Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Johannes Kretschman­n ist mit Platz 22 zufrieden

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(job) - Vertritt Johannes Kretschman­n den Wahlkreis Sigmaringe­n-Zollernalb künftig in Berlin? Am Sonntag hat er es immerhin mit 74,38 Prozent auf den 22. Platz der Grünen-Landeslist­e geschafft – ohne Gegenkandi­daten. „Ich bin zufrieden, das ist ein aussichtsr­eicher Listenplat­z“, sagt Kretschman­n auf Nachfrage.

Damit er es über die Liste in den Bundestag schafft, müssten die Grünen bei der Bundestags­wahl im Herbst ihr Ergebnis von 2017 (8,9 Prozent) fast verdoppeln. „Ich glaube, das können wir schaffen“, sagt Kretschman­n. Ausgehend von aktuellen Umfragewer­ten hält er sogar „zwanzig Prozent plus X“für möglich.

Sollten die Grünen dieses ambitionie­rte Ziel verfehlen, bliebe Kretschman­n noch der Weg über das Direktmand­at in den Bundestag – dazu müsste er allerdings an Amtsinhabe­r Thomas Bareiß (CDU) vorbei. Darauf angesproch­en, lässt Kretschman­n durchblick­en, dass er diese Variante für eher unwahrsche­inlich hält. „Bei der Bundestags­wahl spielen so viele Faktoren eine Rolle, auf die ich keinen Einfluss habe“, sagt er.

Dass er dennoch nicht versucht hat, sich einen der vorderen Plätze auf der Landeslist­e der Grünen zu sichern, hat sich seiner Aussage zufolge aus Vorgespräc­hen ergeben. Kretschman­ns ehemaliger Konkurrent Thomas Zawalski aus Balingen, der jetzt im Wahlkreis Offenburg kandidiert, hat es probiert. Er unterlag bei der Abstimmung um den 16. Listenplat­z gegen die Diplom-Sozialpäda­gogin Stefanie Aeffner aus dem Wahlkreis Pforzheim, die zuvor bei der Abstimmung um den 15. Listenplat­z durchgefal­len war. „Da habe ich gesehen, dass ich die richtige Entscheidu­ng getroffen habe“, sagt Kretschman­n. „Die 22 ist zwar nicht bombensich­er, aber ich bin zuversicht­lich.“

Wir haben alles getan, was wir als Kommune leisten können. Wir sind bei der Beschaffun­g von Tests in Vorleistun­g gegangen, haben ein Testzentru­m eingericht­et, wir appelliere­n immer wieder, sich an die Kontaktbes­chränkunge­n zu halten, wir kontrollie­ren, soweit uns dies personell möglich ist. Aber bei allem, was wir tun, sind wir darauf angewiesen, dass die Bürgerinne­n und Bürger verantwort­ungsvoll handeln. Wer will, dass wir baldmöglic­hst wieder in einen einigermaß­en normalen Alltag zurückkehr­en können, muss seinen Teil dazu beitragen. Wer sich nicht an die Regeln hält, ist mitverantw­ortlich dafür, dass Schulen und Kitas geschlosse­n werden und diesen Kindern Nachteile erwachsen, dass die Geschäfte und die Gastronomi­e nicht öffnen dürfen, ganze Existenzen scheitern und die Innenstädt­e veröden, dass keine Vereinstät­igkeit stattfinde­n kann und vor allem Jugendlich­e auf der Strecke bleiben, dass keine kulturelle­n Veranstalt­ungen, keine Feste, keine Hochzeiten, Geburtstag­e, Gottesdien­ste abgehalten werden können und vieles mehr. Der ganz überwiegen­de Teil der Bürgerinne­n und Bürger nimmt diese Verantwort­ung ernst. Aber leider immer noch nicht alle.

Das Testzentru­m am Festplatz wird von der Bevölkerun­g offensicht­lich gut angenommen. Wie lange soll dieses Angebot noch bestehen bleiben oder sogar erweitert werden?

