Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Bosch vermittelt Zuversicht
Schwäbischer Zulieferer treibt Elektromobilität vehement voran – Chipkrise bedroht Geschäftserholung
- Für den Technologiekonzern Bosch wird die Elektromobilität immer mehr zum Kerngeschäft. Die erheblichen Investitionen der Vorjahre scheinen sich auszuzahlen. Das machte Firmenchef Volkmar Denner auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens am Donnerstag deutlich. Zum Jahreswechsel 2020/21 habe man schon Aufträge im Volumen von mehr als 20 Milliarden Euro akquiriert. Bis 2025 soll sich der Umsatz in diesem Segment auf rund fünf Milliarden Euro verfünffachen, und schon ein Jahr vorher will das Stiftungsunternehmen die Gewinnschwelle erreichen. „Die Elektromobilität ist damit keine Wette auf die Zukunft mehr. Wir verdienen die Vorleistungen zurück“, sagte Denner. Und während der Markt für elektrische Antriebskomponenten derzeit jährlich um gut 20 Prozent wächst, legt Bosch um nahezu 40 Prozent zu.
Die Mobilität der Zukunft basiert Bosch zufolge aber nicht nur auf dem batterieelektrischen Antrieb. Das Unternehmen verfolgt stattdessen ein hybrides Geschäftsmodell und sieht auch Bedarf für die Brennstoffzelle und für synthetische Kraftstoffe – sogenannte eFuels, gewonnen aus Wasserstoff und CO2 –, wenn das ehrgeizige Ziel einer klimaneutralen Mobilität erreicht werden soll. Deshalb warb Denner dafür, Technologien nicht gegeneinander auszuspielen, sie stattdessen zu kombinieren und neben ökologischen auch ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen.
Doch genau das, fürchtet der Bosch-Chef, passiert gerade nicht. „Es scheint, als fixiere sich die europäische Politik allein auf das kurzfristige Ende des Verbrenners, scheue sich aber, über die Beschäftigungsfolgen zu sprechen“, prangerte der Manager an. Dabei könnten Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen genauso klimaneutral unterwegs sein wie Batteriefahrzeuge. Mit ihrer Politik laufe die EU-Kommission nicht nur Gefahr, ein Technologiemonopol zu erschaffen und mögliche Pfade zum Klimaschutz abzuschneiden, sondern auch Beschäftigung aufs Spiel zu setzen. Die ersten Pläne zur neuen Abgasnorm Euro 7 – die mit strikteren Vorgaben für Stickoxide und andere Schadstoffe faktisch das Aus des Verbrennungsmotors bedeutet hätten – seien so unrealistisch gewesen, dass aus Umweltpolitik eine bedenkliche Industriepolitik hätte werden können.
Dazu muss man wissen: Für Bosch ist die politisch und öffentlich teils in Verruf geratene Diesel- und Benzintechnik auch auf Jahre hinaus noch wichtig. „Wir werden als Unternehmen mindestens noch 20 oder 30 Jahre in Verbrennertechnologie investieren müssen, weil unsere Kunden Verbrenner einsetzen werden und einsetzen müssen“, erklärte der für den Automotive-Bereich zuständige Geschäftsführer Stefan Hartung am Donnerstag und stellte damit vor allem auf den Schwerlastverkehr mit der heute dominierenden Dieseltechnologie ab. Deshalb sollten die künftigen Grenzwerte Denner zufolge anspruchsvoll sein. Aber es wäre ökologisch wie ökonomisch sinnlos, sie auch in Szenarien einzuhalten, die mit sauberer Luft in den Städten nichts mehr zu tun haben: bei Kaltstart am Berg oder vollbeladen mit Anhänger.
Bei der Brennstoffzelle, die perspektivisch den Diesel im Schwerlastverkehr ersetzen könnte, aber auch stationär, etwa bei Notstromaggregaten, zum Einsatz kommen kann, reklamierten Denner und Hartung Fortschritte für Bosch. Sie befinde sich auf „dem raschen Weg zur Serienreife“.
