Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Würde des Behäbigen ist antastbar
Die Leibesertüchtigung an Schulen leidet ebenso unter Corona wie so vieles andere auch. Für manche Schüler, die dem Bewegungsdrang kritisch gegenüberstehen, kann diese Zeit aber auch etwas Entlastendes haben. Denn kaum ein anderes Fach ist so stark vom Konkurrenzgedanken geprägt. Was naturgemäß zur Bloßstellung derer führt, die sich nach einer gewissen Gemütlichkeit sehnen und diese auch mit Behäbigkeit illustrieren.
Der Demütigungsklassiker im Sportunterricht ist gewiss die Mannschaftsbildung. Bei diesem selektiven Vorgang wählen jeweils zwei Schüler aus der restlichen Klasse im Wechsel ihre Wunschathleten aus, um dann im Fußball oder Völkerball gegeneinander anzutreten. Und dabei dauert es nicht lange, bis die Übriggebliebenen einsam am Spielfeldrand stehen und gezwungen sind, sich selbst mit Feilschen noch in eine Mannschaft zu betteln. Freilich gelingt das nicht allen – am Ende bleibt meistens eine oder einer übrig.
Die Engländer haben für diesen menschlichen Restposten eine lyrische Formulierung, nämlich: „The last turkey in the shop“. Übersetzt heißt das etwa „der letzte Truthahn im Laden“, was jemanden als Ladenhüter etikettiert.
Natürlich wirkt es auf unsportliche Personen wenig motivierend, in dieser Weise bloßgestellt zu werden. Deshalb sind Menschen auch auf die Idee gekommen, Disziplinen wie Schach, Motorbootfahren oder Golf zu Sportarten zu erklären. Dabei ist sich jeder selbst die eigene Mannschaft, und es wird sichergestellt, dass auch die Würde des Gemächlichen unantastbar ist. (nyf)