Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wenn der Humor nach Hause kommt
„Baden-Württemberg macht Spaß“wird ins heimische Wohnzimmer übertragen
- Das Kabarett- und Comedyfestival „Baden-Württemberg macht Spaß“hat auch in diesem Jahr wieder Station in der Sigmaringer Stadthalle gemacht - allerdings vor leeren Zuschauerrängen. Waren diese im vergangenen Jahr noch mit 200 ausgelosten Ticketinhabern coronakonform besetzt, blieben sie am Sonntagabend komplett leer. Lediglich die sechs Comedians, SWR1Moderatorin Janet Pollok und die Herren des Bild- und Tonstudios, natürlich allesamt negativ getestet, agierten auf der Bühne, um dann live im heimischen Wohnzimmer der Zuschauer zu „erscheinen“. Diese konnten es sich derweil auf dem Sofa gemütlich machen - ob mit Chips und Jogginghose oder mit edlem Wein und Abendkleid. Moderatorin Janet Pollok brachte die neuartige Gemütlichkeit auf den Punkt. „Sie müssen sich weder nett anziehen noch aufbrezeln“, allerdings nannte sie auch, was fehlt: der Blick in die Gesichter der Zuschauer, das Raunen im Saal, der Applaus, die menschliche Wärme.
Wenig beeindruckt von der ungewohnten Atmosphäre zeigte sich Kabarettist Ernst Wagner, der mit Werner Koczwara als „Vereinigtes Lachwerk Süd“an den Start ging. Hingebungsvoll kokettierte er mit der Kamera. „Ich weiß, meine Freunde schauen daheim zu“, so sei es für ihn kein Problem.
Das als Gipfeltreffen des schwäbischen Humors umschriebene Duo sang von attraktiven Männern mit Bausparverträgen, „je älter und steifer, um so zuteilungsreifer“, nahm den schwäbischen Dialekt auf die Schippe und erteilte nicht nur der Seitenbacher-Werbung eine gnadenlose Abfuhr.
Angekündigt als „wunderbarer Geschichtenerzähler“, als großer Typ mit russischem Herzen und schwäbischer Prägung, fesselte Nikita Miller den Zuhörer 30 Minuten lang in Endlosschleife. Tief- und bisweilen abgründig mit Gänsehautfaktor, schockierend schroff und gleichzeitig humorvoll faszinierend. Sie habe an seinen Lippen gehangen, zeigte sich Pollok tief berührt. Der gebürtige Kasache mit aufwühlender
Kindheit, der Informatik, Mediengestaltung und Philosophie studierte, bisher in 28 Jobs vom Pizzaboten bis zum Softwareentwickler gearbeitet hat, sendete eine persönliche Botschaft: „Bleibt in Bewegung - nur so kannst du Stück für Stück durchstreichen, was du nicht machen möchtest.“
Nach der Pause outete sich Mirja Regensburg als begnadete Sängerin, aktiver Sportmuffel und passives Mitglied der Weight-WatchersGruppe. Selbstbewusst lupfte sie kurzerhand ihren Pulli, griff ins Röllchen und präsentierte stolz ihre „Muffin-Jeans, bei der es oberhalb des Bundes herausquillt“. Sehr zum Leidwesen des Kameramanns, sehr zur Erheiterung der Frauen, die sie ermutigte, sich anzunehmen, wie sie sind. Unzufriedenen Frauen empfahl sie, nicht „vorwürfisch“mit ihren Männern zu reden, sondern zu singen. „1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert, stell das Geschirr nur rein, dann wird es sauber sein.“
Künstlerisch virtuos und charmant komisch präsentierten sich Dominik und Florian Wagner an Flügel und Geige. Faszinierend ihr gemeinsames Spiel, bei dem sie sich - wie immer uneins - die Instrumente „teilten“. Wortgewandt, mit schnick schnack schnuck und feinen Pointen, witzig, ironisch, frotzelnd und flapsig wandelten die Brüder zwischen Schauspiel und Humor und ließen selbst die routinierte Moderatorin etwas „verwirrt“zurück. Was dem Zuschauer daheim bis zum Ende den Spaß garantiert haben dürfte.