Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Campus Galli startet in die Saison
Bau der Scheune und des Abtnebenhauses stehen als Großprojekte auf dem Plan
- Ein wolkenverhangener Himmel und ein verwaister Parkplatz – fast wirken die extra ausgewiesenen Behindertenparkplätze und die Parkbuchten für Busse wie ein Hohn. Gähnende Leere vor den Toren des Campus Galli, der am Samstag offiziell in seine diesjährige Saison gestartet ist. Und auch wenn sich mit Betreten der Klosterbaustelle nahe Meßkirch das frühe Mittelalter offenbart, so ist auch hier die neuzeitliche Pandemie allgegenwärtig.
Mit den Worten „Willkommen zur trostlosesten Saisoneröffnung aller Zeiten“wendet sich Geschäftsführer Hannes Napierala an die Handvoll Besucher – neu eingestellte Mitarbeiter und Pressevertreter. Ihm zur Seite das Kamerateam und Anton Oschwald, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins „Karolingische Klosterstadt“. Auch er bedauert das Fehlen der Besucher, spontan fällt ihm Gerlinde Kretschmann ein, „die heute garantiert als eine der ersten eine Jahreskarte gekauft hätte“.
Beim anschließenden, knapp dreistündigen Rundgang geben Napierala und Oschwald Einblicke in laufende und geplante Projekte. Dass der Rundweg sich eher wie ein Spinnennetz verzweigt, ist beabsichtigt, sollen doch die Werkstätten verdichtet und die Zusammenhänge besser aufgezeigt werden können.
Vorbei beim Holzhandwerker und der Gallus-Eremitage, die einst auf dem Klosterplatz in St. Gallen stand, geht es zum ersten der zwei geplanten Großprojekte. Der Bau der Scheune und die Schaffung des Abtsnebenhauses sind in diesem Jahr anvisiert, Napierala nennt es das „Pflichtprogramm“.
Ein Hüttenanbau neben der Schmiede wäre Teil der Kür.
Mit dem Bau der Scheune soll das bisher größte Bauwerk auf der Klosterbaustelle entstehen. Dicke Balken, mächtige Trägerpfosten und gebundenes Stroh liegen bereits fertig vorbereitet auf dem Scheunenplatz und lassen das Ausmaß des zukünftigen Gebäudes erahnen. Einen Steinwurf entfernt sind Handwerker in mittelalterlichem Gewand mit dem Anlegen einer Zisterne beschäftigt. Wenn der Plan aufgeht, soll dieser Wasserspeicher auch gleichzeitig noch einem kleinen Enten- und Gänseteich dienen.
Einige Schritte weiter ist der Paradiesgarten mit seinen Obstbäumen zu finden. Die weiße Steinmauer reflektiert wunderbar das Sonnenlicht, aber Napierala treiben andere Gedanken um. Das „Rezept“für den richtigen Mörtel zu finden und die Umsetzung mit den möglichen Arbeitstechniken. „Die Lösung muss historisch passen und kein Mitarbeiter darf gefährdet werden“, denn die Arbeit mit Kalk ist nicht ungefährlich. Eine der vielen Herausforderungen,
denen sich Napierala gern stellt. Er nennt es „experimentelle Archäologie“.
Vor der Töpferwerkstatt sitzt Silke Köhler und flechtet aus geschälter und geschnittener Weide ein Sieb, das für das Ausspülen des Tongemisches benötigt wird. Geduldig legt sie die schmalen Riemen aneinander, ab und zu muss sie nachjustieren. 2014 hat sie ehrenamtlich auf dem Campus angefangen, seit 2018 gehört sie zu den rund 35 Festangestellten. In unmittelbarer Nachbarschaft der Töpferei befindet sich die Schmiede.
Im für den Betrachter angenehm warmen Schmiedefeuer entstehen unter anderem Riegel und Beschläge für das Eingangstor zum Paradiesgarten. Bewegung auch in der Drechslerei: An der Wippbogen – Drechselbank ist Beinarbeit gefragt, die filigraneren Resultate zeigt Napierala mit Mund-Nasen-Schutz ein paar Meter weiter im Innern der Holzkirche: Ornamente verzieren die Balken.
Es ist Mittagszeit, vom Glockenturm erklingt ein Läuten. Es ist der Klang der Bronzeglocke, deren aufwendiger Guss 2018 nach mehreren missglückten Anläufen gelungen ist. „Ein Moment, den ich nie vergessen werde“, kommentiert Napierala. Für besonderes Entzücken, vor allem bei den neuen Mitarbeiterinnen, sorgen die vierbeinigen Bewohner des Schaf- und Ziegengeheges. Und im Schweinestall, der neben einer Sau noch ein Düppeler Weideschwein aus einer Rückzucht beherbergt, hofft das Team auf baldigen Nachwuchs.
Raus aus dem Wald, rauf aufs Feld geht es zum Ende des Rundgangs. Einen halben Hektar groß ist der Acker, der somit viel Raum für den Anbau von Urgetreide bietet. Etwas Kopfzerbrechen bereitet Napierala und seinem Team noch die Hülbe, die zwar mühevoll angelegt wurde, aber leider noch nicht den gewünschten Nutzen bringt. Aber auch das macht den Campus Galli aus: Er ist Mittelalterbaustelle, Freilichtmuseum und Forschungsprojekt in einem. „Wir haben viel vor, aber es braucht auch immer erst viel Hintergrundarbeit, bis der erste Spatenstich erfolgen kann“, sagt Napierala. Und selbst dann ist es noch kein Garant, dass die Arbeit auch wie geplant gelingt.