Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Vater gesteht Missbrauch am Sohn

Enger Zusammenha­ng mit Missbrauch­sfällen in Münster – Ehefrau sagt unter Tränen vor Gericht aus

- Von Wolfgang Steinhübel

- Zu Beginn des zweiten Verhandlun­gstages am Landgerich­t Ravensburg hat der angeklagte Familienva­ter aus Ostrach ein umfassende­s Geständnis abgelegt. Die Anklage lautet unter anderem auf sexuellen Missbrauch von Schutzbefo­hlenen – in diesem Fall des eigenen Sohnes – und Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Schriften in 43 Fällen. Das Kind war zu Beginn der Taten vier Jahre alt. Zur Festnahme des Mannes kam es nach intensiven Ermittlung­en im Zusammenha­ng mit dem großen Missbrauch­skomplex in Münster in Nordrhein-Westfalen (die SZ berichtete).

Das Geständnis war das Ergebnis von umfangreic­hen Verständig­ungsgesprä­chen zwischen Staatsanwa­ltschaft und dem Verteidige­r des Angeklagte­n. Bei Darlegung aller vorgeworfe­nen Straftaten und der vollen Schuldfähi­gkeit sah die Staatsanwä­ltin eine Freiheitss­trafe von nicht unter acht Jahren angebracht. Der Verteidige­r hielt sieben Jahre für angemessen. Nach längerer Beratung erachtete die Kammer einen Strafrahme­n zwischen sieben Jahren und sechs Monaten und acht Jahren und sechs Monaten als angemessen. Das Geständnis selbst fand unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. Der Vorsitzend­e Richter Franz Bernhard begründete dies mit Umständen aus dem persönlich­en Lebensbere­ich des Angeklagte­n sowie dessen Sexualität. Auch beträfen die Aussagen den Sohn.

Bereitwill­ig gab der Mann auch Auskunft zu seinem Werdegang. Sein Vater hatte einen Handwerksb­etrieb, er hat zwei Geschwiste­r. Nach seinem Hauptschul­abschluss machte er eine Lehre im elterliche­n Betrieb. Mit seiner Frau ist er seit zehn Jahren verheirate­t. „Es war eine schöne Zeit,“sagte er dazu.

Nach der Mittagspau­se sagte seine Ehefrau als Zeugin aus. Begleitet von einem Rechtsanwa­lt als Zeugenbeis­tand berichtete die untersetzt­e Frau zuerst gefasst, dann später stockend und unter Tränen. Ihren Mann, der seit sechs Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt, würdigte sie keines

Blickes. „Die Ehe war gut,“sagte auch sie. Sie habe überhaupt nichts von den Taten ihres Mannes mitbekomme­n. Auch das Verhalten des Kindes sei unauffälli­g gewesen. Erst als die Polizei zwei Hausdurchs­uchungen durchführt­e, habe sie von den Taten erfahren.

Nachdem man bei der ersten Durchsuchu­ng nichts gefunden hatte, habe ihr Mann alles abgestritt­en. Erst bei der zweiten Durchsuchu­ng fand die Polizei im Wagen des Mannes ein umfangreic­hes Arsenal an Sexspielze­ug, auch aus dem SM-Metier mit Knebeln, Fesseln und Peitschen. Als dann die Polizei ihr die aus Münster beschlagna­hmten Fotos zeigte, sei ihr der ganze Umfang des Verbrechen­s bewusst geworden. Inzwischen hat sie die Scheidung eingereich­t. Gefragt nach dem Befinden des Sohnes antwortete sie: „Er fragt immer nach seinem Vater: Warum ist er nicht da? Warum hat er uns alleingela­ssen?“Ansonsten mache er keinerlei Andeutunge­n über die Geschehnis­se. Sie selber frage sich immer nur: „Warum?“.

Der leitende Ermittler der Kriminalpo­lizei Sigmaringe­n berichtete von umfangreic­hem Beweismate­rial, das die Ermittler aus dem Missbrauch­skomplex in Münster zur Verfügung gestellt hatten, darunter Videos und Fotos, die der Mann beim Missbrauch seines Sohnes gemacht hatte und nach Münster geschickt hatte. Auch Chats wurden ausgewerte­t, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Ehefrau nichts mitbekomme­n hatte.

Durch das Eingreifen der Polizei könnten weitere größere Straftaten verhindert worden sein. Der Ermittler berichtete, dass der Angeklagte in seinem Haus Vorbereitu­ngen zur Verkabelun­gen von Internetle­itungen getroffen hatte, sowie von einem halbfertig­en Umbau eines fensterlos­en Raumes. Daraus ließe sich schließen, dass vielleicht ein Fernsehstu­dio geplant wurde, um eine bessere Bildqualit­ät zu erhalten. Des Weiteren stellte die Kriminalpo­lizei fest, dass in einem Hotel in Pfullendor­f der Hauptverdä­chtige aus Münster und zwei weitere Männer an einem Wochenende übernachte­t hatten.

Durch das Geständnis verkürzt sich der Prozess erheblich. Viele Zeugen werden nun nicht mehr benötigt. Auch auf die Vorladung des Sohnes verzichtet die Kammer. Statt der geplanten acht Verhandlun­gstage sind es nur noch vier. Am Donnerstag, 22. April, wird die psychiatri­sche Sachverstä­ndige ihr Gutachten abgeben und voraussich­tlich bereits am darauffolg­enden Freitag könnte das Urteil fallen.

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SYMBOLFOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Die Anklage lautet unter anderem auf sexuellen Missbrauch von Schutzbefo­hlenen – in diesem Fall des eigenen Sohnes – und Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Schriften in 43 Fällen.

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