Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Als Günter Strigl den „Franziskaner“schließen ließ
Vor 40 Jahren rettet eine breit angelegte Bürgeraktion die Saulgauer Jugendkneipe - Über 1100 Unterschriften
- Mit diesen Reaktionen hatte Alt-Bürgermeister und Ehrenbürger Günter Strigl wohl nicht gerechnet. Vor 40 Jahren ließ das damalige Stadtoberhaupt das erst wenige Monate zuvor wiedereröffnete Gasthaus „Franziskaner“schließen, wegen wiederholter Überschreitung der Sperrstunde, so die offizielle Begründung. Nach wenigen Wochen durfte die Wirtschaft wieder aufmachen. Eine breite Front gegen die Schließung hatte sich gebildet.
Bürgermeister Günter Strigl, der Franziskaner und Franziskaner-Wirt Hans Dangel: Das war von Anfang an ein sehr spezielles Verhältnis. Strigl wohnte nur wenige Meter vom Franziskaner entfernt in einem der beiden Hochhäuser an der Lindenstraße. Täglich mehrmals kam er auf dem Weg ins Rathaus an dem Gasthaus vorbei. Mit seinem rustikalen Ambiente und seinem Musikangebot hatte es sich innerhalb weniger Wochen zu einem Treffpunkt der Jugendlichen entwickelt. Dem Bürgermeister passte diese Art von Jugendtreff nicht. „Einmal hat er gesagt, dass sein Sohn dort nicht hineingehen darf “, erinnert sich Richard Gruber. Er saß Anfang der 80er-Jahre für die SPD im Gemeinderat. Günter Strigl selbst hat die Gaststätte nie betreten, bestätigt Franziskaner-Wirt Hans Dangel. Und hatte sie doch im Auge. „Fünf Minuten nach zehn, wenn er nachts auf dem Nachhauseweg in der Küche Licht sah, hat er mit seinen Schlüsseln ans Fenster geklopft“, erinnert sich Dangel.
Solche eher noch dezenten Hinweise auf die Sperrstunde eskalierten im März 1981. Nur wenige Monate nach der Wiedereröffnung der Gaststätte im November des Vorjahres verfügte die Stadtverwaltung die Schließung. Unter der Überschrift „Stadt will den Bierhahn zudrehen“berichtete Redakteur Markus Brändle in der „Schwäbische Zeitung“im Februar 1981: „Weil die Sperrzeit in den drei Monaten seit der Übernahme ,andauernd’ überschritten worden sei, könne die Stadt die gaststättenrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte ,Zum Franziskaner’ nicht erteilen“, lautete die amtliche Begründung. Von Beginn an gab es Widerstand gegen diese Entscheidung. Der Bürgermeister verwickelte sich der Zeitung zufolge in Widersprüche. Während Strigl acht Verstöße auflistete, gab die Polizei an, zwar dreimal kontrolliert zu haben, aber jedes Mal seien nach dem Sperrzeitende um 24 Uhr keine Getränke mehr ausgeschenkt worden. So musste sich Strigl von Josef Engenhart,
Hans Dangels Partner der ersten Jahre, den Vorwurf anhören, dass der Stadt der „Franziskaner“ein „Dorn im Auge“sei, „weil sich hier zu viele Jugendliche auf einem Platz getroffen haben“. Als unverhältnismäßig und hart wird die Entscheidung kritisiert.
Die Schließung motivierte ein ganzes Heer von Leserbriefschreibern, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Jugendkneipe passe der Stadt wohl nicht und werde deshalb geschlossen, lautet ein Vorwurf, die „Schwäbische Zeitung“kritisiert im „Hintergründigen“, dass bei der Schließung mit zweierlei Maß gemessen werde, denn „wenn hohe Herrschaften sich Rotwein hinter die Binde gießen“, werde es mit der Sperrstunde nicht so genau genommen, während der Franziskaner mutmaßlich dicht gemacht worden sei, weil er den „Rathausgewaltigen“als Jugendtreff ein Dorn im Auge sei.
Auch im Gemeinderat regte sich Widerstand. So brachte Hans Georg
Rimmele von den Freien Wählern die Diskussion um die Schließung der Gaststätte im Gremium abermals zur Sprache. Er nannte die offizielle Begründung der Stadtverwaltung
„unverständlich“, woraufhin der Bürgermeister eine „inoffizielle“nachschob. Diesmal lautete der Vorwurf, im Franziskaner werde Hasch gehandelt. Ein Vorwurf, der selbst bei groß angelegten Polizeieinsätzen nie bestätigt werden konnte. Auch die SPD wandte sich gegen die Schließung. Richard Gruber sprach von der „Arroganz der allgewaltigen“Verwaltung. Die Junge Union und die Jusos wandten sich gegen die Schließung. 1100 Unterschriften wurden gegen die Schließung gesammelt.
Die großangelegte Bürgeraktion half schließlich, dass der Franziskaner wieder öffnen konnte. Doch blieb das Verhältnis von Günter Strigl zu der Gaststätte auch in den kommenden Jahren angespannt. Der Bürgermeister hätte die Wirtschaft wohl gerne für die Stadt gekauft, um das Gelände für den Bau des Stadtforums zur Verfügung zu haben, wie Richard Gruber sich erinnert. Inzwischen haben sich die Zeiten grundlegend geändert. Die Stadtverwaltung ist schon längst unter neuer Führung. Der Franziskaner hat sich etabliert. „Die Bürgermeisterin kommt ab und zu“, sagt Hans Dangel.