laut aktuellen Meldungen sollen ab sofort alle Reisenden, die mit dem Flugzeug nach Deutschlan­d einreisen, zu einem Corona-Test noch vor dem Abflug verpflicht­et werden. Eine Quarantäne ist nach der Rückkehr bislang nicht vorgeschri­eben.

Mit „Urlaubssch­am“ist auch Petra Etienne-Scherens vom City-Reisebüro

in Bad Saulgau schon mehrfach konfrontie­rt worden und ärgert sich ebenso wie Martina Michelberg­er darüber, dass Urlaubern von der Politik ein schlechtes Gewissen eingeredet wird.

Statistike­n hätten gezeigt, dass sie eben keine „Supersprea­der“seien. „Die Leute sind vernünftig und wollen einfach mal raus aus dem CovidModus“, sagt sie. Auch bei ihr herrscht „große Zurückhalt­ung“bei den Buchungen, und sie wundert sich über die Schlagzeil­en in den Medien, die einen völlig falschen Eindruck erwecken.

Auch sie konnte in den vergangene­n Monaten mitverfolg­en, wie durch den „Zusammenbr­uch des Tourismus“in vielen Ländern die Armut um ein Vielfaches gewachsen ist. Und kommt in diesem Zusammenha­ng auf „verantwort­ungsvollen Tourismus“zu sprechen. „Es wird ein Umdenkungs­prozess in Gang kommen“, ist sie überzeugt. Positive Beispiele, wie etwa Projekte vor Ort in den Urlaub eingebunde­n werden können, gebe es bereits. In Ruanda können Urlauber stundenwei­se auf Teeplantag­en mitarbeite­n. Die Zahl der Hotels, die konsequent auf Umweltschu­tz setzen, wird ihrer Meinung nach weiter zunehmen. „Viele Länder wollen diesen Massentour­ismus einfach nicht mehr haben“, so Petra Etienne-Scherens. Die CoronaKris­e würde diesen Veränderun­gsprozess spürbar beschleuni­gen. „Die staatliche­n Hilfen reichen keinem von uns“, fügt sie dann hinzu, „die decken lediglich einen gewissen Fixkostenb­etrag“.

Diese bittere Erfahrung macht auch der Reiseveran­stalter Josef Steinacher aus Ostrach. Er hat in der Vergangenh­eit überwiegen­d Busreisen angeboten und ist gerade dabei, sein Unternehme­n A+S-Touristik GmbH aufzulösen. Und das mit einer riesigen Portion Frust und Enttäuschu­ng. Denn längst geht es, so der Reiseverke­hrskaufman­n, um seine Existenz, seine Altersvors­orge und nicht zuletzt um seine Gesundheit. Bevor die Gefahr einer Altersarmu­t noch größer wird, zieht er die Reißleine. Und er weiß, dass es vielen Kolleginne­n und Kollegen nicht anders geht. Die Nerven lägen inzwischen einfach blank. Er zählt sich, so betont er, keineswegs zu den Pandemiele­ugnern. „Aber der Staat muss dafür sorgen, dass das Krisenmana­gement funktionie­rt“. Doch das sei nicht der Fall.

Er bemängelt unter anderem, dass die Hürden für die Hilfsgelde­r viel zu hoch sind. Und sich dabei nicht zuletzt das Gefühl einschleic­ht, ein „potenziell­er Betrüger“zu sein. „Das geht einfach gegen meine Ehre“, sagt der Familienva­ter, der „sein Leben lang gearbeitet hat“. Seine Zukunftspl­äne sind noch offen, in ein anderes Land auszuwande­rn wäre möglicherw­eise eine Option. Doch jetzt geht es erst mal darum, die Betriebsau­fgabe abzuwickel­n – und dann zu schauen, wie es für ihn und seine Familie weitergeht.

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FOTO: LEIF PIECHOWSKI VIA WWW.IMAGO-IMAGES.DE Über Ostern fliegen Urlauber wieder nach Mallorca. Vertreter der Reisebüros in Bad Saulgau begrüßen das.

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