Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Alles ganz ohne Bürgerbeteiligung“
Zu unserem Artikel „Naturschutzgebiet: Ertingen fühlt sich kaum eingebunden“vom 6. April hat die Redaktion folgender Leserbrief erreicht:
2012 trafen sich einige unserer Regierenden, um sich nach der Renaturierung der Donau zwischen Hundersingen und Binzwangen, vorrangig für den Hochwasserschutz, dafür zu loben, dass sie wieder 2,7 Kilometer Donau der Zivilisation entrissen und der Natur zurück gegeben haben. Und die Bürger, die mit 2,6 Millionen Euro Steuergeld dazu beigetragen haben, fanden das Werk auch gelungen – sogar so gelungen, dass die Bevölkerung sich erdreistet hat, diesen Gewässerabschnitt zur Freizeitgestaltung zu nutzen und dort spazieren zu gehen, Vögel zu beobachten, zu fotografieren. Dummerweise wurde durch Anlegen von Trampelpfaden der wertvolle Kalktrockenrasen geschädigt. Abgesehen von einigen Intelligenzallergikern, die auf den Kiesbänken mit Quads oder Geländemotorädern herumkurven, verhält sich aber die große Anzahl der Besucher durchaus naturverträglich. Es wurden sogar Menschen gesehen, die mit Plastiktüten bewaffnet, angeschwemmten Unrat aufsammelten und zwecks Recycling mit nach Hause nahmen.
Jetzt soll der Freizeitraum durch einen Festzaun vor der Bevölkerung geschützt werden, Wege durch das eingezäunte Gelände nur noch in der weidefreien Zeit begangen werden können. In der anderen Zeit dürfen Schafe, Pferde und Esel die 40 Hektar beweiden und düngen. Ungewiss, was Flussregenpfeifer, Kiebitz und Grauammer dazu meinen, wenn sich eine Herde Schafe auf den Kiesbänken niederlässt.
Wenn dann erst das Naturschutzgebiet mit 200 Hektar kommt, wird die Bevölkerung endgültig aus der Natur verbannt. Und das alles ganz ohne Bürgerbeteiligung. Seltsamerweise erblickten die offensichtlich seit Längerem getroffenen Entscheidungen des Regierungspräsidiums das Licht einer größeren Öffentlichkeit nur knapp drei Wochen nach der Landtagswahl. Sicherlich nur Zufall.
Ob sich die wegen Corona-Eingesperrten und aus der Natur Ausgesperrten im September wieder daran erinnern werden?
Michael Fangmeyer, Ertingen