Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Manch Biker wird von Papa abgeholt
Beim Aktionswochenende der Polizei zeigen sich einige technische Mängel und viel Verständnis
- Die Stippvisite des Sommers hat in den vergangenen Tagen nicht nur die Rasenmäher auf Hochtouren laufen lassen – auch auf Wanderwegen und Landstraßen herrschte Hochkonjunktur. Besonders die Biker, deren Maschinen seit Wochen den Asphalt herbeisehnen, nutzten das Wochenende für erste gemeinsame Ausfahrten. Und für manch einen endete ausgerechnet im wunderschönen Donautal diese freudig erwartete Spritztour viel eher als geplant.
„Allgemeine Verkehrskontrolle – Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte“, diese freundliche, aber bestimmte Aufforderung richteten die Beamtinnen und Beamten des Polizeireviers Sigmaringen allein am Samstag an 216 Motorradfahrer. Im Rahmen des landesweiten Aktionswochenendes zur Bekämpfung von Motorradunfällen in Baden-Württemberg wurden im Bereich Sigmaringen Kontrollstellen am Bahnhof Inzigkofen und in Jungnau eingerichtet. Am Sonntag verlagerte sich die Kontrolle ins Allgäu nach Bad Wurzach.
Eine hauptsächlich präventive und sensibilisierende Maßnahme, unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit und der Lärmproblematik, die auch von den Bikern selbst gelobt wurde. „Wenn schon Straßen für Motorradfahrer gesperrt werden sollen, weil sich ein paar wenige nicht an die Spielregeln halten, dann ist es Zeit, dass was passiert“, äußerte sich ein Fahrer bei der Kontrolle.
Auch für Einsatzleiter Markus Baier eine absolut sinnvolle Aktion. Allein am Samstag zählten er und seine Kollegen insgesamt 28 Verstöße – hauptsächlich technische Mängel, abgelaufene Betriebserlaubnisse, ein Fahrer stand unter Drogeneinfluss. In sechs Fällen wurde die
Weiterfahrt untersagt. Die betroffenen Biker und Bikerinnen zeigten sich verständnisvoll und zum großen Teil einsichtig. Fast schon dankbar war ein junger Mann aus Konstanz, bei dem die Beamten auslaufendes Öl am Fahrzeug feststellten. Einige Zeit später trat er mit seinen Eltern und aufgeladenem Motorrad die Heimreise an. Eine junge Frau aus Friedrichshafen, die mit 14 Bikern
der „Knieschleifer“aus Lindau unterwegs war, setzte nach der Kontrolle die Fahrt auf dem Sozius eines Mitfahrers fort. Ihr Motorrad blieb zur Abholung zurück, da der nicht originalgetreue Lenker nicht den Sicherheitsanforderungen entsprach.
Diese Vorschriften hatte Verkehrspolizist Peter Lehmann konsequent im Blick, trotz aller Ernsthaftigkeit zeigte er Verständnis, lobte das Verhalten der Biker und hatte immer noch einen flotten Spruch unter der Maske parat.
Wie für den jungen Mann aus Memmingen. „Ah, frisch vom Hähnchengrill“, entfuhr es Lehmann beim Anblick des provisorisch mit Alufolie umwickelten Rücklichts, dessen Plastik durch den nur eine Handbreit entfernt heißen Auspuff tatsächlich wie frisch „gegrillt“wirkte.
Zähneknirschend und uneinsichtig harrte der Memminger aus und wartete auf die Abholung durch Papa.
Ganz ohne Beanstandung, aber mit jeder Menge Aufmerksamkeit „flüsterte“ein elektrisch betriebenes Motorrad über den Asphalt. „Vor zehn Tagen gekauft, es ist unsere erste große Tour“, streichelte der bärtige Ulmer stolz sein glänzendes Zweirad. Von Null auf 100 in 3,1 Sekunden, eine Akkuladung reicht für 160 Kilometer, Ladezeit eine Stunde, Höchstgeschwindigkeit 200 Kilometer pro Stunde. „Aber die braucht’s ja nicht“, schmunzelte er und rauschte mit zartem Fiepen und erstaunten Blicken rasant davon. „Schickes Teil, aber zu wenig Ladestationen bis zum Nordkap“, kommentierte Lehmann.
Noch einer, der Blicke auf sich zog, war Berthold Brutscher aus Radolfzell. Seine schwarze Ural mit Beiwagen entzückte abermals den motorsportbegeisterten Lehmann. Allerdings lag der bei der Alterseinschätzung der Maschine komplett daneben. Während Lehmann auf ein Baujahr aus den 1950er- oder 1960erJahren tippte, grinste Brutscher: „Nachbau 2013“. Im Beiwagen saß bis vor Kurzem seine Frau, jetzt fährt sie selbst Motorrad. Ihre rote Honda hat sich die 67-Jährige erst vor 14 Tagen gekauft. „Früher konnte ich nicht, dann durfte ich nicht und jetzt will ich“, sagte sie und rauschte in ihrem Motorradoutfit davon, als hätte sie nie etwas anderes getan.