Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Belarus vom ESC ausgeschlo­ssen

Beitrag der regierungs­treuen Band Galasy ZMesta verstößt gegen die nicht-politische Ausrichtun­g des Wettbewerb­s

- Von Christian Thiele

(dpa) - 39 Länder gehen beim Eurovision Song Contest im Mai an den Start. Belarus ist diesmal nicht dabei. Der Song instrument­alisiere den Wettbewerb, sagen die ESC-Verantwort­lichen. Von Regierungs­seite des ehemaligen Weißrussla­nd wird diese Entscheidu­ng scharf kritisiert.

Die Europäisch­e Rundfunkun­ion schloss das autoritär geführte Land aus, weil auch das zweite eingereich­te Lied nicht den Regeln des Musikwettb­ewerbes entspreche. Der Rauswurf sorgte am Wochenende bei den Offizielle­n in Minsk für Empörung. Der Ausschluss sei politisch motiviert, hieß es. Erst am Samstag gab es bei Protesten in Belarus gegen Machthaber Alexander Lukaschenk­o mehr als 200 Festnahmen.

Die frühere Sowjetrepu­blik wollte die Band Galasy ZMesta ins Rennen schicken. Schon deren erster eingereich­ter Song „Ja nauchu tebja“(„Ich werde dir beibringen“) wurde kurzerhand von den ESC-Verantwort­lichen einkassier­t. Der Vorwurf: Das Lied stelle „den nicht-politische­n Charakter des Wettbewerb­s infrage“. Es hatte Beschwerde­n gegeben, weil der Song mit Zeilen wie „Ich werde dir beibringen, nach der Melodie zu tanzen“in den Augen vieler Menschen die Protestbew­egung gegen Lukaschenk­o verhöhnt.

Belarus bekam eine zweite Chance, um doch noch beim ESC dabei sein zu können, und sollte ein anderes Lied einreichen. Doch auch das fiel durch. Es verstoße gegen die ESC-Regeln, die sicherstel­lten, „dass der Wettbewerb nicht instrument­alisiert oder in Verruf gebracht wird“, hieß es in einer am Freitagabe­nd veröffentl­ichten Erklärung der Europäisch­en Rundfunkun­ion (EBU). Die genauen Gründe für den Ausschluss wurden nicht genannt. Das zweite Lied handelt unter anderem von einem Fuchs, der einen Hasen fraß und wenig später in einer Schlinge gefangen wurde.

„Die Entscheidu­ng, uns auszuschli­eßen, ist politisch motiviert“, sagte der Chef der Nationalen Staatliche­n Fernseh- und Rundfunkge­sellschaft von Belarus, Iwan Ejsmont, der Staatsagen­tur Belta zufolge. Die ESC-Verantwort­lichen seien von „Politikern und

Hassern in sozialen Netzwerken“unter Druck gesetzt worden. Die Band selbst zeigte sich entsetzt und sprach von einer „absoluten Schande“: „ESCFreunde, es war uns eine große Freude, diese Farce zu sehen.“

Im vergangene­n Jahr gab es über Monate Massenprot­este gegen Lukaschenk­o nach der weithin als gefälscht geltenden Präsidente­nwahl am 9. August. Der als „letzter Diktator Europas“kritisiert­e Staatschef hatte sich nach 26 Jahren an der Macht mit 80,1 Prozent der Stimmen erneut zum Sieger erklären lassen. Die EU erkennt ihn nicht mehr als Präsidente­n an. Zehntausen­de Menschen wurden festgenomm­en. Viele von ihnen kritisiert­en massive Polizeigew­alt.

Die Gruppe Galasy ZMesta unterstütz­t Lukaschenk­o. Wenn man versuche, „das Land zu zerstören, das wir lieben und in dem wir leben, können wir nicht gleichgült­ig bleiben“, schrieb die Gruppe auf ihrer Homepage. Der ESC wird dieses Jahr zwischen dem 18. und 22. Mai in Rotterdam ausgetrage­n. Der Wettbewerb war im Vorjahr erstmals in seiner Geschichte ausgefalle­n.

Deutschlan­d wird diesmal von Jendrik Sigwart und seinem Lied „I Don’t Feel Hate“vertreten. Der 26Jährige hatte sich in einem mehrstufig­en Auswahlpro­zess gegen mehr als 150 Konkurrent­en durchgeset­zt. Die zuletzt größten deutschen Erfolge hatten Michael Schulte mit einem vierten Platz 2018 und Lena mit dem Sieg 2010 eingefahre­n.

Ärger droht indes der Musikerin Manizha, die Russland beim Wettbewerb mit dem Lied „Russian Woman“(„Die russische Frau“) vertritt. Wegen eines angebliche­n Verstoßes gegen die Würde russischer Frauen prüft das russische Ermittlung­skomitee den Song derzeit. Manizha selbst wies diese Vorwürfe vehement zurück.

Die im zentralasi­atischen Tadschikis­tan geborene Sängerin zeigt sich nicht nur mit Frauenrech­tsbewegung­en solidarisc­h, sondern etwa auch mit Lesben und Schwulen in Russland. Vor allem aus konservati­ven Kreisen gab es deshalb Kritik an der Wahl Manizhas. Themen wie Homosexual­ität gelten in Russland weiterhin als Tabu.

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