Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Anti-rassistische Neuformulierung des Grundgesetzes dauert noch
Der Durchbruch ist nun schon fast vier Wochen alt: Anfang März hatten sich die zuständigen Ministerien für Inneres und Justiz darauf geeinigt, wie der umstrittene Begriff „Rasse“im Grundgesetz ersetzt werden soll. Bislang heißt es dort in Artikel 3, niemand dürfe „wegen seiner Rasse“benachteiligt oder bevorzugt werden. Stattdessen solle es künftig „aus rassistischen Gründen“heißen, so die Einigung. Die Grundgesetzänderung ist Teil eines umfangreichen Pakets gegen Rechtsextremismus und Rassismus, auf den sich ein Kabinettsausschuss nach langen Diskussionen bereits Ende letzten Jahres verständigt hatte. Der Ausschuss war eigens nach den Anschlägen von Halle und Hanau eingerichtet worden. Unter Punkt 36 im Maßnahmenkatalog heißt es: „Neuformulierung Artikel 3 Grundgesetz, Ersetzung des Begriffs ‚Rasse’“. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten mit dem Artikel vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus rassistische Diskriminierung ausdrücklich verhindern wollen. Nach Ansicht von Kritikern transportiert die Formulierung aber weiterhin die Vorstellung, dass es tatsächlich menschliche Rassen gibt. Daher die Änderung.
Doch nun stockt das Verfahren. Die eigentlich schon mehrfach geplante Befassung des Kabinetts mit der Neuformulierung lässt auf sich warten. Grund dafür sind Bedenken der Abgeordneten von CDU und CSU. „Eine Einigung mit der Unionsfraktion gibt es noch nicht“, sagt Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU). In der Sache, dem Kampf gegen Rassismus, sei man sich einig, aber „im Detail“gebe es noch Differenzen. Das Detail ist die genaue Formulierung. Mit der Lösung „aus rassistischen Gründen“ist Frei jedenfalls nicht einverstanden: „Ein Verzicht auf das Wort ‚Rasse’ würde einerseits die Vereinbarkeit unserer Rechtstexte mit einer Vielzahl internationaler Konventionen erschweren. Zum zweiten eröffnet das Ersatzwort ‚rassistisch’ zu viele
Unschärfen“, argumentiert er. „Deswegen sollten wir da noch ein wenig mehr Energie investieren.“Für eine Grundgesetzänderung sind Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig. Für einen Kabinettsbeschluss sind die Parlamentarier aber eigentlich nicht zuständig. Beim Koalitionspartner SPD stößt diese Rücksichtnahme daher auf massive Kritik. „Es ist für mich absolut unverständlich, dass das Kanzleramt die Aufsetzung blockiert“, schimpft Fraktionsvize Dirk Wiese. „Die Kanzlerin scheint aktuell ihren Kompass und ihre Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den eigenen Leuten verloren zu haben“. (eha)