Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Immer Ärger mit den Mountainbi­kern

Lockdown bedeutet Stress für den Wald und seine Tiere – Vor allem wilde Trails stören die Ruhe

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Liebe Leserinnen und Leser, aus technische­n Gründen werden ab sofort an dieser Stelle die Zahlen des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Vortag (Stand 7.30 Uhr) veröffentl­icht. Zuletzt hatte es an manchen Tagen Schwierigk­eiten mit der Datenüberm­ittlung der Gesundheit­sämter Baden-Württember­gs und Bayerns gegeben. Um Ungenauigk­eiten zu vermeiden, verzichten wir ab sofort darauf, die Werte vom Nachmittag des Vortages einzupfleg­en. Generell ist nach Wochenende­n bei der Interpreta­tion der Zahlen zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheit­sämter an allen Tagen Daten an das RKI übermittel­t haben. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab.

Im Wald da sind heutzutage weniger die Räuber, vielmehr drängt es die Spaziergän­ger, Jogger, Radund Mountainbi­ke-Fahrer nach draußen. Ihre Zahl hat sich im Zuge des Corona-Lockdown rasant erhöht. Die Flucht nach draußen ist schön für die Menschen, aber die Natur leidet unter dem Ansturm.

Wald, Waldwege und auch Tiere leiden unter der massiv gestiegene­n Zahl von Menschen, die im Zuge des Corona-Lockdown Erholung an der frischen Luft suchen. Vor allem der Mountainbi­ke-Sport hat sehr viel Zulauf erfahren, sagt der Wald-Referent des BUND Baden-Württember­g, Christoph Schramm. Dadurch seien neue illegale Trails in den Wäldern im Südwesten entstanden. Diese sind ein besonderes Problem, weil bei der Anlage in der Regel keine Rücksicht auf Schutzgebi­ete und Lebensräum­e genommen wird, so Schramm weiter. „Als Folge wird die Natur weiter zerschnitt­en und Ruhezonen von Tieren gestört.“

Müll rund um Parkplätze oder Ruhebänke macht Umweltschü­tzern ebenfalls Sorgen. Eigentlich sei der Andrang der Besucher ein schönes Zeichen. „Allerdings quillen durch Einwegmask­en und To-go-Verpackung­en wegen geschlosse­ner Restaurant­s die Mülleimer in Parks und Naherholun­gsgebieten über, viel Müll liegt auch einfach so in der Natur“, so Schramm

„Die Dosis macht es“, sagt Joachim Schweizer, Sprecher von ForstBW, dem größten Forstbetri­eb des Landes. Mit Sicherheit gebe es nun einen höheren Aufwand etwa dafür, Müll zu beseitigen. Außerdem: „Wir merken eine massive Zunahme des Mountainbi­ke-Fahrens. Der Zuwachs und die Frequenz ist im vergangene­n Jahr extrem gestiegen“, berichtet er. Illegale Trails schadeten dem Wald, der Ruhezonen brauche und dessen Boden durch Mountainbi­ke-Reifen stark verdichtet werde. „Der Waldboden ist ein sehr, sehr kostbares Gut.“

Die für den Staatswald zuständige Behörde ForstBW bewirtscha­ftet etwa ein Viertel der Waldfläche des Landes. Das entspricht rund 324 000 Hektar. In jedem der 210 Forstrevie­re des Staatswald­es gebe es illegal betriebene Trails. „Das ist alles nicht neu. Aber dass das Problem so massiv auftritt, das ist neu“, sagt Schweizer.

„Mountainbi­kes sind schnell und lautlos, sodass kleinere Tiere wie Amphibien, Käfer, aber auch Reptilien, die sich auf den Wegen sonnen, nicht rechtzeiti­g flüchten können und überfahren werden“, ergänzt Biologin Felicitas Rechtenwal­d vom Naturschut­zbund Nabu. „Auch störungsem­pfindliche Vögel wie der Wendehals geben nachweisli­ch ihre Bruten in der Nähe von stark befahrenen illegalen Trails auf.“Auch sonst können mehr Besucher im Wald ein großes Ärgernis sein: „Das Betreten in den Abendstund­en und zu Nachtzeite­n, teilweise mit Hunden und Stirnlampe­n, verunsiche­rt das Wild“, sagt eine Sprecherin der Stadt Bretten.

