Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Biden verteidigt Abzug der US-Truppen
Präsident räumt Fehleinschätzung in Afghanistan ein
- Angesichts der erschütternden Szenen am Flughafen von Kabul hat US-Präsident Joe Biden Fehler bei der Einschätzung der Situation in Afghanistan eingeräumt, zugleich aber seine Entscheidung zum Rückzug verteidigt. Die aktuelle Lage beschert Biden die heikelste Krise seiner bisherigen Amtszeit.
Die Szenen, die sich in Kabul abspielten, zerrissen einem das Herz, sagte er am Montagnachmittag (Ortszeit) im Weißen Haus, wo er sich in einer live übertragenen Ansprache an seine Landsleute wandte. Der Abzug sei hart, er verlaufe chaotisch, er sei alles andere als perfekt. Die Fakten, mit denen man es derzeit vor Ort zu tun habe, schmerzten ihn zutiefst, gestand er ein. „Wir hatten die Risiken klar im Auge“, verteidigt er sich und seine Berater. „Wir waren auf jede Eventualität vorbereitet. Aber die Wahrheit ist, die Dinge haben sich schneller entwickelt, als wir es erwartet hatten.“
In schnörkelloser Prosa wiederholt der Präsident die vernichtenden Urteile, die einige seiner Minister bereits zuvor über die gestürzte afghanische Regierung und deren Armee gefällt hatten. Die politische Führung in Kabul habe aufgegeben und sei geflohen. Das Militär, mit milliardenschwerer Hilfe von den Amerikanern unterstützt, sei in sich zusammengefallen, in einigen Fällen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, gegen die Taliban zu kämpfen, sagt er.
Während Republikaner Biden ankreiden, durch Schuldzuweisungen dieser Art von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen, geht der in Bedrängnis Geratene hart ins Gericht mit dem afghanischen Ex-Präsidenten Aschraf Ghani. Er habe Ghani ans Herz gelegt, im Dialog mit den Taliban nach einer Lösung zu suchen. Dies sei rundheraus abgelehnt worden. Wenn die Ereignisse der vergangenen Woche etwas gezeigt hätten, dann dies: „Die Militärpräsenz der USA in Afghanistan jetzt zu beenden war die richtige Entscheidung“.
Er stehe in fester Überzeugung zu seinem Rückzugsbeschluss, stellt Biden klar. Er habe die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, USSoldaten nicht auf unbestimmte Zeit in den Bürgerkrieg eines anderen Landes verwickeln wollen. „Amerikanische Truppen können und sollten nicht in einem Krieg kämpfen, den die afghanischen Streitkräfte selber nicht zu führen bereit sind.“
Eine dauerhafte Militärpräsenz liege nicht im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten. Was momentan in Afghanistan geschehe, wäre zwangsläufig auch dann geschehen, wenn man den Abzug um einige Jahre verschoben hätte, betonte Biden.