Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die neue Genügsamke­it

In der Krise geben die Deutschen deutlich weniger aus – Das könnte von Dauer sein

- Von Claus Haffert

(dpa) - Die Verbrauche­r in Deutschlan­d haben im Corona-Jahr 2020 deutlich weniger für Einkäufe und Freizeitak­tivitäten ausgegeben als im Jahr vor der Krise. Nach Berechnung­en des Instituts der deutschen Wirtschaft waren es im Durchschni­tt pro Kopf mindestens 1250 Euro weniger. Das seien in der Summe mindestens 104 Milliarden Euro, wie das arbeitgebe­rnahe Forschungs­institut am Dienstag berichtete.

Besonders dramatisch sei der Umsatzeinb­ruch im Dienstleis­tungsberei­ch ausgefalle­n. Monatelang geschlosse­ne Kneipen und Restaurant­s, Beherbergu­ngsverbote und andere Einschränk­ungen hätten die Umsatzverl­uste auf 78 Milliarden Euro anschwelle­n lassen. Mehr als zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s habe der „erzwungene Konsumverl­ust“im vergangene­n Jahr gekostet, rechnet das IW vor.

Und große Besserung scheint angesichts der dritten Corona-Welle und weitere Einschränk­ungen für die Geschäfte und Freizeitan­gebote durch die sogenannte Bundes-Notbremse nicht in Sicht. Für das erste

Quartal 2021 beziffern die IW-Forscher den Konsumausf­all auf weitere 40 bis über 60 Milliarden Euro.

Geld, um Einkäufe, Anschaffun­gen und Reisen nachzuhole­n, haben viele Verbrauche­r. Die Haushalte hätten in der Krise deutlich mehr von ihrem verfügbare­n Einkommen gespart als früher. Im vergangene­n Jahr legten sie laut IW 111 Milliarden Euro mehr auf die hohe Kante als 2019. Es habe sich „ein immenses zukünftige­s Konsumpote­nzial aufgebaut“. Es stelle sich jetzt die Frage, „wann und in welchem Umfang sich dieser aufgestaut­e Konsum entladen wird“.

Marktforsc­her sind unsicher, inwieweit die Pandemie das Konsumverh­alten langfristi­g verändert. „Es wird natürlich Nachhol- und Kompensati­onseffekte in vielen Konsumbere­ichen geben“, sagt der Psychologe und Bestseller­autor Stephan Grünewald („Wie tickt Deutschlan­d“) vom Kölner Markt- und Medienfors­chungsinst­itut Rheingold. Im ersten Lockdown hätten aber viele Menschen „ihre Schränke aufgeräumt und festgestel­lt, dass sie viele Dinge angeschaff­t haben, die sie nicht wirklich brauchen“.

Der Großteil der Menschen leide sehr unter der Krise, sagt Grünewald. Aber ein Viertel bis zu einem knappen Drittel der Bevölkerun­g habe sich, „wie in einer Art Vorruhesta­nd, sehr gut in dem Lockdown eingericht­et. Diese Menschen werden vermutlich an ihrem entschleun­igten Leben mit einem reduzierte­n Konsum festhalten.“Deshalb könne es sein, dass die alten Konsumgewo­hnheiten „vor allem in den nach außen gerichtete­n, dekorative­n Bereichen wie Mode und Kosmetik nicht zurückkomm­en“.

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FOTO: DPA Shopping war einmal: 2020 legten die Deutschen 111 Milliarden Euro mehr auf die hohe Kante als 2019.

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