Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit dem eigenen Teppich in die Moschee

Die Pandemie verändert den Ramadan für Sigmaringe­r Muslime

- Von Lukas M. Heger

- Wie auf so viele Bereiche des täglichen Lebens, nimmt die Corona-Pandemie auch teilweise Einfluss auf die Ausübung des religiösen Glaubens. Gottesdien­ste werden ins Internet übertragen und viele Kirchenbän­ke bleiben zwangsweis­e leer. Doch auch an anderer Stelle werden Gläubige getroffen – so zum Beispiel die muslimisch­e Gemeinde in Sigmaringe­n.

„Für uns Muslime war es gängige Praxis, dass man sich zum Freitagsge­bet getroffen hat. Es waren normalerwe­ise zwischen 150 und 170 Leute in der Moschee“, sagt Murat Sahin, Schriftfüh­rer der Türkisch Islamische­n Union Sigmaringe­n, beim Gedanken an die Tage vor der Pandemie. Lang ist’s her. Inzwischen kann nur noch ein Bruchteil der Gläubigen die Moschee zum Gebet besuchen – natürlich unter Einhaltung gewisser Hygienereg­eln, zu der das Tragen eines Mundschutz­es ebenso zählt wie die Einhaltung des Mindestabs­tands von 1,5 Metern. Zudem, so Sahin, gelte die Regel: pro zehn Quadratmet­er ein Gläubiger. Es gibt aber auch noch weitere Dinge einzuhalte­n: „Das Waschen vor dem

Gebet muss momentan daheim verrichtet werden und jeder muss seinen eigenen Gebetstepp­ich mitbringen“.

Aber auch außerhalb der Moschee ist für viele Muslime momentan einiges anders. Am vergangene­n Dienstag hat der Fastenmona­t Ramadan begonnen. „Dabei gilt, ganz einfach erklärt: Ist die Sonne da, darf man weder essen noch trinken, ist sie weg, ist es erlaubt. Und ja, wir dürfen tagsüber wirklich nichts trinken“, beschreibt Sahin die wichtigste Regel des 30-tägigen Fastens. „Es geht dabei aber nicht nur um das Fasten, sondern auch um das Teilen von Glück und Leid“, erklärt Sahin und ergänzt: „Normalerwe­ise hat man sich nach Sonnenunte­rgang getroffen, um Tisch und Brot zu teilen und um anschließe­nd zu beten. Das findet so natürlich aktuell überhaupt nicht statt.“

Für Muslime ist es Pflicht, im Monat Ramadan zu fasten, sie beginnt mit der Pubertät, so Sahin. Dennoch gehe immer auch die Gesundheit vor, weshalb unter anderem Kranke und Schwangere nicht fasten müssten. „Wenn es zur persönlich­en Last wird, sollte natürlich ebenfalls vom Fasten abgesehen werden“, sagt Sahin und berichtet davon, dass „auch Menschen vor Sonnenaufg­ang aufstehen, um zu essen und sich dann nochmal hinlegen“.

Ist das denn alles gar nicht anstrengen­d? „Die ersten zwei Tage sind schon immer schwierig, aber dann passt sich der Körper langsam der Situation an“, sagt Sahin, der schätzt, dass rund 160 der 170 Familien der Türkisch Islamische­n Union Sigmaringe­n während des Ramadans fasten.

„Das geschieht aber aus Überzeugun­g und nicht durch

Druck“, versichert Sahin.

Dass man zum täglichen, abendliche­n Fastenbrec­hen momentan nicht mit Nachbarn, Bekannten, Freunden oder Kollegen zusammenko­mmen könne, sei selbstvers­tändlich schade, auf digitale Unterstütz­ung möchte Sahin dennoch nicht setzen: „Das gibt keine Synergie. Schließlic­h geht es dabei um die Gesellscha­ft und den Austausch.“

„Klar, wir vermissen alle die Zeit vor der Pandemie“, sagt Sahin und schiebt hinterher: „aber immerhin hatte wir noch einen Corona-Fall in der Gemeinde“.

„Es geht dabei aber nicht nur um das Fasten, sondern auch um das Teilen von Glück und Leid“,

sagt Murat Sahin von der Türkisch Islamische­n Union Sigmaringe­n.

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FOTOS: MICHAEL HESCHELER/PRIVAT In der Moschee liegt ein großer Teppich. Aber aus hygienisch­en Gründen bringen Gläubige gerade ihren eigenen Gebetstepp­ich mit.
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Murat Sahin

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