Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Rinker-Areal: Bauträger will im Herbst loslegen
Auf dem größten innerstädtischen Wohngebiet wird viel Innovatives umgesetzt
- Es ist ein Mammutprojekt: Noch nie wurde in Ravensburg eine so große Industriebrache in ein Wohngebiet umgewandelt, wie es mit dem Rinker-Areal in der Östlichen Vorstadt passiert. Immer wieder wurden Planungsdetails nachgebessert – und so hat sich der Baubeginn der zwölf Mehrfamilienhäuser samt Kita um zwei Jahre verzögert. Doch nun geht es in die Endrunde: Schon stehen Interessenten für die rund 300 Wohnungen in den Startlöchern. Das ist der Fahrplan.
Wenn sechs Architekten mitmischen, dann sorgt das zwar für eine „lebendige und ansprechende städtebauliche Qualität“, wie Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp findet. Es bedeutet aber auch jede Menge Abstimmungsbedarf. Außerdem wurden Einwendungen und Anregungen von Behörden, Nachbarn und potenziellen zukünftigen Bewohnern eingearbeitet: Um das neue, 35 000 Quadratmeter große Wohngebiet, in dem in ein paar Jahren rund 550 Menschen leben sollen, besser an den öffentlichen Nahverkehr anzubinden, kommt an die Einmündung der Rinker- in die Wangener Straße nun etwa auf jede Seite eine Bushaltestelle.
Auf Wunsch vieler Anwohner wird dort außerdem eine Bedarfsampel installiert. Stadtauswärts kommt für die neuen Bewohner des RinkerAreals eine Linksabbiegespur dazu: „Wir weiten die Wangener Straße auf, um Rückstaus zu vermeiden“, erläutert Ingo Traub von der Reisch Projektentwicklung. Ursprünglich hatte der Bad Saulgauer Bauträger das Projekt gemeinsam mit dem Vorarlberger Unternehmen Rhomberg in Angriff genommen. Doch nun wird Rhomberg, sobald das Baurecht da ist, aussteigen. Reisch will die Anteile des Partners aufkaufen und das 100-Millionen-Euro-Unterfangen dann alleine durchziehen. Warum es zur Trennung kommt? Es habe zu diversen Punkten unterschiedliche Ansichten gegeben, sagt Traub auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Abgesehen davon sei es nicht unüblich, dass sich eine Projektgesellschaft nach einem Stück gemeinsamen Weges trennt. Reisch hat bereits das Bezner-Areal, ebenfalls eine Industriebrache in direkter Nachbarschaft des Rinker-Grundstücks, hochgezogen. Heute heißt das Ganze Mühlenviertel, und es leben dort rund 140 Menschen.
Auch ohne Rhomberg will Reisch nun Gas geben: Traub hofft, dass im September die Baugenehmigung eintrudelt. Noch im Herbst wird dann die Linksabbiegespur, die Reisch finanziert, gebaut. Mit dem Kindergarten für 63 Kinder, der das Wohngebiet abrundet, soll es im nächsten Jahr losgehen. Im ersten Bauabschnitt werden zudem acht Häuser mit rund 200 Wohnungen hochgezogen. Die ersten Bewohner können dann 2024 einziehen. Wann das Gesamt-Areal fertig ist, kann Traub noch nicht sagen.
Die meisten der zwischen 28 und 146 Quadratmeter großen 1- bis 4Zimmer-Wohnungen werden verkauft, 30 Prozent vermietet. Schon scharren Kaufwillige zwar mit den Hufen, die durchschnittlichen Quadratmeterpreise stehen aber noch nicht fest. „Wir starten erst im Herbst mit Ausschreibung und Vertrieb“, vertröstet Traub. Doch schon jetzt könne man sich auf eine entsprechende Interessentenliste setzen lassen.
Weil das Rinker-Areal als Mix unterschiedlicher sozialer und Altersgruppen angelegt ist, entstehen in dem innenstadtnahen Neubaugebiet auch rund 40 sogenannte Bündniswohnungen. Das bedeutet: 20 Prozent der Neubauwohnungen müssen 15 Jahre lang mindestens 14 Prozent unter der ortsüblichen Miete angeboten werden. Damit auch wirklich Menschen den Zuschlag bekommen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Chance haben, geht man bei Reisch sogar noch einen Schritt weiter: „Wir vermieten diese Wohnungen im Vergleich zur ortsüblichen Miete 28 bis 30 Prozent günstiger“, stellt Traub in Aussicht. Hintergrund: Aus Stuttgart fließen entsprechend des Landesgesetzes zur Wohnraumförderung entsprechende Zuschüsse. Entsprechend dem Motto „Quartier für jede Lebensphase“gibt es für Studenten, Pendler oder Azubis zudem 35 Mikro-Apartments, die ebenfalls die Firma Reisch vermieten wird. Das Konzept: „Wir haben die Grundfläche zur Zimmeranzahl
optimiert – dadurch ist die monatliche Gesamtmiete günstiger als bei vergleichbaren 1- oder 2-Zimmer-Wohnungen“, erläutert Traub. Auch der ehemalige Grundstückseigentümer, Klaus Rinker, wird 40 Wohnungen bauen und dann vermieten.
Ältere Menschen wiederum können zwischen zwölf Pflege-WG-Plätzen, 15 Tagespflege-Plätzen oder Seniorenwohnungen mit 24-StundenService wählen. Auch ein Betreuungsstützpunkt für einen ambulanten Pflegedienst, der Menschen in ihrer eigenen Wohnung betreut, ist auf dem Areal vorgesehen. Dafür wurde die Bruderhaus-Diakonie ins Boot geholt. „Man soll hier gut alt werden können“, gibt Ingo Traub die Devise aus. In einer Quartierzentrale können die künftigen Bewohner sich treffen; ein Paketdienst soll dafür sorgen, dass nicht unnötig durchs Quartier gekurvt wird. Dafür sollen im Zuge des ausgetüftelten, innovativen Mobilitätskonzepts auch E-Lastenräder, E-Roller, Fahrradanhänger inklusive Adapter, die nötige CarSharing-Infrastruktur und eine Fahrradwerkstatt sorgen. Reisch investiert und übernimmt die Anschubfinanzierung – für den Unterhalt müssen die neuen Bewohner dann selbst sorgen. 350 Tiefgaragen-Parkplätzen stehen im Übrigen 800 Abstellplätze für private Fahrräder gegenüber. Die Hoffnung: Durch all diese Angebote soll sich „das Mobilitätsverhalten der Bewohner und Besucher ändern“– und zwar dahin gehend, dass weniger Autos und Parkplätze gebraucht werden. Das, weiß Traub, „funktioniert natürlich nur, wenn die Leute mitziehen“. Er gesteht: „Das Ganze ist für uns noch Neuland.“
Auch der Platz am Eingang des Wohngebiets soll möglichst fahrradund fußgängerfreundlich als verkehrsberuhigter Bereich gestaltet werden. Die Eltern sollen ihren Nachwuchs in der Kita daher nach Möglichkeit nicht mit dem Auto abholen – konsequenterweise sind am Montessori-Kinderhaus lediglich vier Auto-Parkplätze vorgesehen.