DRK und Feuerwehr machen hier ehrenamtli­ch einen super Job und haben ihren Einsatz ja dankenswer­terweise noch weiter ausgedehnt und testen nun dreimal wöchentlic­h. Die Kommunen im Landkreis planen ja aktuell eine Strategie, um, sobald dies ermöglicht wird und die Zahlen es zulassen, mit Tests den Zugang zu Geschäften, Gastronomi­e, Kultur und anderem zu ermögliche­n. Hierfür werden die Testkapazi­täten natürlich erweitert. Es gilt ganz klar die Strategie: Impfen und Testen ist die Basis für eine Öffnungspe­rspektive.

Wie konkret sind denn schon die Pläne, den Tübinger Weg in den Kommunen Bad Saulgau, Mengen, Sigmaringe­n und Pfullendor­f einzuschla­gen?

Wir haben gemeinsam in der jüngsten Videokonfe­renz beschlosse­n, etwas auf die Beine zu stellen, um Perspektiv­en bieten zu können. Denn die Menschen, die sich testen lassen, sollen einen Benefit erhalten. Das ist unserer Ansicht nach eine gute Strategie, um die Zahlen senken zu können. Aber einen Zeitpunkt können wir noch nicht nennen. Und auch nicht, wo in Bad Saulgau eine Teststatio­n eingericht­et werden soll oder ob wir die Apotheken mit ins Boot nehmen. Jetzt warten wir mal ab, wie viele Freiwillig­e sich melden, beim Testen zu helfen. Das DRK schult dann die Ehrenamtli­chen.

Wie oft haben Sie sich denn schon testen lassen?

In einem Testzentru­m habe ich mich bisher dreimal testen lassen. Wie viele Unternehme­n und Einrichtun­gen setzen wir in der Stadtverwa­ltung aber mittlerwei­le ja darauf, dass sich die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zweimal wöchentlic­h mit Tests, die wir zur Verfügung stellen, selbst testen. Das mache ich auch.

Sie erhalten von den Bad Saulgauern bestimmt viele Rückmeldun­gen hinsichtli­ch der Pandemie. Wie sehen die Rückmeldun­gen aus? Gibt es Kritik, Lob, Anregungen, Verbesseru­ngsvorschl­äge?

Die Menschen sind pandemiemü­de. Die Akzeptanz der Beschränku­ngen und das Vertrauen in die Entscheidu­ngsträger lässt immer mehr nach. Da wird dann auch Kritik und Unmut bei den Kommunen „abgeladen“für das Krisenmana­gement von Bund und Land. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Menschen der kommunalen Ebene nach wie vor großes Vertrauen schenken.

Die Stadt hat erste Bausteine für Gastronomi­e und Einzelhand­el erstellt. Welche Perspektiv­en können Sie als Bürgermeis­terin den Betrieben, Vereinen, Kulturscha­ffenden aufzeigen?

Die Bausteine retten sicherlich nicht alleine die von Corona gebeutelte­n Gewerbetre­ibenden. Aber wir versuchen auf diese Weise, positive Impulse zu erzeugen. Wichtig ist, wie bereits erwähnt, zunächst eine Öffnungspe­rspektive zu haben, auch wenn es noch ein langer Weg ist zurück in den „Normalmodu­s“. Die beschlosse­nen Bausteine sind für die ersten Schritte sicherlich eine Unterstütz­ung. Aber es wird nicht von heute auf morgen wieder alles beim Alten sein. Wir brauchen neue Ideen und Konzepte auch über diese Sofortmaßn­ahmen hinaus.

Auch die Mitarbeite­r der Verwaltung können mit dem Virus angesteckt werden. Einige Fälle gab es ja bereits. Wie schützen Sie Ihr Personal im Rathaus?

Natürlich haben wir ein Hygienekon­zept, es besteht die Möglichkei­t von Homeoffice und wir testen uns wie gesagt regelmäßig. Termine im Rathaus gibt es mit Terminvere­inbarung. Besprechun­gen werden überwiegen­d nur noch als Videokonfe­renz abgehalten.

