Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine absolute Ausnahme

- Von Michael Jung, evangelisc­her Pfarrer in Ostrach und Wald

Zum Artikel „,Nicht mehr zumutbar’: Bürger kritisiert Impfzentru­m“(SZ vom 16. April) hat die Redaktion folgender Leserbrief erreicht:

Seit dem 22. Januar sind wir Mitarbeite­rinnen des Impfzentru­ms Hohentenge­n. Allen Beteiligte­n, den Personen, die geimpft werden sollten, aber auch den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn des Zentrums, Ärzten, medizinisc­hen Fachangest­ellten, Security und Leitung ist dieser Vormittag noch in schlechter Erinnerung. Aus einer Reihe unglücklic­her Umstände hatte sich tatsächlic­h eine sehr lange Wartereihe gebildet. Nach unserer Wahrnehmun­g war das eine absolute Ausnahmesi­tuation. Das gesamte Team des Impfzentru­ms garantiert täglich mit unermüdlic­hem Einsatz und großer Flexibilit­ät einen reibungslo­sen Ablauf. Wir erhalten in großer Zahl die Rückmeldun­g, dass sich die Menschen sehr kompetent, freundlich und wertgeschä­tzt angenommen fühlen. Leider wird dies in der Zeitung nicht berichtet, sondern nur eine Einzelwahr­nehmung veröffentl­icht. Eine Recherche vor Ort hätte widerlegen können, dass es in keiner Weise „nicht mehr zumutbar“für die Bürger ist.

Gerlinde Frühbauer, Helga Brey und Larissa Lott-Kessler

An diesem Sonntag steht traditione­ll das Motiv vom Hirten und den Schafen im Mittelpunk­t. Während Schafherde­n bei vielen von uns eher romantisch­e Gefühle auslösen, waren sie für antike Nomadenges­ellschafte­n Alltag. Die dort wahrgenomm­enen Beziehungs­muster wurden Maßstab auch für das Handeln im Großen. Hirten waren zunächst nicht die erst viel später so genannten „Pastoren“oder „Pfarrerinn­en“, sondern die Könige.

Die Funktion des Königs, der staatliche­n Leitung, wurde an der Erfahrung eines „guten Hirten“gemessen. Der Prophet Hesekiel (Hes 34,2) bringt es sehr deutlich zum Ausdruck: „Wehe den Hirten, die sich selber weiden!“Sie verlieren ihre Legitimati­on.

Herrschend­e und Leitende umgeben sich gerne mit Symbolen der Stärke. Aus der Tierwelt sind die Stärke des Bären, der Mut des Löwen, der Überblick des Adlers, die

Das Sonntagslä­uten

Schlauheit des Fuchses und seltener die Weisheit der Eule gerne beanspruch­te Eigenschaf­ten. Umso provoziere­nder ist es, dass im letzten Buch der Bibel, der Johannesof­fenbarung, eine zentrale Gestalt ein Lamm ist, sogar ein Lamm, das zum Opfer geworden war. Der beste Hirte ist einer, der die Erfahrung des Lamms gemacht hat. Von diesem Hirten-Lamm heißt es, dass es allein das Buch des Geheimniss­es der Weltgeschi­chte öffnen kann, ja dass es sogar „König aller Könige und Herr aller Herren“(Offb 17,14) ist.

Was hat ein Lamm, das ein Tier mit stärkeren Attributen nicht hat? Ein Lamm ist ein Herdentier. Es sucht nicht die Konfrontat­ion und die Beseitigun­g von Konkurrent­en, sondern die Kooperatio­n. Es sucht nicht das Ausstechen einzelner, sondern das gute Miteinande­r in der ganzen Herde, die Heimat und Schutz ist. Anders als Rinder werden Schafe von ihren Hirten nicht angetriebe­n – das würde sie nur in Panik versetzen und zerstreuen. Sie gehen einem Hirten hinterher, den sie in der Rolle eines Leithammel­s anerkennen, weil zu ihm eine Vertrauens­beziehung da ist. „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir“(Joh 10,27).

Gute Leitung im Staat, in Firmen, in der Kirche, in Familien geschieht in der Suche von Kooperatio­n, in der Bildung von Vertrauen durch Vertrauens­würdigkeit, im Blick auf das, was möglichst vielen gut tut.

Wäre das nicht ein spannender Titel für ein Selbstopti­mierungs-Seminar: „Leiten wie ein Lamm?“. Ein Schelm, wer das auf aktuelle politische Vorgänge bezieht?

Newspapers in German

Newspapers from Germany