Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Rapp will Modellversuch erst bei niedriger Inzidenz
Gastronomie und Handel in Ravensburg begrüßen den Vorstoß – Wie es derzeit um die Chancen für ein solches Projekt steht
- Der Ravensburger Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU) hat Verständnis dafür, dass das Land angesichts der derzeitigen Infektionslage keine neuen Modellversuche à la Tübingen im Land genehmigt. In einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat und Amtsleiter der Stadtverwaltung kündigt er aber an, dass sich die Stadt darauf vorbereiten wolle, bei niedrigeren Inzidenzwerten vorsichtige Öffnungsschritte – begleitet von einer intensiven Teststrategie – zu wagen.
„Wie Sie sicher den Medien entnommen haben, wurde von der Landesregierung beschlossen, dass derzeit keine weiteren sogenannten Modell-Kommunen (Öffnungen mit Hygienekonzepten und begleitenden Schnellteststrategien) zugelassen werden“, schreibt Rapp. „Diese Entscheidung ist angesichts der Ausbreitung der Mutanten nachvollziehbar. Das Infektionsgeschehen deutschlandweit lässt so etwas im Moment als kontraproduktiv erscheinen.“Die Hauptinfektionsherde in Ravensburg seien zwar – wie anderenorts auch – Schulen, Kitas und private Treffen. „Aber natürlich ist jede Art von Kontaktvermeidung derzeit konstruktiv.“
Die Stadt bereite sich allerdings auf die Zeit vor, wenn die Corona-Pandemie wieder abflaue, die Inzidenzzahlen also sinken. „Dann werden wir in Ravensburg bereitstehen für smarte, intelligente, digitale und vor allem sichere und verantwortungsvolle Öffnungsschritte. Sowohl im Bereich des Einzelhandels als auch der Gastronomie und auch in weiteren Bereichen. Wir müssen trotz aller Schwierigkeiten jetzt zuversichtlich nach vorne schauen.“
In Tübingen, wo Mitte März Einzelhandel, Außengastronomie und
Theater versuchsweise für Besucher mit tagesaktuellem negativem Schnelltest geöffnet wurden, waren die Zahlen vor Ostern sowohl in der Stadt als auch im Landkreis rasant gestiegen. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) machte dafür unter anderem Alkohol trinkende und Party feiernde Jugendliche verantwortlich. Zudem wurde den Verantwortlichen von Projekt-Kritikern eine mangelhafte wissenschaftliche Begleitung vorgeworfen. Mittlerweile musste dort die Außengastronomie schon wieder geschlossen werden. Über die Feiertage
gingen die Zahlen wieder leicht herunter, was aber damit zusammenhängen könnte, dass an Ostern weniger getestet wurde. Laut RobertKoch-Institut ist erst Mitte April wieder mit aussagekräftigen SiebenTage-Inzidenzwerten zu rechnen, wenn sich die Ostertage nicht mehr auswirken. Das Land Baden-Württemberg lehnt es in der momentan heiklen Phase der Corona-Pandemie ab, weitere Modellversuche zu genehmigen.
Ab welcher Inzidenz eine modellhafte Öffnung in Ravensburg verantwortbar wäre, vermag auch der Vorsitzende des Gastgewerbe-Verbands Dehoga im Kreis Ravensburg, Max Haller, nicht sagen. Das müsse man die Virologen fragen. Die Gastronomie und Hotellerie würde einen Modellversuch begrüßen: Die Betriebe haben ihre Hausaufgaben gemacht, wie Haller sagt, der das Restaurant Fürstliche Waldburg betreibt. Hygienekonzepte lägen vor, eine Platzanweisung für Gäste sei vorgesehen, auch die Luca-App wollen viele Betriebe bei einer Wiedereröffnung verwenden, um die Behörden bei der Kontaktnachverfolgung zu unterstützen. „Wir wissen gar nicht, was wir noch tun sollen“, so Haller.
Haller versichert aber auch, dass er das Virus keineswegs unterschätze: Er war selber mit der britischen Mutante des Virus infiziert, wie er erzählt. Es sei nicht klar, wo er sich angesteckt habe. Seiner Vermutung nach könne es nur beim Einkaufen passiert sein. Obwohl er die Krankheit mit einem nicht gerade leichten Verlauf erlebt hat, sagt er: „Wir können nicht alles die nächsten zehn Jahre geschlossen lassen bis das Virus verschwunden ist. Wir müssen irgendwann zu einer Normalität zurückkehren.“Er erwarte schon längst von der Bundespolitik deutlichere Fortschritte, etwa das schnelle Erreichen einer gewissen Impfquote – wenn es nach ihm ginge auch unter einem neuen Gesundheitsminister, der andere Wege gehe als der Amtsinhaber von der CDU, Jens Spahn.
Auch der Verein Wirtschaftsforum Pro Ravensburg (Wifo), der etliche Innenstadthändler vertritt, unterstützt Rapps Vorstoß, wenngleich man ebenfalls sieht, dass eine Inzidenz unter 100 dafür notwendig wäre. Wifo-Geschäftsführer Eugen Müller lobt vor allem die Ravensburger Unternehmer, die die Firma „Gemeinsam neue Wege“gegründet und eine Testinfrastruktur aus dem Boden gestampft haben. Diese wächst schon seit Wochen – damit bringe Ravensburg die Voraussetzungen für das Modellprojekt mit.