Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Handwerksbetriebe bilden trotz Corona verstärkt aus
Viele Handwerksbetriebe im Kammerbezirk der Handwerkskammer Reutlingen möchten trotz Pandemie nach wie vor ausbilden. Denn die Azubis von heute sind die Fachkräfte von morgen und werden händeringend gebraucht.
REGION - Für die Ausbildungsjahre 2021 und 2022 sind in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer über 1600 Lehrstellen gelistet – 35 Prozent mehr als im Januar vergangenen Jahres. „Die Bereitschaft auszubilden, ist nach wie vor da“, erklärt Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen. „Trotz Krise bietet die Berufsausbildung in einem Handwerksbetrieb unverändert gute Berufschancen. Jüngste Meldungen zu einer angeblichen Lehrstellenverknappung kann jedenfalls das Handwerk in unserem Bezirk überhaupt nicht bestätigen. Bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen können wir sogar ein Plus von 0,4 Prozent verzeichnen. Das ist nicht viel, freut uns aber immens. Damit liegen wir im Vergleich zu den anderen sieben baden-württembergischen Handwerkskammern auf dem ersten Platz.“
Auszubildende zu gewinnen ist in Corona-Zeiten schwieriger denn je geworden. Es gibt viel weniger Bewerber auf die offenen Stellen als noch vor ein paar Jahren. Hinzu kommt noch, dass pandemiebedingt Berufsinformationstage und Berufsorientierungsmessen ausfallen, Berufsberatung an Schulen nicht mehr stattfindet und Praktika aufgrund von Kontaktbeschränkungen verschoben oder gleich abgesagt werden. Viele Schülerinnen und Schüler sind verunsichert und fürchten, auf der Strecke zu bleiben. „Das müssen sie nicht sein“, so Joafinden, chim Eisert. „Noch nie standen die Chancen im Handwerk so gut wie heute. Handwerk hat weiterhin Zukunft, auch in der CoronaKrise. In den Betrieben gelten strenge Hygieneauflagen. Und noch ein Plus: kein einziges Lehrverhältnis ist wegen der CoronaKrise aufgelöst worden.“
Wer nichts tut, geht leer aus
Wer jetzt von Seiten der Betriebe das Thema Ausbildung vernachlässige, habe bald ein Problem, sozusagen die Krise nach der Krise, so Christiane Nowottny, Geschäftsbereichsleiterin Berufsausbildung, Prüfungs- und Sachverständigenwesen in der Handwerkskammer. Weitsichtige Unternehmer würden deshalb jetzt gezielt mit ihrem Ausbildungsengagement dem Fachkräftemangel vorbeugen. „Viele beschreiten offensive Wege und machen auf Social-Media-Kanälen Werbung für ihr Unternehnutzen die plakativen Vorlagen der Imagekampagne des Handwerk und tragen ihre offenen Stellen in der Ausbildungsbörse der Handwerkskammer ein“, weiß Christiane Nowottny.
Grundstein für Karriere
Sich für einen Ausbildungsplatz zu entscheiden ist das eine, zu wissen, ob man zusammenpasst das andere. „Momentan ist es die größte Herausforderung, Jugendliche und Betriebe zusammenzubringen“, sagt Christiane Nowottny. „Deshalb greifen wir den Handwerksbetrieben und den Jugendlichen unter die Arme und veranstalten seit dem 1. März ein Online-Speed-Dating. Einfacher geht es wirklich nicht, sich kennenzulernen und herauszumen,
ob es passt. Über 100 Betriebe haben sich schon zum Speed-Dating angemeldet. „Mit dem Azubi-Speed-Dating haben wir im Herbst vergangenen Jahres gute Erfahrungen gemacht. Unser Online-Speed-Dating für Kurzentschlossene kam sehr gut an“, berichtet Nowottny.
Aber auch fernab des Speed-Datings erhalten interessierte Jugendliche Unterstützung von den Beraterinnen und Beratern der Handwerkskammer auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz.
Denn wer heute eine Berufsausbildung im Handwerk beginnt, legt damit den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere. In den nächsten Jahren stehen nämlich viele Betriebe vor der Übergabe – eine gute Chance für alle, die früh Verantwortung übernehmen möchten.