So sollen noch in diesem Jahr rund 100 stationäre Anlagen in Betrieb genommen werden, etwa um Rechenzentren, Industriebetriebe und Wohnquartiere mit Strom zu versorgen. Für mobile Brennstoffzellenanwendungen ist Bosch vor wenigen Wochen ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Pkwund Lkw-Bauer Qingling eingegangen. Ebenfalls noch in diesem Jahr wollen die Partner eine Testflotte von 70 Brennstoffzellen-Trucks auf die Straßen schicken. Bis 2030 rechnet Bosch mit einem weltweiten Marktvolumen für diese Technologie von 18 Milliarden Euro. „Und wir haben die Power, um auch auf diesem Markt vorn zu sein“, sagte Denner.
Ob sich die Brennstoffzelle perspektivisch auch im Pkw-Bereich als Antriebstechnologie etabliert, hängt Automotive-Vorstand Hartung zufolge von der Infrastruktur ab, sprich von der Dichte an Wasserstofftankstellen. „Bei einem hinreichend engmaschigen Netz kann die Brennstoffzelle auch in bestimmten Pkw-Segmenten eine Option sein.“
Kurzfristig beschäftigen die Bosch-Manager in der neben der Industrietechnik, der Energie- und Gebäudetechnik sowie den Gebrauchsund Konsumgütern wichtigsten Konzernsparte jedoch ganz andere
Sorgen: die Engpässe bei Halbleitern. Vor allem bei Spezialchips, sogenannten Asics, die beispielsweise zur Steuerung von Bremssystemen eingesetzt werden, aber auch bei den eher universell verbauten Mikrocontrollern ist der Markt leer gefegt. Die Situation ist inzwischen so dramatisch, dass Bosch die für dieses Jahr in Aussicht gestellte Erholung der Geschäfte unter Vorbehalt stellt.
Eigentlich plant der Konzern, der weltweit 395 000 Menschen beschäftigt, im laufenden Jahr mit einem Umsatzwachstum von sechs Prozent, nachdem die Erlöse 2020 um gut sechs Prozent auf 71,5 Milliarden Euro gesunken waren und ein operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von zwei Milliarden Euro erzielt wurde. Allerdings ist die Prognose aufgrund der schwer abschätzbaren Auswirkungen der Halbleiter-Engpässe unsicher. Mit einer kurzfristigen Verbesserung der Situation rechnet der Konzern nicht. „Unsere gesamte Industrie wird voraussichtlich auf Monate hinaus mit dieser unbefriedigenden Lage konfrontiert sein“, prognostizierte Bosch-Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer.
Bosch ist von der Chipknappheit gleich doppelt betroffen. Zum einen, weil dringend benötigte Halbleiter die eigene Produktion von Komponenten lahmlegen. In einigen Werken würden bestimmte Linien entweder gar nicht oder nur im Stopand-go-Betrieb laufen, sagte Hartung. Zum anderen, weil die durch die Chipknappheit induzierten Störungen in der Produktion der Autobauer auf den Absatz anderer Zulieferteile von Bosch durchschlägt. Die nämlich werden nicht oder nur verspätet abgenommen.
Bosch ist zwar auch Chiphersteller – in Reutlingen und bald auch in Dresden. Doch hätten die beiden Standorte keinen Einfluss auf das globale Halbleiter-Problem, könnten es in einzelnen Produktkategorien allenfalls lindern. Denner kündigte trotzdem an, die Produktionskapazitäten in Reutlingen um zehn Prozent zu erhöhen und den Produktionsstart in der neuen Chipfabrik in Dresden um drei Monate auf Ende September dieses Jahres vorzuziehen. Perspektivisch müssten die Lieferketten in der Automobilbranche, besonders bei Halbleitern, aber resilienter werden. Was das Thema Schadenersatz angeht – Volkswagen prüft wegen fehlender Bauteile Ansprüche gegen Bosch –, verwies Denner auf die Zukunft, wenn das Problem behoben sei. „Jetzt ist nicht die Zeit dafür“, sagte der Bosch-Chef.