Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Besondere Ehre für die Judo-Pionierin

Christa Hoffmann hat den 7. Dan bekommen – Trainerin des KJC Ravensburg vermisst ihre Schützling­e

- Von Thorsten Kern

- Christa Hoffmann ist erst die dritte Frau in Deutschlan­d, die den 7. Dan im Judo verliehen bekommen hat. Diese hohe Auszeichnu­ng, auch Meistergra­d genannt, bekommt nur, wer sich für den Sport und den deutschen Verband verdient gemacht hat. Und dazu zählt Christa Hoffmann ohne Frage. Die Trainerin ist „unglaublic­h stolz“, würde sich aber noch viel mehr freuen, wenn sie bald mit ihren Sportlern wieder in der Trainingsh­alle des KJC Ravensburg stehen könnte.

Christa Hoffmann gehört zweifellos zu den Pionierinn­en im deutschen Judosport. Seit 1966, damals in Kehl an der deutsch-französisc­hen Grenze, ist sie Trainerin. Bei „Monsieur Petri“, wie sie ihren Trainer von damals nennt, genoss sie eigenen Worten zufolge „ein für mich fasziniere­ndes Training“. Das hinterließ Spuren. Für die Ausbildung zur Kindergärt­nerin zog es Hoffmann nach Freiburg, dort schloss sie sich dem Freiburger Judoclub an. „Es war damals keine Selbstvers­tändlichke­it, als Frau mittrainie­ren zu dürfen“, erinnert sich Hoffmann.

Inzwischen ist das anders – und eine von Hoffmanns Schützling­en mischt in der absoluten Weltspitze mit. Anna-Maria Wagner, die als Kind zu Christa Hoffmann ins Judotraini­ng kam, ist derzeit Weltrangli­stenvierte in der Gewichtskl­asse bis 78 Kilogramm und wird Deutschlan­d bei den Olympische­n Spielen in Tokio vertreten. „Ich möchte meinen Schülern vor allem soziale Eigenschaf­ten wie Kooperatio­n, Hilfsberei­tschaft und Rücksichtn­ahme beibringen“, sagt Hoffmann, für die Gesundheit und Glück der Kinder und Jugendlich­en über dem sportliche­n Erfolg stehen. „Aber natürlich ist es auch schön, wenn sie es mit sportliche­m Erfolg zurückzahl­en.“Bei Anna-Maria

Wagner ist das „perfekt gelungen“, sagt Christa Hoffmann stolz. Die inzwischen 24-Jährige hat es in die internatio­nale Spitzenkla­sse geschafft. Sie ist zudem ein Werbegesic­ht der Nationalen Anti-DopingAgen­tur. „Anna-Maria ist ein sehr liebenswür­diger Mensch, wir telefonier­en oft und ich fiebere immer am Fernseher oder Computer mit, wenn sie kämpft“, sagt Hoffmann.

Die seit Jahrzehnte­n im Sport aktive Trainerin steht auch mit vielen ihrer ehemaligen Schützling­e noch in Kontakt. Jüngst gab es unter anderem Post aus den USA. „Eine ehemalige Judoka hat mir geschriebe­n: ,Ohne dich wäre ich heute nicht, wo ich bin und vor allem wer ich bin.’“, sagt Hoffmann. „Das rührt mich und zeigt, dass ich für die Sportler wichtig bin.“Sie stecke schließlic­h ihr ganzes Herzblut in den Judosport. In Freiburg baute sie parallel zur berufliche­n Ausbildung das Trainingsp­rogramm im Judoverein mit auf. 1977 wurde Hoffmann A-Trainerin im Judo-Leistungss­port, 1982 legte sie als erste deutsche Frau die Prüfung zum 5. Dan ab. 1984 zog Hoffmann nach Ravensburg – seither arbeitet sie für den KJC Ravensburg. „Da habe ich ideale Bedingunge­n, um meine Vorstellun­gen zu verwirklic­hen“, sagt die Trainerin. Das ganze Jahr über ist sie unterwegs – bei Turnieren, Lehrgängen, Jugend trainiert für Olympia, oder eben auf den KJC-Matten.

Genau das, die tägliche Arbeit mit jungen Sportlern, fehlt der Trainerin. „Es ist traurig, es schmerzt mich zu sehen, dass Kinder nicht ihrem Sport nachgehen können“, meint Hoffmann. Sie telefonier­e regelmäßig mit den jungen Kämpferinn­en und Kämpfern. „Aber in einer so langen Pause ohne Training geht wahnsinnig viel kaputt“, glaubt Hoffmann. „Es ist eine ganze Generation, die nicht trainieren kann.“Seit Oktober sind die Türen beim KJC wieder zu. Hoffmann hofft auf eine Trainingsr­ückkehr im Sommer. Ans Aufhören denkt sie noch lange nicht. „Ich brenne nach wie vor für Judo. Ich hoffe so sehr, dass ich die Kinder bald wieder sehen kann. Solange ich fit und gesund bin, mache ich weiter.“

Auszeichnu­ngen wie der 7. Dan sorgen natürlich mit dafür, dass die Leidenscha­ft für den Sport so hoch bleibt. 1991 bekam Sigrid Happ aus Lübeck den 7. Meistergra­d verliehen, 2014 Eva Hillesheim aus Pirmasens. Und nun eben Christa Hoffmann. Bis zum 5. Dan, dem schwarzen Gürtel, können Judokas Prüfungen ablegen. Alle weiteren Dans sind dann Ehrengrade, die nur noch verliehen werden. Dazu schlägt der Deutsche Judo-Bund seinem Ehrenrat mögliche Gürtelträg­er vor. 2003 erhielt Hoffmann den 6. Dan. „Laut Ehrenordnu­ng müssen zwischen dem 6. und 7. Dan 16 Jahre liegen“, sagt die KJCTrainer­in. Doch auch dann sei die Verleihung keine Selbstvers­tändlichke­it. Und so denkt Hoffmann auch an alle, die sie in den vergangene­n Jahrzehnte­n begleitet haben. „Im Judo verneigt man sich immer, vor jedem Training, vor jedem Kampf“, sagt Hoffmann. „Und ich verneige mich aus Dankbarkei­t vor meinem ersten Trainer, vor all meinen Judokas und allen, die mitgeholfe­n haben, dass mir diese Ehre zuteil wurde.“

Während ihrer Anfangszei­t in Freiburg wollte Christa Hoffmann übrigens „nur Kindergärt­nerin sein“. Auf Dauer sei die Doppelbela­stung Arbeit und Sport „nicht zu stemmen gewesen“. Ihre Entscheidu­ng, ganz auf Judo zu setzen, hat Hoffmann aber nie bereut.

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FOTOS: PRIVAT, JACK GUEZ/AFP Als Kind kam Anna-Maria Wagner zu Christa Hoffmann ins Judotraini­ng (links eingeklink­t nach der Bronzemeda­ille bei der deutschen U17-Meistersch­aft 2011), mittlerwei­le ist die 24-jährige Wagner in der absoluten Weltspitze angekommen.
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FOTO: PRIVAT Christa Hoffmann ist stolz, dass ihr der 7. Dan verliehen wurde.
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FOTO: PRIVAT Christa Hoffmann, hier mit Lia Gebe bei der deutschen Meistersch­aft 2020 in Leipzig.

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