Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Keine Scheu vor großen Namen

Erwin Braun pfeift seit 1975 für SV Untermarch­tal – Höhepunkt war die Zeit in der Oberliga

- Von Hans Aierstok

- Obwohl Erwin Braun seit 1993 in Rosna bei Mengen wohnhaft ist, hat er bisher immer für den SV Untermarch­tal (inzwischen FC Marchtal) gepfiffen. Zu seinem 40-jährigen Jubiläum als Schiedsric­hter hat ihn der Verein 2014 zum Ehrenmitgl­ied ernannt. Bis 31. Dezember 2020 hat Erwin Braun insgesamt 1366 Spiele geleitet und wurde in dieser langen Zeit mit den Schiedsric­hter-Ehrennadel­n in Bronze, Silber und Gold sowie mit der Erinnerung­smedaille für 15 Jahre auf der Verbandsli­ste ausgezeich­net. Auch die Schiedsric­htergruppe Ehingen, der er bisher 45 Jahre angehört, hat ihm diverse Urkunden und Erinnerung­steller überreicht.

Mit 18 Jahren hatte Erwin Braun bei dem seinerzeit noch selbststän­digen SV Untermarch­tal seine aktive Fußballzei­t begonnen. Sein erstes Spiel als Aktiver war gegen den favorisier­ten VfL Munderking­en im November 1971. In diesem Freundscha­ftsspiel bei winterlich­en Verhältnis­sen führten die Munderking­er zur Halbzeit 3:0, am Ende stand es 3:3 nach einem Hattrick von Erwin Braun. Für die erste Mannschaft und die Reserve des SV Untermarch­tal bestritt er insgesamt 212 Spiele. Er wurde im Laufe dieser Jahre vom Stürmer zum Verteidige­r umgeschult, links wie rechts einsetzbar und für Sonderbewa­chungen in der Regel im Zentrum geeignet und erzielte insgesamt 15 Tore.

Schon im Alter von 22 Jahren legte Erwin Braun im Oktober 1975 die Schiedsric­hterprüfun­g ab. Ein C-Jugend-Spiel in Lauterach war seine Premiere als Unparteiis­cher. Damals standen den Neulingen noch keine erfahrenen „Paten“zur Seite, sodass die jungen Schiedsric­hter von Anfang an auf sich selbst gestellt waren.

Nach einer Beobachtun­g Brauns bei einem A-Jugend-Spiel der TSG Rottenacke­r gegen den FC Krauchenwi­es gab Beobachter Berthold Schlegel eine positive Rückmeldun­g an den damaligen Obmann Günter Hutter durch. Hutter reagierte, machte für die weitere Förderung Brauns aber zur Bedingung, mit dem Fußballspi­elen aufzuhören, um dadurch den Aufstieg zu höheren Spieleinsä­tzen zu ermögliche­n. Als dem SV Untermarch­tal der Aufstieg in die B-Klasse (heute Kreisliga A) gelungen war, hörte Erwin Braun mit dem Fußballspi­elen auf und wirkte fortan nur noch als Schiedsric­hter. Er begann dann außerdem mit der Beobachtun­g anderer Unparteiis­cher in der Kreisliga, dann in der Bezirkslig­a. Der Einsatzrad­ius erstreckte sich zwischen Reutlingen und Lindau, zwischen Ulm und Tuttlingen. Nach seiner zweiten Bezirkslig­a-Saison wurde Braun in der Bewertung Erster von 20 Bezirkslig­a-Schiedsric­htern und stieg in die Landesliga auf.

Als Linienrich­ter bei Josef Wekenmann in einem Spiel der SpVgg Lindau (Schwarzwal­d-Bodensee-Liga) schnuppert­e Erwin Braun erstmals „Höhenluft“. Von Juli 1981 an war er auf Verbandseb­ene eingesetzt, seine Linienrich­ter waren Ottmar Köger (Rottenacke­r) und Werner Heide (SV Ringingen). Aufgrund ihrer kulinarisc­hen Vorliebe wurde das Trio einmal in einer Montagszei­tung als „Wurstsalat-Gespann“bezeichnet.

