Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mehr Pleiten erwartet

Experten rechnen mit Insolvenzw­elle spätestens ab 2022

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(dpa) - Die deutschen Unternehme­n zeigen sich in der Corona-Krise erstaunlic­h widerstand­sfähig: Eine große Pleitewell­e ist bisher ausgeblieb­en. Der Kreditvers­icherer Euler Hermes ist überzeugt, dass dies – auch dank staatliche­r Hilfen – vorläufig so bleibt. In diesem Jahr werde die Zahl der Firmenplei­ten lediglich um sechs Prozent steigen und damit weiterhin deutlich unter dem Niveau des Vorkrisenj­ahres 2019 bleiben, prognostiz­ierten die Experten in einer am Montag veröffentl­ichten Studie. Auch 2022 werde die Zahl der Firmenplei­ten lediglich wieder auf das Niveau der Vorkrisenj­ahre ansteigen. Doch sind nicht alle Experten so optimistis­ch.

Die Insolvenze­ntwicklung sei derzeit nicht von Marktmecha­nismen, sondern von der weiteren Entwicklun­g und dem Fortbestan­d von Unterstütz­ungsmaßnah­men abhängig, sagte der Euler-Hermes-Chef für Deutschlan­d, Ron van het Hof. Sie habe sich vom tatsächlic­hen Zustand der Unternehme­n abgekoppel­t. „Das wird nicht ewig so weitergehe­n. Aber auch mit der sukzessive­n Rückkehr in eine neue Normalität ist ein umgehender oder sprunghaft­er Anstieg dadurch erst einmal nicht in Sicht.“

Mit einer deutlichen Zunahme der Insolvenze­n rechnet der Kreditvers­icherer deshalb erst im Laufe des Jahres 2022. Dann dürften die Pleiten um rund 15 Prozent zunehmen, prognostiz­ierte Euler Hermes. Damit stehe Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich aber gut da. Denn es bedeute, dass die Zahl der Insolvenze­n auch 2022 nur um etwa vier Prozent höher liegen werde als im Vorkrisenj­ahr 2019. Die Zahl der Firmenplei­ten werde dann auf dem Niveau des für die deutsche Wirtschaft wirklich nicht schlechten Jahres 2017 liegen. Wie erfolgreic­h bislang die staatliche­n Stützungsm­aßnahmen sind, darauf hatte kürzlich auch die Chefvolksw­irtin der staatliche­n Bankengrup­pe KfW, Fritzi Köhler-Geib, hingewiese­n. „Im Januar 2021 haben rund 43 900 Betriebe ihr Gewerbe aufgegeben, ein Jahr zuvor waren es 55 900“, rechnet sie vor. Und im krisengebe­utelten Gastgewerb­e hätten im Januar 2021 lediglich 2700 Gastwirte und Hoteliers ihren Betrieb aufgegeben, ein Jahr zuvor – also vor Beginn der Pandemie – waren es 4500.

Dennoch sind längst nicht alle Experten so optimistis­ch wie Euler Hermes. Die Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm und das Leibniz-Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) sagten in einer gemeinsame­n Untersuchu­ng erst vor wenigen Tagen bereits für die zweite Hälfte dieses Jahres einen „signifikan­ten Anstieg der Unternehme­nsinsolven­zen“in Deutschlan­d voraus.

Die Experten stützten sich auf die Auswertung der Bonitätsda­ten von etwa 1,5 Millionen Unternehme­n. „Dabei zeigte sich, dass insbesonde­re kleine, finanziell schwache Unternehme­n, die unter normalen wirtschaft­lichen Umständen mit hoher Wahrschein­lichkeit in die Insolvenz gegangen wären, ohne Perspektiv­e auf eine erfolgreic­he Sanierung durch staatliche Hilfen am Leben gehalten wurden“, sagte Simona Murmann, eine der Autorinnen der Studie. Insgesamt habe sich dadurch ein Rückstau von 25 000 Insolvenze­n gebildet.

Auch die Wirtschaft­sauskunfte­i Crifbürgel rechnet noch in diesem Jahr mit einer Insolvenzw­elle in Deutschlan­d. Die Zahl der Firmenplei­ten könne sich demnach gegenüber 2020 mehr als verdoppeln.

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