Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Vater war froh über seine Verhaftung
Gutachterin berichtet, wie sich pädophile Neigungen entwickelten
- Im Strafprozess gegen einen Familienvater aus Ostrach, der seinen minderjährigen Sohn missbraucht und davon Bilder und Videos gemacht haben soll, erläuterte die psychiatrische Gutachterin, wie es zu den pädophilen Neigungen des Mannes gekommen ist. Keineswegs war der Angeklagte schon immer so veranlagt. Das habe sich erst im Laufe der letzten Jahre so entwickelt.
Roswita Hietel-Weniger, Oberärztin in der forensischen Psychiatrie des ZFP in Weissenau, erstellte ihre Beurteilung im Wesentlichen auf Basis einer dreistündigen Exploration in der Untersuchungshaft. Der 1981 in Überlingen geborene Mann wuchs im elterlichen Handwerksbetrieb auf. Er hatte eine sehr enge Bindung an den Vater und fühlte sich wohlbehütet. Der Angeklagte war 18 Jahre alt, als der Vater durch einen Arbeitsunfall ums Leben kam. Damit änderte sich für ihn alles. Eine immer stärker werdende Konkurrenz zu seinem Bruder führte dazu, dass er den elterlichen Betrieb verließ.
Seine Sexualentwicklung sei verzögert gewesen. Auch habe er einmal Sexualverkehr mit einem gleichgeschlechtlichen Partner gehabt. Mit 20 Jahren kommt er auf die Idee, sich im Internet als Kind auszugeben und mit älteren Männern zu chatten. In diese Rolle zu schlüpfen habe ihm Spaß gemacht und ihn fasziniert. Zu realen Treffen sei es nie gekommen. Dies ging rund fünf Jahre. In dieser Zeit lebte er schon mit seiner Frau zusammen. Sie habe davon nichts mitbekommen.
Durch Zufall sei er auf die pädophile Gruppe aus Münster gestoßen. Man habe ihn animiert, selbst pädophile Handlungen vorzunehmen und ihn aufgefordert, es mit dem eigenen Sohn zu versuchen. Zu Beginn sei er im Zwiespalt gewesen, doch der Reiz war zu groß. Ein weiterer Kick war für ihn, die Handlungen zu dokumentieren und der Gruppe von seinen Erlebnissen zu berichten und ihnen Fotos und Videos davon zu schicken. Auf der anderen Seite fand er seine Taten erschreckend. Er wusste, dass er Hilfe braucht, traute sich wegen seiner Familie aber nicht. Seine Verhaftung sei eine Erleichterung für ihn gewesen. Er hoffe, irgendwann wieder normal zu sein, um dann ein ganz normales Verhältnis zu seinen Kindern aufzubauen.
Dazu kann er sich auch vorstellen, sich in eine therapeutische Einrichtung einweisen zu lassen. Die Gutachterin attestierte dem Mann eine „teilfixierte Pädophilie“. Die Schuldfähigkeit wurde nicht in Frage gestellt.
Am nächsten Verhandlungstag, am 30. April, folgen nun die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung, anschließend hat der Angeklagte das letzte Wort. Die Zweite Große Strafkammer verfügte, dass die Öffentlichkeit dabei ausgeschlossen werde. Anschließend wird das Urteil verkündet. Aufgrund des umfangreichen Geständnisses des Mannes am zweiten Verhandlungstag hatte man sich auf einen Strafkorridor zwischen sieben Jahren und sechs Monaten und acht Jahren und sechs Monaten geeinigt.