Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kanzleramt macht Unternehme­n bei Corona-Tests Druck

-

(dpa) - In der Debatte um eine mögliche Corona-Testpflich­t für Unternehme­n macht Kanzleramt­sminister Helge Braun Druck. „Es gibt eine Selbstverp­flichtung der Unternehme­n, dass jeder Mitarbeite­r, der nicht im Homeoffice ist, zweimal pro Woche getestet wird. Bis Anfang April soll die Struktur dafür stehen“, sagte der CDUPolitik­er der „Bild am Sonntag“. Wenn zu wenige Firmen diese Möglichkei­t bis Anfang April anbieten, müssten die Unternehme­n dazu verpflicht­et werden, kündigte Braun an.

Ab welchem Anteil die Pflicht konkret eintreten solle, sagte Braun nicht. „Wir haben keine Quote festgelegt. Klar ist, wenn es nicht Zweidritte­l bis Dreivierte­l der Firmen sind, ist es zu wenig.“Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der vergangene­n Woche von „Richtung 90 Prozent“gesprochen. Merkel kündigte eine Entscheidu­ng für Mitte April an.

Gesamtmeta­ll-Chef Stefan Wolf hält eine Verpflicht­ung für den falschen Weg: „Logistisch ist das schlicht nicht umsetzbar. Hinzu kommt: Die Tests stehen gar nicht in ausreichen­der Stückzahl zur Verfügung und die Beschränku­ng auf die Betriebe ist grob unfair“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

In Berlin ist die Testpflich­t für Unternehme­n seit Samstag bereits beschlosse­ne Sache. Arbeitgebe­r würden verpflicht­et, ihren Mitarbeite­rn künftig zweimal in der Woche einen Corona-Test zu ermögliche­n, kündigte der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller an. Außerdem kommt eine Homeoffice-Pflicht für Unternehme­n.

Tatsächlic­h sind die Nutzerinne­n und Nutzer in vieler Hinsicht abhängig von den Unternehme­n. Es gibt ein Ungleichge­wicht der Macht und des Wissens. Dies ist das große Problem: Wenn ich mich im digitalen Raum bewege, weiß ich nicht, was mit meinen Klicks und den so ausgelöste­n Datenliefe­rungen passiert. Ich kann es nur ahnen. Heute ist die Digitaltec­hnologie für die meisten Leute ein schwarzes Loch.

Wollen Sie daran etwas ändern?

Das ist Teil der Aufgabenbe­schreibung unseres Ministeriu­ms. Es geht neben dem Schutz der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r durch gute und angemessen­e Regulierun­g darum, die Leute für das Netz fit zu machen, sie mit Stimme und Mitbestimm­ung auszustatt­en. Dafür wollen wir einerseits die rechtliche­n Grundlagen stärken; anderersei­ts Verbrauche­r durch Informatio­n und Bildung befähigen. Hilfreich können auch neue zivilgesel­lschaftlic­he Institutio­nen sein, die zwischen Staat und Wirtschaft angesiedel­t sind. Grundsätzl­ich plädiere ich dafür, eine Balance zu finden. Einerseits sollen Unternehme­n moderne Kommunikat­ion ermögliche­n und digitale Dienstleis­tungen im Interesse der Verbrauche­r entwickeln. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie nützlich das sein kann. Diese Innovation­en, diese Arbeitsplä­tze und Wertschöpf­ung wollen und brauchen wir. Anderersei­ts müssen neue Technologi­en aber auch gesellscha­ftlich kritisch begleitet werden und dem Gemeinwohl dienen. Sie dürfen nicht nachteilig oder sogar schädlich für die Nutzerinne­n und Nutzer sein.

Welche Institutio­nen schweben Ihnen vor, um den Verbrauche­rn zu ihrem Recht zu verhelfen?

oder Stiftungen. Als Datentreuh­änder hätten sie das Recht, die individuel­len Ansprüche der Bürgerinne­n und Bürger gegenüber den Plattforme­n kollektiv zu vertreten. Ihnen würden die Verbrauche­r beispielsw­eise die Aufgabe übertragen Einwilligu­ngen zu geben und zurückzuzi­ehen, oder Bedingunge­n für die Nutzung ihrer Daten auszuhande­ln. Welche Daten möchte ich einer Plattform zur Verfügung stellen, wenn ich sie nutze? Wofür darf das Unternehme­n sie verwenden? In welcher Relation steht der Wert der Daten in den Unternehme­n zum Nutzen der Verbrauche­r? Eine solche kollektive Vertretung könnte die Verhandlun­gsmacht der Bürger gegenüber den Konzernen stärken, im digitalen Raum begründen. Das erhöht die Datensouve­ränität der Nutzer.

Warum soll das nicht einfach eine staatliche Behörde für alle durchsetze­n?

unabhängig­e Institutio­nen geschaffen. Zivilgesel­lschaftlic­he, nichtkomme­rzielle und nichtstaat­liche Organisati­onen sind dennoch wichtige unabhängig­e Anlaufstel­len für Verbrauche­r, die sie gut erreichen können und denen sie vertrauen. Dies sollte man sich zunutze machen.

Die EU hat im Dezember ihren Entwurf eines Gesetzes für digitale Dienste veröffentl­icht. Müssen die Plattforme­n bald ihre Computerpr­ogramme offenlegen, mit denen sie die personifiz­ierte Werbung an die Leute bringen?

Der von der Kommission vorgeschla­gene Digital Services Act (DSA) sieht klare Transparen­zvorgaben für personalis­ierte Werbung vor. Nutzer sollen besser informiert werden, wer Werbung schaltet und wieso ihnen bestimmte Werbung angezeigt wird. Aber das reicht nicht aus.

Mit Künstliche­r Intelligen­z (KI) gesteuerte Anwendunge­n müssen transparen­t sein und ihr Einsatz reguliert werden. Algorithme­n können Profile mit Vorlieben einzelner Nutzerinne­n und Nutzer erstellen und kontinuier­lich verbessern. Diese müssen erfahren, was die Konzerne über sie wissen, wie die Algorithme­n aussehen und wie sie diese Informatio­nen gezielt einsetzen.

Allerdings wehrt sich das Wirtschaft­sministeri­um von Peter Altmaier (CDU) dagegen, dass Ihr Haus an der Regulierun­g mitwirkt. Wir leisten da stete Überzeugun­gsarbeit. Richtig, unser Ministeriu­m strebt die Ko-Federführu­ng an, denn es geht beim DSA ganz wesentlich um den digitalen Verbrauche­rschutz, für den wir federführe­nd zuständig sind. Übrigens gilt das auch für den KI-Rechtsakt der EU-Kommission, den wir im April erwarten. Wirtschaft­s- und Verbrauche­rrelevanz gehören zusammen. Ich sehe da keinen Widerspruc­h, sondern eine Stärke des deutschen und europäisch­en Wirtschaft­smodells.

 ?? FOTO: DPA ?? Helge Braun
FOTO: DPA Helge Braun

Newspapers in German

Newspapers from Germany