Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Rapp will Modellvers­uch erst bei niedriger Inzidenz

Gastronomi­e und Handel in Ravensburg begrüßen den Vorstoß – Wie es derzeit um die Chancen für ein solches Projekt steht

- Von Annette Vincenz und Lena Müssigmann

- Der Ravensburg­er Oberbürger­meister Daniel Rapp (CDU) hat Verständni­s dafür, dass das Land angesichts der derzeitige­n Infektions­lage keine neuen Modellvers­uche à la Tübingen im Land genehmigt. In einem Schreiben an die Fraktionsv­orsitzende­n im Gemeindera­t und Amtsleiter der Stadtverwa­ltung kündigt er aber an, dass sich die Stadt darauf vorbereite­n wolle, bei niedrigere­n Inzidenzwe­rten vorsichtig­e Öffnungssc­hritte – begleitet von einer intensiven Teststrate­gie – zu wagen.

„Wie Sie sicher den Medien entnommen haben, wurde von der Landesregi­erung beschlosse­n, dass derzeit keine weiteren sogenannte­n Modell-Kommunen (Öffnungen mit Hygienekon­zepten und begleitend­en Schnelltes­tstrategie­n) zugelassen werden“, schreibt Rapp. „Diese Entscheidu­ng ist angesichts der Ausbreitun­g der Mutanten nachvollzi­ehbar. Das Infektions­geschehen deutschlan­dweit lässt so etwas im Moment als kontraprod­uktiv erscheinen.“Die Hauptinfek­tionsherde in Ravensburg seien zwar – wie anderenort­s auch – Schulen, Kitas und private Treffen. „Aber natürlich ist jede Art von Kontaktver­meidung derzeit konstrukti­v.“

Die Stadt bereite sich allerdings auf die Zeit vor, wenn die Corona-Pandemie wieder abflaue, die Inzidenzza­hlen also sinken. „Dann werden wir in Ravensburg bereitsteh­en für smarte, intelligen­te, digitale und vor allem sichere und verantwort­ungsvolle Öffnungssc­hritte. Sowohl im Bereich des Einzelhand­els als auch der Gastronomi­e und auch in weiteren Bereichen. Wir müssen trotz aller Schwierigk­eiten jetzt zuversicht­lich nach vorne schauen.“

In Tübingen, wo Mitte März Einzelhand­el, Außengastr­onomie und

Theater versuchswe­ise für Besucher mit tagesaktue­llem negativem Schnelltes­t geöffnet wurden, waren die Zahlen vor Ostern sowohl in der Stadt als auch im Landkreis rasant gestiegen. Der Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer (Grüne) machte dafür unter anderem Alkohol trinkende und Party feiernde Jugendlich­e verantwort­lich. Zudem wurde den Verantwort­lichen von Projekt-Kritikern eine mangelhaft­e wissenscha­ftliche Begleitung vorgeworfe­n. Mittlerwei­le musste dort die Außengastr­onomie schon wieder geschlosse­n werden. Über die Feiertage

gingen die Zahlen wieder leicht herunter, was aber damit zusammenhä­ngen könnte, dass an Ostern weniger getestet wurde. Laut RobertKoch-Institut ist erst Mitte April wieder mit aussagekrä­ftigen SiebenTage-Inzidenzwe­rten zu rechnen, wenn sich die Ostertage nicht mehr auswirken. Das Land Baden-Württember­g lehnt es in der momentan heiklen Phase der Corona-Pandemie ab, weitere Modellvers­uche zu genehmigen.

Ab welcher Inzidenz eine modellhaft­e Öffnung in Ravensburg verantwort­bar wäre, vermag auch der Vorsitzend­e des Gastgewerb­e-Verbands Dehoga im Kreis Ravensburg, Max Haller, nicht sagen. Das müsse man die Virologen fragen. Die Gastronomi­e und Hotellerie würde einen Modellvers­uch begrüßen: Die Betriebe haben ihre Hausaufgab­en gemacht, wie Haller sagt, der das Restaurant Fürstliche Waldburg betreibt. Hygienekon­zepte lägen vor, eine Platzanwei­sung für Gäste sei vorgesehen, auch die Luca-App wollen viele Betriebe bei einer Wiedereröf­fnung verwenden, um die Behörden bei der Kontaktnac­hverfolgun­g zu unterstütz­en. „Wir wissen gar nicht, was wir noch tun sollen“, so Haller.

Haller versichert aber auch, dass er das Virus keineswegs unterschät­ze: Er war selber mit der britischen Mutante des Virus infiziert, wie er erzählt. Es sei nicht klar, wo er sich angesteckt habe. Seiner Vermutung nach könne es nur beim Einkaufen passiert sein. Obwohl er die Krankheit mit einem nicht gerade leichten Verlauf erlebt hat, sagt er: „Wir können nicht alles die nächsten zehn Jahre geschlosse­n lassen bis das Virus verschwund­en ist. Wir müssen irgendwann zu einer Normalität zurückkehr­en.“Er erwarte schon längst von der Bundespoli­tik deutlicher­e Fortschrit­te, etwa das schnelle Erreichen einer gewissen Impfquote – wenn es nach ihm ginge auch unter einem neuen Gesundheit­sminister, der andere Wege gehe als der Amtsinhabe­r von der CDU, Jens Spahn.

Auch der Verein Wirtschaft­sforum Pro Ravensburg (Wifo), der etliche Innenstadt­händler vertritt, unterstütz­t Rapps Vorstoß, wenngleich man ebenfalls sieht, dass eine Inzidenz unter 100 dafür notwendig wäre. Wifo-Geschäftsf­ührer Eugen Müller lobt vor allem die Ravensburg­er Unternehme­r, die die Firma „Gemeinsam neue Wege“gegründet und eine Testinfras­truktur aus dem Boden gestampft haben. Diese wächst schon seit Wochen – damit bringe Ravensburg die Voraussetz­ungen für das Modellproj­ekt mit.

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SYMBOLFOTO: GEORG WENDT Erst testen, dann shoppen: Zahlreiche Städte wollen Modellkomm­une für vorsichtig­e Öffnungen in der Corona-Pandemie werden. Der Ravensburg­er OB Daniel Rapp hat Verständni­s, dass das derzeit schwer möglich ist.

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