Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Mit dem eigenen Teppich in die Moschee
Die Pandemie verändert den Ramadan für Sigmaringer Muslime
- Wie auf so viele Bereiche des täglichen Lebens, nimmt die Corona-Pandemie auch teilweise Einfluss auf die Ausübung des religiösen Glaubens. Gottesdienste werden ins Internet übertragen und viele Kirchenbänke bleiben zwangsweise leer. Doch auch an anderer Stelle werden Gläubige getroffen – so zum Beispiel die muslimische Gemeinde in Sigmaringen.
„Für uns Muslime war es gängige Praxis, dass man sich zum Freitagsgebet getroffen hat. Es waren normalerweise zwischen 150 und 170 Leute in der Moschee“, sagt Murat Sahin, Schriftführer der Türkisch Islamischen Union Sigmaringen, beim Gedanken an die Tage vor der Pandemie. Lang ist’s her. Inzwischen kann nur noch ein Bruchteil der Gläubigen die Moschee zum Gebet besuchen – natürlich unter Einhaltung gewisser Hygieneregeln, zu der das Tragen eines Mundschutzes ebenso zählt wie die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern. Zudem, so Sahin, gelte die Regel: pro zehn Quadratmeter ein Gläubiger. Es gibt aber auch noch weitere Dinge einzuhalten: „Das Waschen vor dem
Gebet muss momentan daheim verrichtet werden und jeder muss seinen eigenen Gebetsteppich mitbringen“.
Aber auch außerhalb der Moschee ist für viele Muslime momentan einiges anders. Am vergangenen Dienstag hat der Fastenmonat Ramadan begonnen. „Dabei gilt, ganz einfach erklärt: Ist die Sonne da, darf man weder essen noch trinken, ist sie weg, ist es erlaubt. Und ja, wir dürfen tagsüber wirklich nichts trinken“, beschreibt Sahin die wichtigste Regel des 30-tägigen Fastens. „Es geht dabei aber nicht nur um das Fasten, sondern auch um das Teilen von Glück und Leid“, erklärt Sahin und ergänzt: „Normalerweise hat man sich nach Sonnenuntergang getroffen, um Tisch und Brot zu teilen und um anschließend zu beten. Das findet so natürlich aktuell überhaupt nicht statt.“
Für Muslime ist es Pflicht, im Monat Ramadan zu fasten, sie beginnt mit der Pubertät, so Sahin. Dennoch gehe immer auch die Gesundheit vor, weshalb unter anderem Kranke und Schwangere nicht fasten müssten. „Wenn es zur persönlichen Last wird, sollte natürlich ebenfalls vom Fasten abgesehen werden“, sagt Sahin und berichtet davon, dass „auch Menschen vor Sonnenaufgang aufstehen, um zu essen und sich dann nochmal hinlegen“.
Ist das denn alles gar nicht anstrengend? „Die ersten zwei Tage sind schon immer schwierig, aber dann passt sich der Körper langsam der Situation an“, sagt Sahin, der schätzt, dass rund 160 der 170 Familien der Türkisch Islamischen Union Sigmaringen während des Ramadans fasten.
„Das geschieht aber aus Überzeugung und nicht durch
Druck“, versichert Sahin.
Dass man zum täglichen, abendlichen Fastenbrechen momentan nicht mit Nachbarn, Bekannten, Freunden oder Kollegen zusammenkommen könne, sei selbstverständlich schade, auf digitale Unterstützung möchte Sahin dennoch nicht setzen: „Das gibt keine Synergie. Schließlich geht es dabei um die Gesellschaft und den Austausch.“
„Klar, wir vermissen alle die Zeit vor der Pandemie“, sagt Sahin und schiebt hinterher: „aber immerhin hatte wir noch einen Corona-Fall in der Gemeinde“.
„Es geht dabei aber nicht nur um das Fasten, sondern auch um das Teilen von Glück und Leid“,
sagt Murat Sahin von der Türkisch Islamischen Union Sigmaringen.