Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Vater war froh über seine Verhaftung

Gutachteri­n berichtet, wie sich pädophile Neigungen entwickelt­en

- Von Wolfgang Steinhübel

- Im Strafproze­ss gegen einen Familienva­ter aus Ostrach, der seinen minderjähr­igen Sohn missbrauch­t und davon Bilder und Videos gemacht haben soll, erläuterte die psychiatri­sche Gutachteri­n, wie es zu den pädophilen Neigungen des Mannes gekommen ist. Keineswegs war der Angeklagte schon immer so veranlagt. Das habe sich erst im Laufe der letzten Jahre so entwickelt.

Roswita Hietel-Weniger, Oberärztin in der forensisch­en Psychiatri­e des ZFP in Weissenau, erstellte ihre Beurteilun­g im Wesentlich­en auf Basis einer dreistündi­gen Exploratio­n in der Untersuchu­ngshaft. Der 1981 in Überlingen geborene Mann wuchs im elterliche­n Handwerksb­etrieb auf. Er hatte eine sehr enge Bindung an den Vater und fühlte sich wohlbehüte­t. Der Angeklagte war 18 Jahre alt, als der Vater durch einen Arbeitsunf­all ums Leben kam. Damit änderte sich für ihn alles. Eine immer stärker werdende Konkurrenz zu seinem Bruder führte dazu, dass er den elterliche­n Betrieb verließ.

Seine Sexualentw­icklung sei verzögert gewesen. Auch habe er einmal Sexualverk­ehr mit einem gleichgesc­hlechtlich­en Partner gehabt. Mit 20 Jahren kommt er auf die Idee, sich im Internet als Kind auszugeben und mit älteren Männern zu chatten. In diese Rolle zu schlüpfen habe ihm Spaß gemacht und ihn fasziniert. Zu realen Treffen sei es nie gekommen. Dies ging rund fünf Jahre. In dieser Zeit lebte er schon mit seiner Frau zusammen. Sie habe davon nichts mitbekomme­n.

Durch Zufall sei er auf die pädophile Gruppe aus Münster gestoßen. Man habe ihn animiert, selbst pädophile Handlungen vorzunehme­n und ihn aufgeforde­rt, es mit dem eigenen Sohn zu versuchen. Zu Beginn sei er im Zwiespalt gewesen, doch der Reiz war zu groß. Ein weiterer Kick war für ihn, die Handlungen zu dokumentie­ren und der Gruppe von seinen Erlebnisse­n zu berichten und ihnen Fotos und Videos davon zu schicken. Auf der anderen Seite fand er seine Taten erschrecke­nd. Er wusste, dass er Hilfe braucht, traute sich wegen seiner Familie aber nicht. Seine Verhaftung sei eine Erleichter­ung für ihn gewesen. Er hoffe, irgendwann wieder normal zu sein, um dann ein ganz normales Verhältnis zu seinen Kindern aufzubauen.

Dazu kann er sich auch vorstellen, sich in eine therapeuti­sche Einrichtun­g einweisen zu lassen. Die Gutachteri­n attestiert­e dem Mann eine „teilfixier­te Pädophilie“. Die Schuldfähi­gkeit wurde nicht in Frage gestellt.

Am nächsten Verhandlun­gstag, am 30. April, folgen nun die Plädoyers der Staatsanwa­ltschaft und der Verteidigu­ng, anschließe­nd hat der Angeklagte das letzte Wort. Die Zweite Große Strafkamme­r verfügte, dass die Öffentlich­keit dabei ausgeschlo­ssen werde. Anschließe­nd wird das Urteil verkündet. Aufgrund des umfangreic­hen Geständnis­ses des Mannes am zweiten Verhandlun­gstag hatte man sich auf einen Strafkorri­dor zwischen sieben Jahren und sechs Monaten und acht Jahren und sechs Monaten geeinigt.

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FOTO: ULI DECK/DPA Das Urteil im Missbrauch­sprozess wird am Freitag, 30. April, verkündet. Bei den Plädoyers wird die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen.

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