Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Polizisten handelten in Notwehr
Ermittlungen nach tödlichem Schusswaffengebrauch in Bad Schussenried im Juli 2020 sind abgeschlossen
(sz/mad) Nach einem Polizeieinsatz vom Juli 2020 in Bad Schussenried, bei dem durch Schüsse aus Dienstwaffen ein Mann starb und eine Frau verletzt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Ravensburg ihre Ermittlungen gegen zwei Polizisten eingestellt. Die Anklagebehörde hatte gegen einen Polizeibeamten des Polizeipräsidiums Ulm wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gegen einen Kollegen wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge fielen am Vormittag des 15. Juli 2020 in der Innenstadt von Bad Schussenried drei Schüsse aus polizeilichen Dienstwaffen. Eine 43-jährige Frau und ein 29-jähriger Mann wurden angeschossen. Der 29jährige Mann wurde durch den Schuss eines Polizeibeamten aus seiner Dienstwaffe in der Leistenregion getroffen und verstarb trotz intensivmedizinischer Maßnahmen aufgrund der erlittenen Verletzung. Die 43-jährige Frau wurde durch den Schuss eines zweiten Polizeibeamten mit seiner Dienstwaffe im Bereich des Unterschenkels getroffen, wobei zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestand. Ein weiterer Schuss aus der Waffe dieses zweiten Beamten verfehlte die Frau.
Der 29-jährige Mann und die 43jährige Frau hatten sich bereits am frühen Morgen aus dem offenen Maßregelvollzug der Klinik für forensische Psychiatrie in Bad Schussenried unerlaubt entfernt, worüber die Polizei verständigt wurde. Etwa gleichzeitig zu der Meldung der Psychiatrie ging beim Polizeiposten Bad Schussenried eine Mitteilung ein, wonach zwei Personen in der Innenstadt von
Bad Schussenried randalierten und ein Mann mit einem Messer bewaffnet sei. Zwei Polizeibeamte des Polizeipostens Bad Schussenried konnten nach ihrem Eintreffen die beiden aus der forensischen Psychiatrie Bad Schussenried entwichenen Personen feststellen. Dabei führten sowohl die 43-jährige Frau als auch der 29-jährige Mann ein Messer mit sich, heißt es im Bericht der Staatswaltschaft.
Nachdem der 29-jährige Mann von den zwei Polizeibeamten aufgefordert worden war, stehen zu bleiben, rannte dieser sofort mit einem ausgefahrenen Cutter-Messer in der Hand auf einen der beiden Polizeibeamten zu und schrie mehrfach, dass er ihn „abstechen“werde. Während seines vergeblichen Versuchs, vor dem 29-Jährigen zu fliehen, gab der Polizeibeamte einen tödlich verlaufenden Schuss auf seinen Verfolger ab.
Währenddessen richtete die 43jährige Frau ein Einhandmesser gegen den weiteren, vor Ort anwesenden Polizeibeamten. Daraufhin machte auch dieser von seiner Dienstwaffe Gebrauch und traf die 43-Jährige im Bereich des Unterschenkels; eine zweite Kugel verfehlte die Frau. Nach dem Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen war der Schusswaffeneinsatz der beiden Polizeibeamten nach dem Polizeigesetz von Baden-Württemberg zulässig. Zudem waren sowohl die Körperverletzung mit Todesfolge als auch die Körperverletzung im Amt durch Notwehr gerechtfertigt, fasst die Anklagebehörde ihre Erkenntnisse zusammen.
Das Ermittlungsverfahren führte die Staatsanwaltschaft Ravensburg, wobei sie mit der Ermittlungsarbeit vor Ort Beamte des Polizeipräsidiums Ravensburg beauftragte – also von einer anderen Dienststelle, die nichts mit dem Einsatz im Beritt des Polizeipräsidiums Ulm zu tun hatten. Es wurden zahlreiche Zeugen vernommen. Weiter wurden unter anderem Spuren an den Dienstwaffen und die Bewertung der Rechtsmedizin der Uni Ulm herangezogen.
Bei den beiden Polizisten handelte es sich um erfahrene Beamte, sagte Tanja Kraemer, Erste Staatsanwältin und Sprecherin der Anklagebehörde, der „Schwäbischen Zeitung“. Nähere Angaben zum Alter der Polizisten machte sie nicht, auch um die Identität der Beamten des kleinen Polizeipostens Bad Schussenried zu schützen.
In Bad Schussenried gibt es immer wieder Debatten um das Gefährdungspotenzial durch die Präsenz des ZfP. Unter anderem boten im Sommer 2020 Stadt und ZfP eine Diskussionsveranstaltung an. Bürgermeister Achim Deinet forderte seinerzeit eine verstärkte Präsenz und Rund-um-die-Uhr-Besetzung des Polizeipostens; das Innenministerium stellte keine Aufstockung in Aussicht.