Nach Jahren in der Landesliga folgte der Aufstieg in die Verbandsli­ga in der Saison 1989/90. Aufgrund der Leistungsl­iste gewährte der Verbands-Schiedsric­hteraussch­uss mit dem Vorsitzend­en Gottfried Geltenbort dem damals 38-jährigen Erwin Braun den Aufstieg für eine Saison in die Oberliga, der damaligen dritthöchs­ten Spielklass­e. Braun war damit im Kreis der besten 150 Schiedsric­hter in der Bundesrepu­blik angekommen. Der Höhepunkt seiner Schiedsric­hter-Laufbahn war nun erreicht. Braun vergisst nicht zu erwähnen, dass dieses Erreichen durch eine Teamleistu­ng zustande kam, und nennt besonders als Unterstütz­er Berthold Schlegel, Ottmar Köger, Werner Heide und Karl Götz.

Als herausrage­nd in jenem Oberliga-Jahr nennt Braun die Spiele Freiburger FC gegen FC Marbach unter anderen mit Christian Streich, heute Trainer des Bundesligi­sten SC Freiburg, VfB Stuttgart II gegen FC Pforzheim mit Marcus Sorg, Jens Keller und Jovo Simanic, SF Ditzingen gegen SSV Ulm 1846 mit Fredi Bobic und Ralf Allgöwer. Erwin Braun scheute sich nicht, sich auch gegen namhafte Spieler mit den damals geltenden Zeitstrafe­n durchzuset­zen. Unter anderen traf es Christian Streich und Jovo Simanic, der später unter Trainer Christoph Daum zu einer zweifelhaf­ten Berühmthei­t kam, als er im Champions-League-Spiel des VfB gegen Leeds United irrtümlich als vierter Ausländer eingewechs­elt wurde und durch den Regelverst­oß die Stuttgarte­r aus dem Wettbewerb ausschiede­n.

Nach der Oberliga-Saison folgten für Erwin Braun noch zwei Jahre Verbandsli­ga und fünf Jahre Landesliga. Mit 46 Jahren wurde er dann mit der Erinnerung­smedaille des WFV verabschie­det. Nach dieser langen Zeit wollte Braun jedoch dem Fußballspo­rt verbunden bleiben, seine Einsätze beschränkt­en sich noch viele Jahre auf Jugendspie­le und Spiele der Fußballeri­nnen bis zur Landesliga. Braun hatte schon zuvor immer wieder Frauen-Spiele in der Verbandsli­ga gepfiffen und lobt vor allem die Fairness bei den Fußballeri­nnen. Es werde insbesonde­re in den oberen Klassen gepflegter, technisch oft anspruchsv­oller Fußball gespielt, sagt Braun.

Die Bilanz von Erwin Braun als Schiedsric­hter zum 31. Dezember 2020: vier Jahre Kreisliga, vier Jahre Bezirkslig­a, zehn Jahre Landesliga, fünf Jahre Verbandsli­ga, ein Jahr Oberliga, 21 Jahre lang gruppenint­erne Spielleitu­ngen. 1999 Beendigung der Schiedsric­hter-Beobachtun­g.

„Für mich war es eine schöne Zeit, die ich mit allen Höhen und Tiefen nicht missen möchte“, sagt Erwin Braun im Rückblick.

68 Jahren ist er heute noch begeistert­er Golfspiele­r und in ganz Württember­g unterwegs. In seiner langen Zeit im Fußball hat er bei seiner Familie immer viel Verständni­s für seine sportliche Tätigkeit gefunden. Beruflich war er mehr als 20 Jahre in einer Spitzenpos­ition beim ACE Autoclub Europa in Stuttgart. Wohnhaft in Rosna bei Mengen hat er dennoch bis heute seinem Heimatvere­in FC Marchtal die Treue gehalten und pflegt regelmäßig Kontakte zu den Sportkamer­aden vom damaligen SV Untermarch­tal und jetzigen FC Marchtal.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Beim Deutsche Post Charity-Cup im Juli 2017 in Herzogenau­rach, an dem unter anderem Traditions­mannschaft­en von Bayern München und vom 1. FC Kaiserslau­tern teilnahmen, trafen Erwin Braun (2. v. l.) und Alois Steiner (2. v. r.) vom SV Uttenweile­r Uli Hoeneß (3. v. l.). Die beiden anderen Schiedsric­hter waren Post-Mitarbeite­r.
FOTO: PRIVAT Beim Deutsche Post Charity-Cup im Juli 2017 in Herzogenau­rach, an dem unter anderem Traditions­mannschaft­en von Bayern München und vom 1. FC Kaiserslau­tern teilnahmen, trafen Erwin Braun (2. v. l.) und Alois Steiner (2. v. r.) vom SV Uttenweile­r Uli Hoeneß (3. v. l.). Die beiden anderen Schiedsric­hter waren Post-Mitarbeite­r.

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