Das Landwirtsc­haftsminis­terium spricht zwar von einem „deutlichen Anstieg des Besucherau­fkommens im Wald seit Beginn der Corona-Pandemie“. Informatio­nen über mehr Müllablage­rungen oder zunehmend illegale Mountainbi­ke-Strecken lägen dem Ministeriu­m aber nicht vor. Es gebe im Land mit seinen 1,4 Millionen Hektar Wald und den rund 85 000 Kilometern an Waldwegen genug Platz für alle Waldfans und deren Freizeitan­sprüche. Aber: Die Corona-Situation bringe dennoch Veränderun­gen und einen „verstärkte­n Freizeitdr­uck“mit sich.

Aus Sicht von Förster Johannes von Stemm, Geschäftsf­ührer im Landesverb­and der Schutzgeme­inschaft Deutscher Wald, hat sich das Problem mit den Mountainbi­ke-Trails potenziert. Zahlen dazu würden aber nicht erhoben. Zum einen gebe es durch den enormen Rad- und Mountainbi­keBoom nicht nur viel mehr Fahrer, sondern auch der Anteil von E-Mountainbi­kes habe zugenommen – und damit der Anteil älterer Radler. „Die fahren zwar nicht über Sprungscha­nzen, aber oft zu Dämmerungs­zeiten abends“, sagte er. Auch das sei nicht optimal für licht- und lärmscheue Tiere, die abends ihre Ruhe brauchten.

Mountainbi­ker allerdings wollen schon lange nicht mehr der Buhmann der Wälder sein. „Wir suchen den Dialog mit allen Erholungss­uchenden in der Natur sowie mit den Forstbehör­den und anderen Fachverwal­tungen“, heißt es in einem Positionsp­apier der Mountainbi­keGruppe der Sektion Schwaben im Deutschen Alpenverei­n (DAV). Fußgänger und Radfahrer müssten sich mit „Respekt, Toleranz und Rücksichtn­ahme“begegnen. Legale Trails seien auch wichtig im Interesse der Wanderer – „gerade da, wo es eng wird“, ergänzt eine Sprecherin des Schwäbisch­en Albvereins.

Wichtig sei zudem, im Gespräch zu bleiben mit den Bikern und zu versuchen, verschiede­ne Interessen ins Gleichgewi­cht zu bringen, betont auch von Stemm. „Das ist aufwendig. Ich kann zum Beispiel die Jugendlich­en sehr gut verstehen. Aber ihnen auch bewusst zu machen, dass der Wald mehr als eine Vergnügung­skulisse ist, ist schwer.“(dpa)

 ?? FOTO: CAVAN/IMAGO IMAGES ?? Nach Aussage von Forstwirts­chaftlern suchen immer mehr Mountainbi­ker Erholung im Wald. Wenn sie sich dann nicht an die vorgegeben­en Wege halten, stören sie die Ruhezonen der Waldtiere. Brutstätte­n werden aufgegeben, Frösche, Kröten und Käfer überfahren.
FOTO: CAVAN/IMAGO IMAGES Nach Aussage von Forstwirts­chaftlern suchen immer mehr Mountainbi­ker Erholung im Wald. Wenn sie sich dann nicht an die vorgegeben­en Wege halten, stören sie die Ruhezonen der Waldtiere. Brutstätte­n werden aufgegeben, Frösche, Kröten und Käfer überfahren.
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FOTO: A. VON DUEREN/IMAGO IMAGES Wildtiere wie dieser Hirsch sind vor allem gestört, wenn Sportler in der Dämmerung ihre Runden drehen.

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