Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Pater Shinto betet für die Menschen in seinem Heimatland
Indischer Priester kann schon seit einem Jahr nicht in sein Heimatland reisen – Anteilnahme tut gut
- Während in Deutschland und auch in unserer Region die Inzidenzzahlen zwar langsam aber stetig zurückgehen und damit leise Hoffnungen aufkeimen, dass die dritte Welle der Covid-19Pandemie ihre Kraft verliert, stehen andere Teile der Erde vor den größten epidemologischen Herausforderungen ihrer Geschichte. Neben Brasilien ist das zweitgrößte Land der Erde Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern von der „neuen Geisel der Menschheit“besonders betroffen. Pater Shinto Kattoor, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Bad Saulgau, leidet unter dieser Situation ganz besonders.
Pater Shinto kam 2010 aus dem indischen Bundesstaat Kerala im Südwesten Indiens nach Deutschland, um hier als Priester zu wirken. Seine Mutter, seine Geschwister mit Partner und Neffen leben dort. Zu ihnen hält er telefonisch und per Whatsapp Kontakt. Ein Bruder arbeitet in Dubai.
Seit Tagen bricht Indien bei Corona-Infektionen immer wieder bittere Rekorde: Beinahe 400 000 Neuinfektionen gibt es mittlerweile pro Tag. Die Zahl der Toten hat mittlerweile die Marke von 200 000 überschritten. Seit Beginn der Pandemie steckten sich dort mehr als 19 Millionen Menschen an, wobei die Dunkelziffer sehr hoch ist. Krankenhäuser und Krematorien sind überfüllt. Den Menschen mangelt es an medizinischem Sauerstoff, Medikamenten und Impfdosen – und das, obwohl Indien zu den größten Impfstoffproduzenten der Welt gehört. Der deutsche Botschafter in Indien, Walter Lindner bezeichnet die Lage in diesem auch schon vor der Pandemie unter einem maroden Gesundheitssystem leidenden Land als schrecklich und deprimierend. „Die Leute ersticken zum Teil in den Autos, weil sie von einem Krankenhaus zum nächsten fahren. Sie ersticken in der Wartereihe, um auf Sauerstoff zu warten. Das ist alles schrecklichst, was wir hier erleben“so der Diplomat.
So schlimm ist es in Kerala, der Heimat von Pater Shinot, nicht. Zwar gibt es auch dort pro Tag etwa 30 000 Neuinfizierte, weiß der 39-Jährige Preister. Im Gegensatz zum Norden Indiens sei der Bundesstaat Kerala aber relativ gut auf Corona vorbereitet. So gibt es dort derzeit noch keinen Mangel an medizinischem Sauerstoff. Auch wird Wert auf Tests gelegt. Die PCR-Tests in den öffentlichen Testzentren sind kostenlos. Wegen langen Warteschlangen und den einhergehenden Wartezeiten, gehen diejenigen, die es sich leisten können in Privatkrankenhäuser, wo der PCR-Test 500 Rupien kostet. Das ist der Tageslohn eines Arbeiters.
Auch Pater Shintos Mutter geht es gut. Sie ist bereits zweimal geimpft. Geimpft wird mit Astra Zeneca und dem indischen Impfstoff Covaxin. Auch die anderen erwachsenen Familienangehörigen sind wie er selbst einmal geimpft. Trotzdem ist die gegenseitige Sorge groß, sich anzustecken.
Auf Reisen und ein Treffen mit seinen Angehörigen muss Pater Shinto schon seit Beginn der Pandemie verzichten. Bei einer schwerwiegenden Erkrankung wäre eine Rückkehr wegen geltender Reisebeschränkungen
kaum möglich. Sein letztes Zusammentreffen mit seiner Familie war 2019 im Anschluss an eine Indienreise mit Teilnehmern aus Bad Saulgau. Seither hat ihm zunächst die erste Welle in 2020 einen Strich durch die Resiepläne in die Heimat gemacht. Bei diesem Besuch wollte er seinen jüngsten Neffen taufen. Ob der geplante Heimaturlaub im Juni zustande kommt, bleibt weiter ungewiss. „Ich hoffe, vertraue und bete täglich, dass die Pandemie bald zurückgeht und wieder mehr Normalität einkehren kann. Mein Gebet gilt all den weltweiten Opfern der Pandemie, aber auch all den vielen Menschen, die sich in dieser herausfordernden Zeit für ihre Mitmenschen einbringen“, sagt der Priester. Im Gebet fühle er sich auch mit den Mitbrüdern seiner Ordensgemeinschaft verbunden, „die sich sowohl in Indien als auch weltweit als Seelsorger, Lehrer und Sozialarbeiter trotz aller Widrigkeiten unbeirrt ihrer Arbeit widmen.“Er freut sich, dass ab Freitag wieder Gottesdienste in der Seelsorgeeinheit abgehalten werden können. Natürlich weiterhin unter den bekannten Auflagen.
Doch Pater Shinto kann dieser Zeit etwas Positives abgewinnen. „Corona bringt viel Schaden über die Menschen, stärkt aber auch die Mitmenschlichkeit und die Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft. Von der gelebten Nachbarschaftshilfe bis zu der weltweiten Hilfsaktion wie beispielsweise für mein Heimatland. Oft werde ich gefragt, wie es mir und meinen Angehörigen geht – wohl keiner von den Fragenden erahnt, was eine solch kleine Frage bewirkt und wie gut diese Anteilnahme tut“.