Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gesundheit wichtiger als Profit
Der Mischkonzern Liebherr will nach einem Umsatz- und Gewinneinbruch 2020 im laufenden Jahr wieder zulegen
- „Wirtschaftlicher Erfolg verliert in einer Zeit an Bedeutung, in der das Wohlergehen der Menschen oberste Priorität hat. Gesundheit ist und bleibt die wichtigste Überlegung.“Isolde und Willi Liebherr lassen keinen Zweifel aufkommen, mit welchen Prioritäten sie in den vergangenen Monaten ihren Konzern gesteuert haben. Seit 1993 führen die Geschwister in zweiter Generation den gleichnamigen Hersteller von Kranen, Kippern, Hausgeräten und Werkzeugmaschinen, und an ein Jahr wie das vergangene können sich beide nicht erinnern.
„Wir mussten einen Balanceakt meistern: Zwischen der Verantwortung für die Menschen bei Liebherr und der Aufrechterhaltung des Betriebs in unseren Werken und Niederlassungen. Als Familienunternehmen liegen uns zuallererst die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Herzen“, blickt Willi Liebherr auf das vergangene Geschäftsjahr zurück. Und Isolde Liebherr ergänzt: „Zu Beginn haben uns die wirtschaftlichen Unsicherheiten, die weltweiten Lockdowns, Unterbrechungen der Lieferketten, die glücklicherweise nur einzeln auftretenden Stornierungen von Aufträgen und temporären Schließungen von Standorten wirklich gefordert. Rückblickend können wir jedoch sagen, dass wir die Situation schnell in den Griff bekommen haben.“
In den Zahlen des Familienkonzerns, der weltweit knapp 48 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, hat die Corona-Pandemie dennoch ihre Spuren hinterlassen. Nach mehreren Jahren mit zum Teil zweistelligen Wachstumsraten ist der Umsatz der Firmengruppe 2020 gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent auf 10,3 Milliarden Euro eingebrochen. Unter dem Strich blieb ein hauchdünner Gewinn von sieben Millionen Euro stehen, nachdem 2019 noch 429 Millionen Euro verdient wurden. „Uns war bereits im Frühjahr 2020 bewusst, dass wir unsere Umsatzprognosen für das Jahr nicht erreichen werden. Zwischenzeitlich mussten wir sogar mit deutlicheren Rückgängen rechnen. Doch über das Jahr hinweg konnten wir in einigen Produktsegmenten die verlorenen Monate wieder einholen. Bedenkt man die Umstände, können wir mit dem Umsatz sicherlich sehr zufrieden sein“, sagt Isolde Liebherr.
Dabei lief es in den verschiedenen Sparten des weitverzweigten Mischkonzerns höchst unterschiedlich. Während die Haushaltsgerätesparte, in der vor allem Kühl- und Gefriergeräte hergestellt werden, das Geschäftsjahr mit einem Wachstum von gut zwei Prozent beendete und zum ersten Mal in der Liebherr-Geschichte einen Nettoumsatz von über einer Milliarde Euro erzielte, brachen die Erlöse bei Liebherr Luftfahrt und Verkehrstechnik um knapp ein Drittel ein.
Vor allem der Bereich Luftfahrt mit Standorten im französischen Toulouse, in Lindenberg im Allgäu und einem Zweigwerk in Friedrichshafen
musste nicht nur die Vollbremsung der Flugzeughersteller bei der Produktion neuer Jets verkraften. Auch im Wartungs- und Instandhaltungsgeschäft sah es 2020 mau aus. Nach Kurzarbeit und Betriebsruhe setzte das Unternehmen gegen Ende des Jahres in Lindenberg und Friedrichshafen sogar den Rotstift bei den Stellen an: Von den insgesamt 2650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen bis 2022 rund 360 gehen. „Wir haben alles getan, um dies so moderat wie nur möglich zu gestalten“, sagt Willi Liebherr.
Die beiden vom Umsatz her größten Sparten – Mobil- und Raupenkrane sowie Erdbewegungsmaschinen (2,5 Milliarden beziehungsweise 2,0 Milliarden Euro) – verloren unterdurchschnittlich. Letztere konnte das vergangene Jahr sogar mit höheren Auftragsbeständen abschließen, als es begonnen wurde. Für Willi Liebherr ein Zeichen, dass das Unternehmen im laufenden Jahr – trotz aller Unsicherheiten – auf den Wachstumspfad zurückfinden wird. „Wir sind zuversichtlich, dass dieses Geschäftsjahr ein besseres wird. Unsere Umsatzprognosen sehen vielversprechend aus“, verrät der Firmenpatriarch.