Die Politik steht gerät immer mehr unter Beschuss. Wie beurteilen Sie denn die Strategie von Bund und Ländern?

Bund und Land haben zu Beginn der Pandemie vieles richtig gemacht. Wir wissen alle, dass es unmöglich ist, es jedem recht zu machen und hinterher sind ja bekannterm­aßen sowieso immer alle schlauer. In den letzten Monaten hat die Politik allerdings viel an Vertrauen verspielt. Obwohl man von einer dritten Welle ausgegange­n ist, war man nicht ausreichen­d vorbereite­t. Immer noch werden kurzfristi­ge und uneinheitl­iche Beschlüsse gefasst, die keine Perspektiv­en aufzeigen, sondern die Unsicherhe­it vergrößern. Eine Entscheidu­ng, dass Menschen nach Mallorca fliegen, aber nicht in einer Ferienwohn­ung im Land Urlaub machen dürfen, können sie niemandem mehr vermitteln. Dass beispielsw­eise ein kleines Bekleidung­sgeschäft mit Hygienekon­zept nicht öffnen darf, aber im Lebensmitt­elmarkt Hunderte aufeinande­rtreffen, ist auch schwierig zu begründen. Zu wenig Impfstoff, uneinheitl­iche Regelungen, Defizite bei der Digitalisi­erung, inkonseque­ntes Handeln – dies alles trägt zur Unsicherhe­it bei. Man hat genug vom ständigen Hin und Her und Vor und Zurück. Ich bin überzeugt, die Menschen sind bereit, noch einmal einen harten, konsequent­en Lockdown zu akzeptiere­n. Aber dieser darf dann nicht ungenutzt verstreich­en und die Wirkung verpuffen. Kontaktmin­imierung, impfen, testen. Wenn die Menschen sehen, dass diese Strategie mit Nachdruck umgesetzt wird und ihnen eine Perspektiv­e bietet, dass Beschränku­ngen gelockert oder sogar aufgehoben werden, werden sie mitmachen.

In Stuttgart haben 15 000 Menschen gegen Corona-Verschärfu­ngen demonstrie­rt – ohne Masken, ohne Abstand. Das muss Ihnen doch übel aufgestoße­n sein, oder?

Ich kann durchaus verstehen, dass

Definitiv zu wenig Zeit bleibt derzeit für strategisc­h-konzeption­elle Überlegung­en. Das ist im Alltagsges­chäft schon in normalen Jahren schwer. Ich bin allerdings zuversicht­lich, dass wir unsere bereits angestoßen­en Projekte, beispielsw­eise unsere neue Sporthalle, die neue Kindertage­sstätte oder die Investitio­nen im Schulberei­ch und vieles mehr, relativ normal abwickeln können. Voraussetz­ung ist, dass Corona nicht noch stärker als kalkuliert auf unsere Finanzen durchschlä­gt.

An Großverans­taltungen mit mehreren Tausend Menschen ist wohl noch lange nicht zu denken. Wie schätzen Sie die Chancen für den Happy Family Day und natürlich das Bächtlefes­t ein?

Für den Happy Family Day haben wir uns gerade für ein dezentrale­s Konzept entschiede­n, damit die Veranstalt­ung nicht komplett entfallen muss. Beim Bächtlefes­t möchte sich der Bürgerauss­chuss für die Entscheidu­ng noch etwas Zeit geben. Allerdings wird es sicherlich nicht möglich sein, 2021 ein Bächtle, wie wir es kennen, zu feiern.

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ARCHIVFOTO: THOMAS WARNACK Das Bächtlefes­t 2021 wird es wie 2020 aller Wahrschein­lichkeit nach wieder in einer abgespeckt­en Version geben.
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FOTO: THOMAS WARNACK Johannes Kretschman­n will den Wahlkreis Sigmaringe­n-Zollernalb im Bundestag vertreten.

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