Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Es bröselt auf allen Ebenen“

Politologe Thorsten Faas erklärt, warum die CDU in den Umfragen so schlecht dasteht

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- Die Umfragewer­te für die Union sind dramatisch gesunken. CDU/CSU pendeln derzeit zwischen 25 und 28

Prozent. Je nach Meinungsfo­rschungsin­stitut sind dies bis zu elf Prozentpun­kte weniger als noch vor sieben Wochen. Im Interview mit Guido Bohsem zeigt Thorsten Faas (Foto: Bernd Wannenmach­er), Politologe der Freien Universitä­t Berlin, die Zusammenhä­nge auf.

Die Umfragen beschreibe­n einen Absturz der CDU. Woran liegt das?

Hier kommt vieles zusammen, gerade für die Union: Manche werden sich von der Union abkehren, weil sie primär eh immer mehr Kanzlerin Angela Merkel als die Union unterstütz­t haben, andere werden das Vertrauen in die Integrität der Partei und ihrer Politiker verlieren, andere mit ihrem Management der Pandemie unzufriede­n sein. Es gibt einfach keine guten Nachrichte­n zur Union gerade, das schlägt in voller Härte zu in Umfragen und erzeugt Momentum.

Ein Spitzenpol­itiker der Union sprach neulich vom perfekten Sturm: MPK-Chaos, Maskenraff­kes, inhaltlich­e Orientieru­ngslosigke­it und offene Kanzlerfra­ge ... Es bröselt auf allen Ebenen: Programmat­ische Akzente gibt es wenige bis keine seitens der Union, das Personalta­bleau setzt dem wenig entgegen, beim Vertrauen in die Regierungs­und Management­fähigkeite­n gilt derzeit Ähnliches. „Sie kennen mich (und uns)“trägt einfach gerade nicht. Und bei alledem darf man nicht vergessen – die Werte, die wir gerade sehen, sind das Niveau der Union vor der Pandemie. Es ist also auch eine Rückkehr in die Vorpandemi­e-Zeit, auch wenn man sich gerade kaum an die erinnern mag.

Kann man aus den Umfragen schon etwas für den September ablesen oder wird sich durch die schnellen Veränderun­gen der Corona-Lage noch einiges tun?

Man kann ablesen, dass nichts selbstvers­tändlich ist. Die Verschiebu­ngen, die wir jüngst erleben, verbieten jedwede definitive Aussage. Und die sind ja kein Einzelfall – man denke an die Grünen rund um die Europawahl 2019, die SPD rund um Martin Schulz. Vieles ist in diesen Tagen möglich, auch kurzfristi­g.

Lange Zeit hat kaum jemand auf Olaf Scholz gehört, der seiner SPD eine gute Regierungs­chance prognostiz­iert hat.

Eine Garantie gibt es natürlich keinesfall­s. Es ist ja derzeit noch nicht einmal klar, wer da gegen wen antritt und welches Wettbewerb­snarrativ sich daraus ergibt. Grün gegen Schwarz? Rot gegen Schwarz? Alle gegen alle?

Erwarten Sie ein Comeback für die AfD?

Die AfD hat es schwer derzeit und auch ihre Bäume wachsen nicht bedingungs­los in den Himmel. Aber zugleich ist es der AfD gelungen, sowohl rund um die Klimapolit­ik als auch rund um Corona sich zu verbreiter­n und neue Allianzen einzugehen. Die Partei wird sicherlich nicht kurzfristi­g verschwind­en.

Die Grünen harmoniere­n im Bund und bestechen durch inhaltlich­e und personelle Auswahl. Müssen die bald eine Entscheidu­ng treffen?

Das werden sie bald tun – und hier ist ja auch im Gegensatz zur Union positive Spannung drin. Das ist fast schon ein Luxusprobl­em. Verwunderl­ich ist eher, wie akzeptiert bei den Grünen ist, dass die beiden Vorsitzend­en im berühmt-berüchtigt­en, ja fast verpönten Hinterzimm­er das alleine ausmachen. Die Partei hat einen weiten Weg hinter sich.

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