Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Bidens Kraftakt fürs Klima

Der US-Präsident will zwei Billionen Dollar in den Umstieg auf erneuerbar­e Energien stecken

- Von Frank Hermann

- Der Montag war ein guter Tag für die amerikanis­che Klimapolit­ik. Zumindest symbolisch. Im National Press Club in Washington trat Cecil Roberts auf, Chef der United Mine Workers of America (UMWA), der landesweit größten Gewerkscha­ft der Grubenarbe­iter. Nur virtuell zugeschalt­et, aber mit einer Botschaft, die man durchaus als revolution­är bezeichnen kann. Er unterstütz­e den Plan des Präsidente­n Joe Biden, die Energiewir­tschaft der USA von fossilen Brennstoff­en auf erneuerbar­e Quellen umzustelle­n, sagte Roberts. Allerdings knüpfe er das an eine Bedingung: Kohlekumpe­l müssten Garantien erhalten, dass man in der Zukunftsbr­anche Jobs für sie reserviere.

Rückendeck­ung bekam der Gewerkscha­fter von Joe Manchin, einem mächtigen Senator. Manchin ist einer von 50 Demokraten, die neben 50 Republikan­ern in der kleineren Parlaments­kammer sitzen. Ein Solitär, der sich im Kohlestaat West Virginia behauptet, obwohl Donald Trump dort zwei Wahlen in Folge mit klarem Vorsprung gewann. Seine Partei ist angewiesen auf seine Stimme, was Manchin nutzt, um lokale Interessen besonders robust zu vertreten. „Ich kann Ihnen sagen, wie West Virginia sich fühlt“, polterte er im Presseclub. „Wir fühlen uns wie Vietnamvet­eranen, die aus dem Krieg zurückkehr­en. Wir haben jeden schmutzige­n Job gemacht, den wir machen sollten. Und plötzlich sind wir nicht mehr gut genug, nicht mehr sauber genug, nicht mehr grün genug, nicht mehr klug genug.“Grubenarbe­iter seien das Rückgrat des

Landes. Entspreche­nd respektvol­l müsse man in Zeiten des Wandels mit ihnen umgehen.

Der Blick auf die Gefühlslag­e der West Virginians ist nötig, um zu verstehen, womit es Biden im eigenen Land zu tun hat bei seiner Klimaschut­zoffensive. Am Donnerstag und Freitag richtet er einen Klimagipfe­l aus, ein rein virtuelles Treffen mit 40 eingeladen­en Staats- und Regierungs­chefs. Wie belastbar seine Zusagen auf Dauer sind, entscheide­t sich jedoch in der Innenpolit­ik, nicht bei internatio­nalen Konferenze­n.

Biden hat ehrgeizige Ziele gesetzt, auch in der Hoffnung, Fakten zu schaffen, die ein eventuelle­r konservati­ver Nachfolger im Oval Office, auch ein zweiter Trump, nicht mehr rückgängig machen kann. Was er dabei in den Vordergrun­d stellt, ist der ökonomisch­e Nutzen der Energiewen­de.

„Denke ich an den Klimawande­l, denke ich an Jobs“, lautet einer seiner Standardsä­tze, während sein Außenminis­ter Antony Blinken ausmalt, welche Chancen sich für US-Unternehme­n ergeben, wenn sie jetzt auf den Zug aufspringe­n. 2025, zitiert Blinken aus Prognosen, werde der globale Markt für erneuerbar­e Energien ein Volumen von 2,15 Billionen Dollar haben, das Fünfunddre­ißigfache des aktuellen amerikanis­chen Marktvolum­ens in diesem Sektor. Heute sei China der größte Produzent von Solarpanee­len, Windturbin­en, Batterien. Man verliere den Anschluss, wenn man nicht zur Aufholjagd blase, warnt der Minister.

Der Kraftakt, mit dem das Weiße Haus Boden gutmachen will, trägt nicht zufällig den Titel „American Jobs Plan“. Gemeint ist das über zwei

Billionen Dollar schwere Infrastruk­turpaket, das zu Teilen ein Klimaschut­zpaket ist. 174 Milliarden Dollar sollen allein in Investitio­nen und Subvention­en zur Förderung von E-Autos fließen. In den nächsten acht Jahren sollen 500 000 Ladestatio­nen für Elektrofah­rzeuge installier­t werden, die Flotte gelber Schulbusse will man zu mindestens einem Fünftel auf Elektroant­rieb umstellen. 400 Milliarden Dollar an Steuerguts­chriften sollen dem Clean-EnergySekt­or kräftige Impulse geben. Bis 2035 soll die nationale Energiepro­duktion CO2-frei sein, bis 2030 sollen Windturbin­en vor den Küsten jährlich 30 Gigawatt Strom erzeugen und damit den Bedarf von mindestens zehn Millionen Haushalten decken. Momentan gibt es gerade mal zwei kleinere Offshore-Windparks, da größere Projekte bislang am Widerstand gut organisier­ter Bürgerinit­iativen scheiterte­n.

Nur: Es sind die einzelnen Bundesstaa­ten, die den Energiesek­tor regulieren, was bedeutet, dass republikan­isch regierte Staaten dem Bund hier und da einen Strich durch die Rechnung machen können. So wie sich Kalifornie­n, New York oder Washington, allesamt Hochburgen der Demokraten, auch nach Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men zu den Zielen der Vereinbaru­ng bekannten, tritt Texas jetzt auf die Bremse, um Bidens Offensive das Tempo zu nehmen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Nach einem Gesetzentw­urf der konservati­ven Parlaments­mehrheit im „Lone Star State“dürfen Windkrafta­nlagen künftig nur dann genehmigt werden, wenn zwischen den Windrädern mindestens eine Meile Abstand bleibt.

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FOTO: EDDIE MOORE/IMAGO IMAGES Kohlekraft­werke wie dieses im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia sollen bis 2035 schließen.

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